Umfrage in der Metall- und Elektroindustrie Lieferkettengesetz belastet kleine Unternehmen im Saarland

Saarbrücken · Obwohl es eigentlich für sie noch nicht direkt gilt, belastet das Lieferkettengesetz bereits jetzt auch kleinere Unternehmen im Saarland, wie eine aktuelle Umfrage in der Metall- und Elektroindustrie zeigt. Die Branche kritisiert das Gesetz, das die Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten entlang der globalen Lieferketten verpflichtet, scharf.

Lieferkettengesetz belastet kleine Unternehmen im Saarland​
Foto: dpa/Markus Scholz

Das Lieferkettengesetz ist laut einer aktuellen Umfrage eine große Belastung für kleinere Unternehmen im Saarland – und das, obwohl es für sie noch gar nicht direkt gilt. So gaben laut der Umfrage in der saarländischen Metall- und Elektroindustrie knapp drei von vier der befragten Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten an, betroffen zu sein, bei Unternehmen mit 250 bis 999 Beschäftigten sind es vier von fünf Unternehmen, größere Unternehmen geben alle an, bereits jetzt direkt oder indirekt von Berichtspflichten erfasst zu sein. Das teilte der Verband der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes (ME Saar) am Donnerstag mit. An der Umfrage, die Gesamtmetall deutschlandweit erhoben hat, haben im Saarland demnach 45 Mitgliedsunternehmen mit 20 700 Beschäftigten teilgenommen.

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, wie es in voller Länge heißt, ist am 1. Januar in Kraft getreten. Es regelt die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in den globalen Lieferketten. Hierzu gehören beispielsweise der Schutz vor Kinderarbeit, das Recht auf faire Löhne und der Schutz der Umwelt. Dabei sind die Unternehmen sowohl für den eigenen Geschäftsbereich, als auch für das Handeln eines Vertragspartners und das Handeln weiterer (mittelbarer) Zulieferer in der Sorgfaltspflicht. Bei Verstößen drohen hohe Bußgelder. Das Gesetz gilt aktuell zunächst für Unternehmen mit mindestens 3000, ab 2024 auch für Unternehmen mit mindestens 1000 Arbeitnehmern.

15 Prozent der befragten Unternehmen im Saarland haben sich aus einzelnen Ländern zurückgezogen

„Obwohl sie noch nicht im direkten Anwendungsbereich des Gesetzes liegen, sind viele saarländische Unternehmen bereits jetzt als Zulieferer berichtspflichtig“, sagt ME Saar-Hauptgeschäftsführer Martin Schlechter. „Damit erhöht sich auch bei ihnen der bürokratische Aufwand erheblich.“ 57 Prozent der befragten Betriebe bezeichnen den Aufwand, der ihnen durch das Gesetz entsteht, als hoch, 23 Prozent sogar als sehr hoch. Als Maßnahmen nennen sie vor allem einen Ausbau des Risikomanagements, zusätzliche Audits und Schulungen sowie Anpassungen von Lieferanten- und Kundenbeziehungen. 15 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich wegen der Vorschriften des Gesetzes aus einzelnen Ländern und Handelsregionen zurückgezogen haben. Allerdings wurde in der Umfrage nicht nach Gründen gefragt. Ob es sich also um mögliche Verstöße oder präventiven Rückzug handelt, bleibt offen.

 Martin Schlechter, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes (ME Saar)

Martin Schlechter, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes (ME Saar)

Foto: Oliver Dietze/VSU/Oliver Dietze

„Die Unternehmen sehen ihre Wettbewerbsfähigkeit durch das Gesetz stark beschädigt“, sagt Schlechter. „Vor allem sehen sie, dass die Konkurrenz aus anderen Regionen der Welt profitiert, die nicht diesem Gesetz unterworfen ist.“ Drei von fünf Unternehmen erwarten, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert und es zu mehr Unsicherheit in den Handelsbeziehungen kommt, zwei von fünf Unternehmen gehen davon aus, dass Konkurrenten durch die Lieferkettenregeln einen Vorteil haben werden.

Problem der Politik, nicht der Wirtschaft

Die Wirtschaft stehe hinter der Grundintention des Gesetzes, die Arbeitsbedingungen in der Welt zu verbessern und Ausbeutung sowie Kinderarbeit abzuschaffen. Letztlich sei das aber ein Problem, das auf politischer Ebene zwischen den Regierungen verhandelt werden müsse. „Arbeitsbedingungen werden durch eine Regierung vor Ort über Gesetze geregelt. Es kann nicht sein, dass ein Mittelständler im Saarland nun bewirken soll, was die Politik über viele Jahre nicht erreicht hat“, sagte Schlechter in der Vergangenheit.

Gesamtmetall-Chef warnt vor geplantem EU-Lieferkettengesetz

Neben dem bürokratischen Aufwand entstehen der Umfrage von Gesamtmetall zufolge auch erhebliche zusätzliche Kosten: Mittelständische Unternehmen rechnen demnach mit rund 69 000 Euro im Jahr, kleine Unternehmen haben knapp 30 000 Euro Kosten im Jahr etwa für zusätzliches Personal durch mehr Bürokratie.

Das stehe in „bemerkenswerten Gegensatz zu den Beschwichtigungen der Bundesregierung, die im Gesetzgebungsverfahren keinerlei Kosten für die Unternehmen kommen sah und die nach wie vor erklärt, das Gesetz betreffe nur 900 Unternehmen in Deutschland“, heißt es in der Mitteilung von Gesamtmetall. „Es sind nun so ziemlich alle Folgen zu sehen, vor denen Unternehmen und Verbände im Vorfeld massiv gewarnt haben“, sagt Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf. „Vielleicht versteht die Bundesregierung nun, dass Unternehmen von der betrieblichen Praxis mehr verstehen als Abmahnvereine und Zertifikatehändler. Das sollte insbesondere auch Brüssel eine Warnung sein, wo mit den gleichen Beschwichtigungen eine weitere Lieferkettenregulierung beschönigt wird.“

Während in Deutschland das Lieferkettengesetz bereits in Kraft ist, arbeitet die Europäische Union aktuell an einem entsprechenden Gesetz. 366 Abgeordnete befürworteten am Donnerstag das geplante EU-Lieferkettengesetz, 225 Abgeordnete stimmten dagegen, 38 enthielten sich.

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