Landmaschinen-Zulieferer aus dem Saarland Saar-Spezialisten fürs Pressen und Formen

St. Wendel · Hörmann Automotive fertigt in seinen Werken in Sankt Wendel und Saarbrücken Teile für große Landmaschinen und Busse.

 Prokurist Jörg Strass und Geschäftsführer Uwe Jung (v.l.) vor einer der großen Pressen bei Hörmann.

Prokurist Jörg Strass und Geschäftsführer Uwe Jung (v.l.) vor einer der großen Pressen bei Hörmann.

Foto: B&K/Bonenberger/

Es ist laut. Wer hier in dieser Halle von Hörmann Automotive arbeitet, trägt Ohrstöpsel zum Schutz vor dem Lärm. Meterhohe Maschinen stehen in Reihe. Große Pressen, die mit bis zu 1600 Tonnen Kraft Bleche in Form drücken. Große bis riesige Karosserieteile entstehen hier, die größten bis zu rund vier Meter lang. Seitenteile, nicht für Autos, sondern für Mähdrescher. Das St. Wendeler Werk des bayerischen Industriekonzerns, der übrigens in keiner Verbindung zu dem Türen- und Torehersteller steht, hat sich auf Pressteile für die Landmaschinenindustrie spezialisiert. John Deere, Case New Holland und Claas sind die größten Kunden.

Das war 2006, als Hörmann das Werk aus der Insolvenz des Autozulieferers Kuhn übernahm, noch anders. „Wir kamen aus dem Automobilbereich“, sagt Prokurist Jörg Strass. „Die größten Kunden waren Opel, Ford und Daimler.“ Auf diesem Feld habe sich das damals kleine Werk nicht mit großen Autozulieferern messen können. John Deere und Case New Holland waren zwar schon damals Auftraggeber. „Die Landtechnik war aber auf der Suche nach Lieferanten, die sich auf sie konzentrieren“, sagt Strass. „Wir haben uns 2006 auf die Fahnen geschrieben, wir wollen richtig in Landtechnik gehen.“

Eine offenbar goldrichtige Entscheidung. Das Geschäft wuchs. Damals hatte das Unternehmen laut Strass 80 Mitarbeiter und machte elf Millionen Euro Jahresumsatz. Heute beschäftigt Hörmann in St. Wendel 180 Festangestellte, dazu in Spitzenzeiten bis zu 60 Leiharbeiter, und erlöst 30 Millionen Euro, fast das Dreifache von früher. Und bis 2022 sind 35 Millionen angepeilt. Gebaut werden zum Beispiel Kotflügel für Traktoren von John Deere, Seitenteile für Feldhäcksler von Claas und für Mähdrescher von Case New Holland. Daneben presst das Unternehmen Teile für diverse Anwendungen: für Biertanks, den Elektro-Transporter Street Scooter, Camping-Caravans oder Gabelstapler.

Die Welt von Hörmann Automotive ist eine ganz andere, als man von Autozulieferern kennt. „Dort, wo bei anderen der Spaß aufhört, fängt er bei uns an“, sagt Geschäftsführer Uwe Jung. Ein Autozulieferer stellt gerne massenhaft gleiche Teile her, hunderttausendfach, möglichst hochautomatisiert, am liebsten in konstanten Mengen. „Wir haben ein flexibles, auf kleine, variantenreiche Stückzahlen ausgerichtetes Produktionssystem“ – mit einem entsprechenden Anteil Handarbeit, für oft hochkomplexe Teile, erläutert Jung. Wie es eben zur Landtechnik passt. Um welch kleine Stückzahlen es geht, zeigt das Beispiel Claas. Das Unternehmen sei bei Feldhäckslern Weltmarktführer – mit rund 1500 Geräten pro Jahr, sagt Jung. Stückzahlen von wenigen tausend oder zehntausend pro Jahr sind bei Hörmann normal. Auch dass die Kunden „in diesem Monat 100, im nächsten 500 Teile“ abrufen, wie Jung sagt. „Der Mähdrescher, den Sie bis zum Mai nicht verkauft haben, wird auch nicht mehr verkauft.“ Kurz vor oder während der Ernte ist das Interesse gleich null. Entsprechend schwankt im Jahr die Nachfrage der Landmaschinenhersteller nach Teilen von Hörmann. „Das muss man händeln können“, sagt Jung. Leiharbeiter sind dafür wichtig.

Wie spezialisiert das Geschäft ist, zeigt das Beispiel von Karosseriekomponenten für Mähdrescher von Case New Holland. Für diese Teile „sind wir weltweit der einzige Lieferant“, sagt Strass. Was erst einmal erstaunlich klingt. Doch Strass hat eine Erklärung. „Man braucht große Maschinen“ für die Herstellung dieser riesigen Blechteile. Die Kosten dafür „sind beträchtlich“. Der Kunde will dieses Geld offenbar nur einmal ausgeben. Davon profitiert Hörmann. Das St. Wendeler Unternehmen hat die nötigen großen Pressen und alles, was sonst noch dazugehört. Die Laser-Anlagen zum Beispiel, die nach dem Pressen und Formen überschüssiges Blech wegschneiden sowie die Teile weiterbearbeiten und etwa mit Löchern versehen. Eine Million Euro habe man gerade in einen neuen Laser investiert, sagt Jung. Im August soll für 1,6 Millionen Euro eine Pressanlage in Betrieb gehen, die Teile zunächst auf 900 Grad erhitzt und dann bei der Umformung kontrolliert abkühlt. Mit diesem Verfahren lassen sich besonders harte Teile herstellen, so dass sie bei starker Belastung länger halten.

Die St. Wendeler Fabrik ist nicht die einzige, die Hörmann Automotive im Saarland hat. Daneben betreibt das Unternehmen einen Standort in Saarbrücken. Dort werden vor allem Deckensysteme für die Bussparte von Daimler produziert – einbaufertig ausgeliefert, direkt ans Band bei Daimler, wie Geschäftsführer Jung erklärt. Bei Bussen spielen Kundensonderwünsche eine große Rolle. Mercedes-Bus-Käufer aus Frankreich hätten zum Beispiel in einem Fall eine blaue Busdecke mit Wolkenmotiven haben wollen. Der zweitgrößte Kunde ist John Deere. Das Saarbrücker Hörmann-Werk baut komplette Fahrgestelle für Feldspritzen. Wie in St. Wendel geht es auch in Saarbrücken um spezielle, komplexe, variantenreiche Produkte. Und auch hier ist das Geschäft stark gewachsen. Im vergangenen Jahr habe man 29 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet – mit durchschnittlich 155 Beschäftigten, einschließlich Leiharbeitern, sagte Jung. Vor 15 Jahren seien es erst zwölf Millionen Euro gewesen.

Ob in St. Wendel oder in Saarbrücken, hier wie dort „sind wir in einer Nische tätig“. Immer gehe es um Flexibilität und Schnelligkeit, um auf das Auf und Ab im Markt zu reagieren, sagt Jung. Das ist offenbar auch ein Grund dafür, dass beide Werke als eigenständige Gesellschaften agieren und nicht von der Zentrale in Bayern gesteuert werden. Anders also als Bosch oder Ford. „Das steht dem Saarland gut zu Gesicht“, findet Geschäftsführer Jung.

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