Förderung aus Berlin untersagt „Das werden wir nicht durchhalten“ – Saar-Stahlindustrie bangt um ihre Zukunft
Dillingen/Völklingen · Die Nerven der Stahlmanager an der Saar liegen blank. Auch die Konstrukteure des geplanten Wasserstoff-Netzes zur Versorgung der saarländischen Stahlindustrie werden immer nervöser. Kommen nun die Förderbescheide zum Umbau auf „grünen Stahl“, oder steht die Branche in der Region mit über 20 000 Beschäftigten vor dem Aus?
Die Spitzenmanager in der saarländischen Stahlindustrie sind höchst beunruhigt: Scheitert ihr Prestige-Projekt zum Umbau der gesamten Produktion in Dillingen und Völklingen auf klimafreundlichen CO2-freien Stahl noch kurz vor dem Ziel? Stehen gar rund 20 000 Beschäftigte der Branche, die in Verbindung steht mit der ebenfalls krisengeschüttelten Autoindustrie, spätestens 2030 vor dem Aus?
Ein drohender Schock, der auch die Überlebensfähigkeit des gesamten Saarlandes in Frage stellen würde. Denn Stahlarbeiter gehen auch zum Bäcker, Metzger, kaufen Autos, bewohnen Häuser und bereichern auch zahlreiche Vereine in der Region. 3,5 Milliarden Euro sind nach Darstellung der beiden saarländischen Stahlunternehmen in Berlin zur Förderung beantragt. Von denen der Bund im Idealfall eigentlich 60 Prozent übernehmen soll.
Allgemeine Ratlosigkeit
Doch diese Förderung ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur untersagten Verwendung des dafür notwendigen Sondervermögens in weite Ferne gerückt. Zwar bemühen sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) und auch sein Staatssekretär öffentlich immer noch zu versichern, es müsse jetzt alles getan werden, die beantragten Förderprojekte, auch die von der Saar, abzusichern. Doch wie das noch geschehen soll, können auch sie nicht sagen.
Die saarländischen Stahl-Manager hat die jüngste Entwicklung eiskalt erwischt. Sie hatten zuletzt auf die Zusage des Förderbescheides möglichst noch vor Weihnachten, spätestens Anfang 2024 gesetzt. Und jetzt? Allgemeine Ratlosigkeit.
Kein Plan B
Jonathan Weber, Geschäftsführer der SHS Stahl Holding Saar, der die beiden Stahl-Unternehmen gehören, lässt auf einer gemeinsamen Veranstaltung von SHS, Industrie- und Handelskammer (IHK) sowie dem Netzwerk Tra Saar der Automobilindustrie durchblicken, dass die Nerven inzwischen bei allen Beteiligten blank liegen. „Die Unsicherheit ist wirklich unerträglich. Es geht allen so, weil wir jetzt seit Jahren an dem Projekt arbeiten. Jetzt sind wir endlich im Endspurt und beim Förderbescheid angekommen, da platzt die nächste Bombe: Jetzt ist kein Geld mehr da. Das verunsichert alle.“
Und als wäre das alleine nicht schon ein Desaster, stellt Weber zugleich klar: „Aus meiner Sicht gibt es auch keinen Plan B für die saarländische Stahlindustrie.“ Denn mit der heute herkömmlichen Methode, Stahl zu produzieren, komme man auch nicht mehr weiter. Heute müsse man wegen politischer Vorgaben zum Umwelt- und Klimaschutz Geld zahlen für das in der Produktion entstehende CO2. Das wiederum verursache in den saarländischen Stahlunternehmen künftig Mehrkosten von über 800 Millionen Euro. „Das werden wir nicht durchhalten. Ganz klar. Insofern kann es keinen Plan B geben. Da die politische Regulierung zum Umgang mit CO2 nun einmal so ist, bleibt uns nichts anders übrig, als umzustellen auf die Produktion von CO2-freiem grünen Stahl. Und deshalb beschäftigen wir uns auch nicht mit einem Plan B. Es gibt keine Alternative“, betont Weber.
Wasserstoff-Infrastruktur in Gefahr
Erschreckend zugespitzt wird die gegenwärtige Alarmstimmung der saarländischen Stahlmanager auch durch eine Aussage des Creos-Geschäftsführers Frank Gawantka, jenes Unternehmens, das bis 2027 das regionale Wasserstoff-Versorgungsnetz im Saarland aufbauen soll, das die Dillinger Hütte und Saarstahl zwingend als Voraussetzung für die Produktion von grünem Stahl braucht. „Wir bauen keine Infrastruktur auf Vorrat. Wenn die Dillinger Hütte und Saarstahl ihre Produktion nicht auf grünen Stahl umstellen kann, dann werden wir auch unser Wasserstoff-Versorgungsnetz im Saarland erst einmal nicht realisieren können, weil es keinen Bedarf gibt“, betont Gawantka.
Auch das jedoch wäre ebenfalls ein Supergau, denn die beiden Stahlunternehmen sollen als Vorreiter für den Bezug von besonders viel Wasserstoff die Nachfrage ankurbeln, auch im Hinblick auf weitere Interessenten. Zumal der Bezug von Wasserstoff nach Einschätzung von Experten mittelfristig billiger wird, je mehr Betriebe sich dafür entscheiden können. Als heiße Favoriten im Saarland gelten jetzt schon große Betriebe wie Villeroy & Boch, die Saarbahn, der Motorblockhersteller Nemak in Dillingen oder auch der Schraubenhersteller Nedschroef in Beckingen, alles Betriebe mit zahlreichen Beschäftigten.
Forderungen der IHK an Politik
Auch Carsten Meier, Geschäftsführer der Saar-IHK, sieht die Bundesregierung in der Pflicht, jetzt alle Alternativen im Bundeshaushalt zu prüfen und das Stahl-Projekt an der Saar nicht scheitern zu lassen. „Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat das zu einer Priorität erklärt. Auch wir von der IHK sind optimistisch, dass das Projekt gelingen wird. Die Politik muss jetzt liefern und Planungssicherheit gewährleisten, damit auch die Betriebe ihre Investitionsentscheidungen zügig umsetzen können. Wir brauchen diesen Erfolg an der Saar, auch für den Hochlauf der Wasserstoff-Infrastruktur für weitere Betriebe und Branchen. Davon würde die gesamte Saar-Wirtschaft profitieren“, so Meier.
Die Bundesregierung ist nach seiner Überzeugung nicht nur wegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes unter Druck geraten. „Wenn wir die Klimawende schaffen wollen, kommen wir an der Umstellung der Stahlindustrie in Deutschland und im Saarland auf grünen Stahl nicht vorbei.“ Sonst müsse die Bundesregierung zugleich ein Scheitern ihrer Klimapolitik eingestehen. An der Saar sieht Meier in der Stahlindustrie den Treiber für technologische Veränderung in der Region, Wachstum, Beschäftigung, Steuerkraft und Wohlstand.