Die Folgen des Stellenabbaus Wie es bei den Gusswerken in Saarbrücken weitergeht

Saarbrücken · Das Saarbrücker Unternehmen will 200 Stellen abbauen. Die Beschäftigten erfuhren gestern, was das für sie bedeuten soll.

 Ein Bild aus früheren Tagen der Halberg Guss: Ein Arbeiter schleift ein Gussteil für Motorblöcke. In jüngerer Zeit litten die Gusswerke unter der schwankenden Konjunktur. Die Folge: 200 Mitarbeiter müssen gehen.

Ein Bild aus früheren Tagen der Halberg Guss: Ein Arbeiter schleift ein Gussteil für Motorblöcke. In jüngerer Zeit litten die Gusswerke unter der schwankenden Konjunktur. Die Folge: 200 Mitarbeiter müssen gehen.

Foto: BECKER&BREDEL/bub

Die Stimmung in der Belegschaft der krisengeschüttelten Gusswerke Saarbrücken ist aufgeheizt. Zwischen Unverständnis und blanker Wut schwanken die Reaktionen der 200 Beschäftigten, die das Unternehmen am Dienstag in die Turnhalle in Brebach eingeladen hat. „All die Jahre haben wir für nichts gekämpft“, sagt einer von ihnen. Die Gusswerke wollen 200 der 1200 Stellen abbauen (wir berichteten). Die Eingeladenen sind diejenigen, die gehen sollen. Der Abbau solle „möglichst sozialverträglich“ ablaufen und zunächst ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommen, teilt das Unternehmen mit.

Ein gutes Drittel der Betroffenen stamme aus Frankreich oder habe seinen Wohnsitz dort, sagt ein Teilnehmer, einige seien erst Anfang 50. „Es sind viele dabei, die durch die jahrzehntelange Arbeit im Werk körperlich angeschlagen sind.“

Laut den Teilnehmern der Infoveranstaltung wurden ihnen zwei Möglichkeiten angeboten: Wer einen einvernehmlichen Aufhebungsvertrag unterschreibe, könne bis zum Ende seiner Kündigungsfrist bei vollem Lohn weiterarbeiten. Wer gleich zu Hause bleibe, bekomme in dieser Zeit 50 Prozent des Lohns. Die andere Möglichkeit bestehe darin, zur Transfergesellschaft PEAG Transfer zu wechseln. Dort bekämen die Beschäftigten für zwölf Monate 80 Prozent ihres bisherigen Lohns. In Weiterbildungsprogrammen sollen sie sich dort zusätzliche Qualifikationen aneignen können. PEAG Transfer versuche dann, sie bei einem anderen Arbeitgeber unterzubringen.

Beide Gruppen sollen zudem eine Abfindung erhalten. Diese werde bei Beschäftigten unter 59 Jahren nach der Formel Bruttomonatseinkommen mal Beschäftigungsjahre mal 0,5 berechnet. Wer sich bis Monatsende entscheide, bekomme einen Faktor von 0,6 statt 0,5. Mitarbeiter ab 59 Jahren bekämen 30 Prozent des Monatslohns, den sie bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres erhalten hätten. Bei Menschen ab einem Alter von 60 Jahren betrage dieser Anteil 25 Prozent, über 61 Jahren noch 20 Prozent. Beschäftigte ab 63 Jahren, die vorzeitig in Rente gehen können, erhielten eine Einmalzahlung. Die Abfindungen seien jedoch gedeckelt: In der Altersgruppe unter 59 Jahren auf brutto 70 000 Euro, bei den unter 63-Jährigen auf 45 000 Euro.

Die IG Metall betrachtet die Angebote des Unternehmens mit gemischten Gefühlen. Solche Freiwilligenprogramme böten für die Beschäftigten zwar durchaus Vorteile, sagt Thorsten Dellmann, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Saarbrücken. „Sie haben aber auch den Nachteil, dass Menschen zu Entscheidungen gedrängt werden, deren Folgen sie nicht abschätzen können.“ Zudem seien Weiterbildungsmaßnahmen, wie sie die PEAG Transfer anbieten wolle, für jüngere Menschen zwar durchaus sinnvoll, für ältere allerdings häufig nicht. Die IG-Metall bemängelt daher auch die Auswahl der Mitarbeiter: „Bei aller Notwendigkeit für den Stellenabbau fehlt es hier an Transparenz“, sagt Dellmann.

Die Arbeitnehmervertreter seien in den den Auswahlprozess nicht eingebunden gewesen, bestätigt Walter Valentini, Betriebsratsmitglied der Gusswerke. „Ich verstehe die Enttäuschung in der Belegschaft“, sagt Valentini. Im Vergleich zu anderen Unternehmen sei der ausgehandelte Kompromiss dennoch akzeptabel. „Wir wollten vor allem verhindern, dass Leute, die kurz vor der Rente stehen, ins Hartz-4-System abrutschen.“ Gleichzeitig habe man versucht, den Bestand der Firma zu sichern.

Auch der Geschäftsführer der Saarbrücker Gusswerke, Michael Capitain, verteidigt die Entscheidung des Unternehmens. Die Auswahl der Beschäftigten sei vor allem vom Alter abhängig gewesen. „Außerdem hatten wir natürlich die Bedarfe der jeweiligen Abteilungen im Auge“, sagt Capitain. Diese würden sich nach der jeweiligen Auftragslage richten. „Wir haben ja bereits in der Vergangenheit auf Kurzarbeit gesetzt, um konjunkturellen Schwankungen zu begegnen, aber das kann keine langfristige Lösung sein.“ Inzwischen habe man zwar neue Aufträge an Land gezogen, bis zu deren Ausführung könnten aber teilweise Jahre vergehen. Künftig solle auch in Modernisierungen investiert werden, genaue Zahlen nannte Capitain aber nicht.

In der Belegschaft ist der Unmut deutlich zu spüren. Viele Beschäftigte fühlen sich unter Druck gesetzt. „Wir haben erst vor drei Tagen erfahren, dass wir gehen sollen, und jetzt sollen wir uns in zwei Wochen über unsere Zukunft entschieden haben“, sagt ein Teilnehmer. „Wir haben so oft den Besitzer gewechselt“, sagt ein anderer. „Keiner ist länger als fünf Jahre geblieben, aber alle haben an uns verdient. Jetzt lassen sie uns hier allein.“

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