Schuldner-Atlas Saarland In Saarbrücken-Malstatt ist fast jeder Dritte überschuldet (interaktive Grafik)

Saarbrücken · Experten der Wirtschaftsauskunftei Creditreform bekommt immer mehr Inkasso-Aufträge im Saarland. Wie stark sind saarländische Haushalte inzwischen verschuldet, wie wirkt sich die Krisenlage auf die Bürger aus?

Es sind derzeit nicht mehr so viele Saarländer überschuldet wie noch im vergangenen Jahr, doch es mehren sich die Anzeichen, dass dies nicht so bleiben wird. Das geht aus dem jüngsten Schuldneratlas der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervor, der am Dienstag in Saarbrücken vorgestellt wurde. „Am Horizont ziehen dunkle Wolken auf, und wir fahren mit Volldampf auf sie zu“, sagte Carsten Uthoff, Geschäftsführer des Vereins Creditreform Saarbrücken und Pirmasens.

Gründe seien die spürbar gestiegenen Preise für Lebensmittel und Energie, aber auch die erhöhten Kreditzinsen. Als Frühindikator hat Creditreform die wachsende Zahl an Inkasso-Aufträgen ausgemacht, die seit Mitte des Jahres eingehen. „Die Krisen wie Corona, Ukraine-Krieg und die Energiepreis-Entwicklung stapeln sich und sorgen für finanzielle Anspannungen“, erklärte Uthoff.

Höhere Einkommen seien nicht in Sicht

Darüber hinaus sei kaum mit höheren Einkommen zu rechnen. Denn auch die Unternehmen seien durch die diversen Krisen gestresst. „Ein schwacher Euro, höhere Energiekosten und höhere Zinsen sowie Einschränkungen auf internationalen Absatz- und Beschaffungsmärkten belasten die Unternehmen und engen den Spielraum für Lohnerhöhungen ein“, betonte Uthoff. Er rechnet zudem mit einer steigenden Zahl an Firmeninsolvenzen.

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Foto: dpa/David Inderlied

Zahl der überschuldeten Saarländer sinkt – noch

Noch ist die Überschuldung im Sinkflug – sowohl an der Saar als auch bundesweit. Im Saarland gelten derzeit 82 000 Frauen und Männer als überschuldet, ein Jahr zuvor waren es noch 87 000. Von Überschuldung spricht Creditreform, wenn ein Erwachsener „die Summe seiner fälligen Zahlungsverbindlichkeiten in absehbarer Zeit nicht begleichen kann“. Außerdem darf er weder Vermögen besitzen noch Aussichten auf einen Kredit haben.

Im Saarland liegt die Überschuldungsquote derzeit bei zehn Prozent, 2021 waren es noch 10,5 Prozent. Bundesweit sind 8,5 Prozent aller Erwachsenen überschuldet. „Damit liegt das Saarland weiterhin im letzten Drittel der Bundesländer“, sagt der Saarbrücker Creditreform-Chef. Noch höhere Schuldenquoten weisen Nordrhein-Westfalen, Berlin, Sachsen-Anhalt und Bremen auf. Am besten ist die Situation in Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen.

In Ensheim nur knapp sieben Prozent überschuldet

Auch innerhalb des Saarlandes geht die Schuldenschere weit auseinander, in der Landeshauptstadt sogar zwischen einzelnen Stadtteilen. So ist in Saarbrücken-Malstatt fast jeder Dritte (29,97 Prozent) überschuldet, in Ensheim (6,63 Prozent) nur knapp jeder 16. Bei den anderen Städten ragt Neunkirchen mit einer Überschuldungsquote von mehr als 24 Prozent spürbar heraus. Zwischen den Geschlechtern gibt es im Saarland ebenfalls Unterschiede. Die Überschuldungsquote der Männer liegt bei 11,6 Prozent, die der Frauen bei 7,7 Prozent.

Corona hatte gute Wirkung auf Schuldner

Die geringere Überschuldung gegenüber 2021 führt Uthoff vor allem auf Corona zurück. Zum einen seien die Leute verunsichert gewesen und bemüht, ihr Geld zusammenzuhalten. Auf der anderen Seite „waren die Konsummöglichkeiten wegen der geschlossenen Geschäfte eingeschränkt“.

In Hochzeiten der Pandemie sei die Sparquote von elf auf 16 Prozent des verfügbaren Einkommens hochgeschossen. Allerdings werde jetzt wieder spürbar weniger Geld auf die Seite gelegt. Vielmehr würden die Leute verstärkt auf ihr Erspartes zurückgreifen. „Die Inflation frisst die Rücklagen auf“, so der Chef von Creditreform Saarbrücken.

Wichtigster Schuldengrund ist Arbeitslosigkeit

Der wichtigste Grund für eine Überschuldung ist nach wie vor die Arbeitslosigkeit, allerdings mit rückläufiger Tendenz. Weitere wichtige Gründe seien Krankheiten, Sucht oder ein Unfall; hier hat die Zahl der Fälle laut Creditreform noch zugenommen. Vielen Menschen seien die Schulden allerdings auch über den Kopf gewachsen, „weil sie zu wenig verdienen, um ihren Verpflichtungen nachkommen zu können“, sagte Uthoff.

Hier könne die Gesellschaft nur gegensteuern, indem sie das Bildungsangebot verbessert, sodass die Menschen besser bezahlte Arbeit in Vollzeit haben, aber auch die Gesundheitsprävention ausbaut, damit Krankheiten, die mit einem sozialen Abstieg verbunden sind, seltener vorkommen. „Wir benötigen auch mehr Bildung in Finanzkompetenz, damit die Menschen lernen, besser mit ihrem Geld umzugehen.“ Denn auch die Zahl derer habe zugenommen, „die über Ihre Verhältnisse leben“.

Jüngere Menschen lernen beim Schuldenmachen dazu

Bei den jüngeren Leuten scheint dies anzukommen. Bei den 30- bis 39-Jährigen ist die Überschuldungsquote mit 14,12 Prozent zwar am höchsten. Sie ging gegenüber 2021 mit einem Minus von 1,01 Prozentpunkten jedoch am stärksten zurück. Die zweithöchste Überschuldungsquote weisen mit 12,52 Prozent die 40- bis 49-Jährigen auf. Deren Anteil sank nur um 0,20 Prozentpunkte.

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