Minister diskutieren im Saarland Die Landwirtschaft in der Corona-Krise

Saarbrücken · Schärfere Düngeregeln, länger anhaltende Trockenperioden und eine immer stärkere internationale Konkurrenz – die Herausforderungen, mit denen sich deutsche Land- und Forstwirte konfrontiert sehen, waren schon vor der Corona-Krise groß. Bund und Länder haben in Saarbrücken über die schwierige Situation der ohnehin krisengeschüttelten Branche gesprochen.

 Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) warnte bei der Agrarministerkonferenz in Saarbrücken vor „Konsum-Nationalismus“. Der saarländische Umwelt- und Agrarminister Reinhold Jost (SPD) sitzt der Konferenz in diesem Jahr vor.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) warnte bei der Agrarministerkonferenz in Saarbrücken vor „Konsum-Nationalismus“. Der saarländische Umwelt- und Agrarminister Reinhold Jost (SPD) sitzt der Konferenz in diesem Jahr vor.

Foto: Iris Maria Maurer

Schärfere Düngeregeln, länger anhaltende Trockenperioden und eine immer stärkere internationale Konkurrenz – die Herausforderungen, mit denen sich deutsche Land- und Forstwirte konfrontiert sehen, waren schon vor der Corona-Krise groß. Über die nun hinzukommenden Folgen der Pandemie und mögliche Wege, ihnen zu begegnen, diskutierten am Freitag die Minister der Länder mit Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Dabei ging es nicht nur um die Situation der Landwirte, sondern auch um die von Erntehelfern. Daneben wurde besprochen, wie die Versorgung der Bevölkerung, die Aufrechterhaltung von Lieferketten und eine stabile Preisentwicklung für Lebensmittel sichergestellt werden können.

Zwar gebe es keinen „Versorgungsnotstand“, die Krise habe aber bereits „deutliche Spuren in den Märkten“ hinterlassen, sagte der saarländische Agrarminister Reinhold Jost (SPD) im Anschluss an die Videokonferenz. Bedenklich sei etwa die Entwicklung der Preise für Fleisch, Milch und Fisch. Es gebe „große Probleme, Lieferketten auf Dauer aufrechtzuerhalten“, die „auch durch entsprechende Schwierigkeiten im Handel zwischen den EU-Ländern“ entstünden. Beispiele seien Obst und Gemüse aus Frankreich, Italien oder Spanien, erklärte Jost, der der Agrarministerkonferenz in diesem Jahr vorsitzt.

Trotz aller Hürden sei die Nahrungsversorgung gesichert, sagte Klöckner, die persönlich nach Saarbrücken gereist war. Zahlen des Bundesministeriums zeigten, dass der „Wunsch der Bevölkerung nach regional hergestellten Lebensmitteln“ in der Krise ohnehin gestiegen sei. Die Bundesministerin sprach von einem „gesunden Genuss-Patriotismus“, warnte aber gleichzeitig vor „Konsum-Nationalismus“, also einer Abschottung der Märkte, wie sie bereits in einigen EU-Staaten zu beobachten sei. Mancherorts gebe es „sogenannte Blame-and-Shame-Listen, auf denen Produzenten aufgelistet werden, wenn sie ausländische Waren – zum Beispiel deutsche Milch – verarbeiten oder anbieten“. In anderen Mitglied­staaten werde Supermärkten vorgeschrieben, ausschließlich nationale Produkte anzubieten. „Das halte ich für hochproblematisch“, sagte Klöckner. „Wir brauchen unseren gemeinsamen Binnenmarkt.“

Um die regionale Versorgung zu gewährleisten, seien die Landwirte auch auf ausländische Erntehelfer angewiesen, betonte Klöckner. Abstandsregeln und zusätzliche Hygienemaßnahmen bei der Unterbringung der Saisonkräfte seien für die Landwirte zwar belastend, „aber mit den Maßnahmen steht und fällt die Akzeptanz in unserer Bevölkerung“. Klöckner rief die Länder dazu auf, die Einhaltung der Schutzvorkehrungen in den Betrieben genau zu kontrollieren. „Das Saarland hat da aber einen guten Überblick über das, was läuft.“ Wer sich nicht an die Regeln halte, müsse mit Strafen rechnen, warnte die Ministerin. „Denn schwarze Schafe schaden allen.“

Um das Infektionsrisiko zu reduzieren, dürfen ausländische Saisonarbeitskräfte nun 115 statt wie bisher 70 Tage in Deutschland arbeiten. „Dadurch haben wir einfach eine geringere Fluktuation an Köpfen.“ Zwar hätten sich Klöckner und „einige Länder“ dafür eingesetzt, die Frist auf 180 Tage zu verlängern, doch „da gibt es Widerstand aus anderen Ländern“.

Ein weiteres großes Konferenzthema war die sogenannte Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU. Diese regelt unter anderem die Verteilung von Fördergeldern für die ländlich geprägten Regionen der Mitglied­staaten. Uneinigkeit zwischen den Ländern habe es beim Verteilungsschlüssel der GAP-Gelder innerhalb Deutschlands gegeben, sagte Jost. Hier gehe es um Milliardenbeträge. Die ostdeutschen Bundesländer hätten davon in den vergangen 20 Jahren deutlich stärker profitiert als beispielsweise das Saarland. Gleiches gelte für die Verteilung von Steuereinnahmen. „Wir kriegen mit Blick auf die Entwicklung des ländlichen Raums gerade mal ein Viertel bis ein Drittel von dem, was uns eigentlich zustehen würde.“ Umgekehrt gebe es Länder in Ostdeutschland, die „vier bis fünf Mal so viel bekommen“, erklärte Jost. „Das hatte damals sicherlich seine Berechtigung.“ Heute müsse man aber „nicht mehr nach Himmelsrichtungen, sondern nach Bedürfnissen“ entscheiden.

Unter den Ministern gebe es zwar „durchaus die Bereitschaft über die Verteilungsschlüssel zu reden“, sagte Jost. „Es ist aber so, dass die Bereitschaft, davon jetzt viel zurückzugeben, nur begrenzt ausgeprägt ist.“ Ende Juli soll sich eine Sonderkonferenz der Agrarminister weiter mit dem Thema beschäftigen.

Unklar sei bisher auch, wie künftig Fördermittel der EU vergeben werden. Denn die aktuellen GAP-Förderperiode läuft Ende des Jahres aus. Die Länder rechnen danach mit einer Übergangsphase von zwei Jahren, bis ein neuer Finanzrahmen steht. Somit ist auch weiterhin offen, wie künftige EU-Umweltmaßnahmen in der Landwirtschaft im Rahmen des sogenannten Green-Deal aussehen könnten. Hier soll laut Jost eine gemeinsame Konferenz mit den beiden EU-Kommissaren für Umwelt und Landwirtschaft Ende des Monats Klarheit schaffen. Dort müsse die „scheinbare Unvereinbarkeit zwischen Landnutzung einerseits und Natur-, Arten- und Umweltschutz andererseits“, überwunden werden, so die Forderung des Landesumweltministers.

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