Viel mehr Stellen als Bewerber Immer noch viele Lehrstellen im Saarland unbesetzt – Trendwende auf Arbeitsmarkt erwartet

Saarbrücken · Saarländische Unternehmen suchen händeringend Auszubildende – es gibt viel mehr offene Stellen als Bewerber. Noch zeigen sich die Folgen des Kriegs und der Energiekrise nicht auf dem saarländischen Arbeitsmarkt. Es wird allerdings eine Trendwende erwartet.

Saarland: Viele freie Plätze für Ausbildung - Trendwende auf Arbeitsmarkt erwartet​
Foto: dpa/Jan Woitas

Im Saarland ist die Arbeitslosigkeit im Oktober im Vergleich zum Vormonat gesunken. Wie die Regionaldirektion am Mittwoch in Saarbrücken bekannt gab, waren im Oktober 33 700 Frauen und Männer arbeitslos gemeldet, 400 oder ein Prozent weniger als im September dieses Jahres. Die Arbeitslosenquote lag bei 6,4 Prozent. Im Vergleich zum Oktober 2021 sind allerdings 100 Menschen mehr arbeitslos gemeldet. Heidrun Schulz, die Chefin der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit, zieht für die vergangenen vier Wochen ein positives Fazit. So sei die Zahl der gemeldeten Stellen hoch, die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gestiegen und es lägen wenig Anzeigen für Kurzarbeit vor. Nicht zuletzt sei auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen gesunken.

Mehr Arbeitslose mit ausländischem Pass

Gestiegen ist die Zahl der Arbeitslosen mit ausländischem Pass. Das ist laut Heidrun Schulz einzig auf den Zugang der ins Saarland geflüchteten Ukrainer zurückzuführen. Da zurzeit überwiegend Ukrainerinnen nach Deutschland flüchten, führe die Bewegung auch dazu, dass die Arbeitslosigkeit der Frauen deutlich steige, während die der Männer im Vergleich zum Vorjahr sinke. Die Ukrainerinnen hätten zwar, je nachdem wie lange sie blieben, eine gute Chance, den Weg in den Arbeitsmarkt zu finden, „aber das wird noch dauern, weil sie erst die Sprache erlernen müssen“, sagt Schulz.

Auswirkungen der Krisen auf den Arbeitsmarkt

Von der aktuellen Konjunktureintrübung sei zurzeit auf dem saarländischen Arbeitsmarkt noch nichts zu spüren. Das werde aber nicht so bleiben. „Im Jahr 2023 werden Kriegsfolgen und Krisen die bisher positive Entwicklung am Arbeitsmarkt vermutlich dämpfen“, sagt Schulz. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) prognostiziert für das nächste Jahr einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um 0,3 Prozent im Saarland.

Mit einer Trendwende auf dem Arbeitsmarkt rechnet auch die Industrie- und Handelskammer. „In den kommenden Monaten dürften sich insbesondere die Energiekrise und die auf breiter Front steigenden Preise als belastend erweisen“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Frank Thomé . Viele Unternehmen rechneten für die Wintermonate mit einer Rezession, so sei vorerst nicht mit der Fortsetzung der bisherigen Beschäftigungsdynamik zu rechnen. „Um den Abwärtstrend nicht noch zu verstärken, muss die Politik jetzt die Angebotsseite stärken und alles unterlassen, was Investitionen, Wachstum und Beschäftigung erschwert“, sagt Thomé.

Viele freie Lehrstellen

Eine kleine Überraschung gab es laut Regionaldirektions-Chefin Schulz am saarländischen Ausbildungsmarkt: Im gerade abgeschlossenen Ausbildungsjahr waren 110 oder 2,5 Prozent mehr junge Menschen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz als im Jahr davor. So meldeten sich im Zeitraum von Oktober 2021 bis September 2022 4600 junge Frauen und Männer bei der Agentur für Arbeit oder den Jobcentern auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle. In diesem Zeitraum waren 7300 Ausbildungsplätze gemeldet. „Der Ausbildungsmarkt entwickelt sich immer mehr zu einem Bewerberinnen- und Bewerbermarkt“, sagt Schulz. Auf 100 betriebliche Ausbildungsstellen kommen 65 Bewerberinnen und Bewerber.“ Während die Möglichkeiten junger Erwachsene damit steige, wachse die Herausforderung für Betriebe. Bis zum 30. September waren 87 Bewerber beim Jobcenter auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle und 1100 Ausbildungsstellen noch zu besetzen.

Von den 4600 Bewerbern haben Schulz zufolge 2000 eine Ausbildung begonnen, 800 sind doch in der Schule geblieben, 160 haben sich für ein Studium entschieden und 370 sind direkt in Erwerbstätigkeit gegangen. Letzteres ist für Schulz oft keine kluge Entscheidung. „Das wird auf Dauer nicht zu einer steten Beschäftigung führen“, sagt sie. Das zeigt auch die Statistik. Wie Schulz erläutert, seien von den bei der Agentur gemeldeten Arbeitslosen 60 Prozent ohne Ausbildung. Während die Arbeitslosigkeit der Menschen ohne Ausbildung steige, sei die Zahl der Arbeitslosen mit Ausbildung gesunken. „Das heißt, der Weg zurück in den Arbeitsmarkt ist mit einer Ausbildung einfacher.“

Wie Abbrüche verhindert werden können

Das Ende des Ausbildungsjahrs sei erfahrungsgemäß die Zeit für Abbrüche. Sie appelliert deshalb an die Azubis: „Wenn Probleme auftauchen, gehen Sie auf die Berater zu, die können Ihnen helfen.“ Zum Beispiel mit der sogenannten assistierten Ausbildung. Die Unterstützung kann unterschiedlich ausfallen, etwa in Form von Nachhilfe, wenn in der Berufsschule Probleme auftauchen, kann aber auch soziale Betreuung oder verwaltungstechnische Beratung umfassen. „Damit zusammenbleibt, was zusammen gefunden hat“, sagt Schulz.

Um die Lücken auf dem Ausbildungsmarkt zu schließen, sieht Schulz noch weitere Ansatzpunkte. Zum Beispiel könnten ältere Arbeitslose ohne Ausbildung diese noch nachholen. Bisher könnten Erwachsene, wenn sie in eine zertifizierte Weiterbildung gehen, diese nur verkürzt machen. Einer der Ansätze des geplanten Bürgergelds sei es, dass diese auch drei Jahre lang möglich sein soll. Außerdem werde es im Saarland auch um die gezielte Einwanderung von fehlenden Fachkräften gehen.

Wie Ausbildung attraktiver werden könnte

Nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) könnten viele Betriebe noch am Gehalt schrauben, um mehr Jugendliche von einer Ausbildung zu überzeugen: „Gute Bezahlung nach beziehungsweise über Tarif und eine hohe Qualität in der Ausbildung sind Stellschrauben, die für Jugendliche attraktiv sind und somit einem Fachkräftemangel vorbeugen“, sagt Susanne Wingertszahn, Vorsitzende des DGB Rheinland-Pfalz / Saarland. Vielfach würden offene Stellen und geeignete Bewerber räumlich zu weit auseinander liegen. „Hier wären günstige Azubi-Appartements und ein preislich attraktives Azubi-Ticket für den ÖPNV Angebote, die die Länder beisteuern könnten, um die regionalen Passungsprobleme zu verringern“, heißt es vom DGB. Nicht zuletzt müssten Azubis mit schlechteren Noten gezielt gefördert werden.

Wer noch einen Ausbildungsplatz sucht oder Beratung braucht, kann sich bei den Beratern der Arbeitsagentur melden unter Tel. 0800 4 55 55 00

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort