SZ-Interview mit Saar-Finanzminister Peter Strobel „Wir wollen möglichst vielen in der Krise helfen“

Saarbrücken · Der saarländische CDU-Finanzminister setzt zur Existenz-Sicherung während der Corona-Zeit auf unbürokratische Möglichkeiten.

 Die Gastronomie wird von der Corona-Krise besonders stark getroffen. Dort stehen nun Steuern an, die viele Betriebe nicht zahlen können.

Die Gastronomie wird von der Corona-Krise besonders stark getroffen. Dort stehen nun Steuern an, die viele Betriebe nicht zahlen können.

Foto: dpa/Marijan Murat

Mit Steuer-Stundungen, der Herabsetzung von Vorauszahlungen und einem Aussetzen von Vollstreckungsmaßnahmen will der saarländische Finanzminister Peter Strobel (CDU) existenzbedrohte Unternehmen unterstützen. Die Details erläutert er im Interview mit der Saarbrücker Zeitung.

Herr Strobel, zahlreiche kleine und mittelgroße Unternehmen im Saarland kann Corona die Existenz kosten. Sie als Finanzminister wollen mit unbürokratischen Steuererleichterungen helfen. Wer kann die Hilfe in Anspruch nehmen?

STROBEL Grundsätzlich kann jedes Unternehmen unsere steuerliche Hilfestellung in Anspruch nehmen. Das ist auch unabhängig von der Betriebsgröße. Besonders viele Nachfragen kommen aber aus der Gastronomie. Gerade dort stehen nach dem ersten Quartal, das für viele noch recht gute Umsätze brachte, Umsatzsteuer-Zahlungen an. Am 10. März 2020 waren zudem Einkommensteuer- und Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen fällig. Die Körperschaftsteuer betrifft die Kapitalgesellschaften, vorwiegend die GmbHs. Genau diese Summe der bereits fälligen Beträge sitzt den Gastronomen jetzt im Nacken. Und exakt hier bieten wir Hilfestellung an. Ich denke, am dringendsten notwendig sind die Erleichterungen bei der Umsatzsteuer.

Wie läuft die Hilfestellung in der Praxis ab?

STROBEL Fällige Steuern werden zinslos gestundet. Können die Umsatzsteuervoranmeldungen oder auch Steuererklärungen infolge der Corona-Auswirkungen nicht termingerecht eingereicht werden, gewähren wir auf Antrag eine Fristverlängerung. Durch die Stundung fälliger Steuerbeträge schaffen wir Liquidität für die Unternehmen. Mit diesen Maßnahmen verschaffen wir den Unternehmen den Freiraum, sich um derzeit dringende Anträge auch bei der Bundesagentur für Arbeit oder beim Wirtschaftsministerium kümmern zu können.

Für welchen Zeitraum werden Steuern gestundet?

STROBEL Derzeit ist es nicht absehbar, wie lange Stundungen gegenüber den Unternehmen erfolgen müssen. Zunächst werden Stundungen maximal für ein halbes Jahr gewährt. Danach müssen wir gegebenenfalls erneut eine Entscheidung treffen. Eine Verlängerung der Stundungsmöglichkeit maximal bis zum 31. Dezember 2020 ist mit dem Bundesministerium der Finanzen vorabgestimmt. Alle Hilfestellungen wurden und werden sehr eng mit dem Bundesministerium der Finanzen und den anderen Bundesländern abgestimmt. Wir beobachten die weitere Entwicklung der Situation genau, um gegebenenfalls nachzusteuern.

Als Grundvoraussetzung zur Stundung bezeichnen Sie das Vorliegen einer erheblichen Härte. Ab wann kann man davon sprechen?

STROBEL Wir stellen hier keine hohen Anforderungen. Trägt das Unternehmen unter Angabe seiner Branchenzugehörigkeit vor, es habe wegen Corona schließen müssen und die Umsätze seien dadurch weggebrochen, reicht dies bereits aus, um dem Antrag auf Stundung beziehungsweise Herabsetzung der Vorauszahlungen stattzugeben. Eines erweiterten Nachweises bedarf es nicht. Es ist unser Ziel, die Hilfestellungen möglichst unbürokratisch umzusetzen, damit schnell und effizient geholfen werden kann. Wir wollen ausdrücklich möglichst vielen Saar-Unternehmen in der Krise helfen.

Wie läuft das in der Praxis ab?

STROBEL Die Einkommen- beziehungsweise Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen werden im jeweiligen Einzelfall angepasst. Auch hier reichen die Angabe der Branche und der Antrag mit einem Hinweis auf die Folgen der Corona-Krise, wie zum Beispiel die Schließung des Unternehmens oder Umsatzrückgang, aus. Grundlage für die Ermittlung von Vorauszahlungen ist grundsätzlich der Gewinn des Vorjahres. Ist jedoch absehbar, dass dieser Gewinn für das laufende Jahr zu hoch angesetzt ist, kann der Unternehmer den voraussichtlichen Gewinn für 2020 schätzen. Dieser wird der Neuberechnung zugrunde gelegt und die Vorauszahlungen werden entsprechend zurückgesetzt.

Auch Vollstreckungsmaßnahmen soll es während der Dauer der Corona-Krise nicht geben.

STROBEL Das stimmt, Vollstreckungsmaßnahmen werden zurzeit nicht ergriffen. Wir setzen die Vollziehungsbeamten dafür im Innendienst ein. Auch Säumniszuschläge, die bei Nichtzahlung bei Fälligkeit von Gesetzes wegen entstehen, werden nicht erhoben. Stellt ein Unternehmen einen Antrag auf Stundung, wird dadurch die Fälligkeit hinausgeschoben. Dies hat zur Folge, dass weder eine Vollstreckung erfolgt, noch Säumniszuschläge entstehen. Deshalb sollte sich der Unternehmer an sein zuständiges Finanzamt wenden. Sollten dennoch bereits Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen worden sein, die nun aufgrund der Corona-Krise so nicht leistbar sind, können diese ebenfalls aufgehoben werden. Auch in diesem Fall sollte sich der Unternehmer an sein zuständiges Finanzamt wenden.

Wie stellen Sie sicher, dass alle saarländischen Finanzämter auf die von Ihnen beschriebenen Hilfsmaßnahmen vorbereitet sind?

STROBEL Wir verfügen in allen Finanzämtern über Mitarbeiter mit hoher Expertise. Die Umsetzung in den Finanzämtern erfolgt über Erlasse meines Hauses, in denen die Handlungsweise konkret beschrieben wird.

Was glauben Sie selbst: Wie hilfreich sind Ihre Maßnahmen?

STROBEL Durch die Maßnahmen können wir die Liquidität in den Unternehmen erhöhen und dadurch den entstehenden Kostendruck der Unternehmen zumindest abmildern.

Besteht nicht auch die Gefahr, dass sich jetzt einige Unternehmen finanziell Luft verschaffen wollen, die schon vor Corona in eine Schieflage geraten sind?

STROBEL Das Risiko solcher Mitnahmeeffekte gibt es immer. Das wird sich auch nicht verhindern lassen. Wir wollen denen helfen, die jetzt unverschuldet in eine Notsituation geraten sind. Deshalb appelliere ich an die Vernunft der Einzelnen, unsere Hilfen nur in Anspruch zu nehmen, wenn dies auch wirklich aufgrund der Corona-Krise nötig ist.

 Peter Strobel (CDU), saarländischer Minister für Finanzen

Peter Strobel (CDU), saarländischer Minister für Finanzen

Foto: dpa/Oliver Dietze

Kann sich das Saarland solche Hilfsaktionen überhaupt leisten?

STROBEL Die Hauptfrage ist jetzt doch: Wie können wir verhindern, dass irreparable wirtschaftliche Schäden entstehen. Deshalb greifen wir jetzt zu besonderen Maßnahmen. Wir haben im Ministerrat eine außergewöhnliche Notsituation nach Paragraf 2 des saarländischen Haushaltsstabilisierungsgesetzes festgestellt und werden das dem Landtag als Haushaltsgesetzgeber zur Entscheidung vorlegen. Dadurch schaffen wir die Möglichkeit von der verordneten Schuldenbremse abzuweichen. Formal wird dies durch einen Nachtragshaushalt im Sommer sichergestellt.

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