Angst in der Branche Immer weniger Metzger an der Saar

Dillingen/Neunkirchen · Nachwuchsmangel, zunehmende Bürokratie und die Konkurrenz der Discounter machen der Branche zu schaffen.

 Frische und gute Qualität zeichnen Metzgereien aus. Doch sie müssen sich immer mehr einfallen lassen, um zu überleben. Eine Trumpfkarte im Konkurrenzkampf ist die persönliche Beratung der Kunden.

Frische und gute Qualität zeichnen Metzgereien aus. Doch sie müssen sich immer mehr einfallen lassen, um zu überleben. Eine Trumpfkarte im Konkurrenzkampf ist die persönliche Beratung der Kunden.

Foto: picture alliance / dpa/Maurizio Gambarini

Bernd Scherer könnte im Grunde zufrieden sein. Der 53-Jährige ist Geschäftsführer der Metzgerei Scherer in Dillingen-Pachten. Er leitet den Betrieb in der zweiten Generation mit seiner Frau Myriam (50). Scherers Eltern haben das Geschäft 1963 eröffnet, er hat es 1993 übernommen. Im Betrieb arbeiten 20 Beschäftigte, darunter zwei Azubis. Seit zwölf Jahren gibt es auch eine Filiale in Beckingen. „Wir haben uns breiter aufgestellt: Wir bieten auch einen Cateringservice an, der sehr gut läuft. Außerdem haben wir zwei mobile Rostwurstbuden“, sagt der Metzger.

Also alles gut? Nein. „Die Situation im Fleischerhandwerk ist angespannt“, sagt Scherer. Zuletzt sorgte das Saarbrücker Traditionsunternehmen Schröder Fleischwaren für schlechte Nachrichten. Doch Bernd Scherer macht sich nicht nur aufgrund der jüngsten Entwicklungen Sorgen. Ihn beunruhigt auch, dass die Zahl der Metzgereien schrumpft, bundesweit wie im Saarland. „Ich habe in den vergangenen Jahren gemerkt, dass viele Mitbewerber weggefallen sind“, sagt Scherer. Hauptgrund: „Es fehlen die Nachfolger.“ Markus Strauß ist Geschäftsführer der saarländischen Fleischerinnung mit Sitz in Neunkirchen. Er sagt: „Der Fachkräftemangel macht uns zu schaffen, es finden sich immer weniger junge Leute, die Metzger werden wollen.“ Bei den meisten Metzgereien im Saarland handele es sich um Familienbetriebe, die es seit mehreren Generationen gebe. Die Inhaber müssten meist aus Altersgründen schließen. Nach Angaben von Strauß existierten in den 1980er Jahren noch mehr als 300 Betriebe im Saarland, die Mitglied in der Innung waren, heute sind es 62. Die meisten befinden sich im Saarpfalz-Kreis und im Regionalverband Saarbrücken, die wenigsten im Landkreis Neunkirchen. Das liege an Kaufkraftunterschieden.

Nach den Zahlen des Deutschen Fleischer-Verbandes verschwand im Saarland in den letzten 20 Jahren fast jede zweite Fleischerei. Im Gegensatz zur Saar-Innung berücksichtigt der Bundesverband in seinen Statistiken alle handwerklichen Fleischereien, die es gibt (außer die in den Supermärkten). Demnach gab es 1999 im Saarland noch 273, nach jüngsten Zahlen sind es nur 143. Allerdings hat sich der Rückgang verlangsamt: Seit 2014 sank die Zahl der Fleischereien „nur“ um 13 Prozent.

Gero Jentzsch, Sprecher des Fleischer-Verbandes, verweist noch auf andere Daten: „Die Zahl der Betriebe nimmt zwar ab, die verbleibenden Betriebe werden aber insgesamt größer und leistungsfähiger.“ Dies könne man zum Beispiel gut an der Zahl der Mitarbeiter und an den Jahres- und Branchenumsätzen erkennen. Das gelte allerdings nicht für das Saarland, sagt Markus Strauß. „Einige Betriebe verzeichnen mit Sicherheit Umsatzsteigerungen, aber für den Großteil der Metzgereien gilt das nicht.“ Es sei sehr schwer, Margen zu erzielen. Der Pro-Kopf-Verzehr sei mit 60 Kilo pro Jahr konstant, aber das Kaufverhalten habe sich sehr verändert. „Heute bieten auch Discounter und Tankstellen Fleisch an – für uns eine große Konkurrenz.“ Doch er warnt vor Preiskämpfen gegen Discounter und rät zur persönlichen Kundenberatung.

Auch Bernd Scherer sagt: „Die Leute kaufen immer mehr in Supermärkten und Discountern. Das ist sehr schade. Das hochwertige Produkt Fleisch wird so immer mehr verramscht – man würdigt es kaum noch.“ Ein weiteres Problem sei die Bürokratie. „Täglich müssen wir viele Dinge dokumentieren. Dafür fehlt uns aber die Zeit, wir haben ja keine Bürokraft. Meine Frau und ich müssen vieles nach Geschäftsschluss erledigen“, sagt Scherer. Das sei ein wahnsinniger Aufwand. „Nehmen wir die Reinigungspläne. Wenn ich einen Tisch sauber gemacht habe, weiß ich doch, dass ich ihn sauber gemacht habe – wieso soll ich das noch dokumentieren?“

Scherer befürchtet, dass in den nächsten Jahren noch mehr Metzgereien wegen fehlender Nachfolger dichtmachen. „Viele meiner Kollegen sind über 50 – auf die kommt das jetzt zu.“ Um seinen eigenen Nachfolger macht er sich keine Sorgen. Sein Patenkind Dennis Brück hat Interesse. „Er ist 32, seit acht Jahren Fleischermeister und seit zehn Jahren bei uns. Er kennt den Betrieb.“

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