Neuer Gesetzentwurf zu Fleischersatzprodukten EU will klare Bezeichnungen für Lebensmittel

Brüssel · Pflanzliche Produkte sollen nicht länger wie Fleischwaren bezeichnet werden dürfen. Darüber stimmt das Parlament in Brüssel heute ab.

 Darf sich Grillgut aus Tofu weiter „Tofu-Bratwurst“ nennen? Geht es nach den EU-Parlamentariern, müssen sich ­Veggie-Burger und Co. bald umbenennen. Kritik am Gesetzentwurf kommt vor  allem von  Lebensmittelherstellern.

Darf sich Grillgut aus Tofu weiter „Tofu-Bratwurst“ nennen? Geht es nach den EU-Parlamentariern, müssen sich ­Veggie-Burger und Co. bald umbenennen. Kritik am Gesetzentwurf kommt vor allem von Lebensmittelherstellern.

Foto: dpa-tmn/Robert Günther

Es geht um die Wurst. Aber auch um Käse und Milch. Wenn die EU-Abgeordneten im stark vom Coronavirus geschwächten Europäischen Parlament am heutigen Dienstag zur Abstimmung schreiten, wird ein monatelanger heftiger Streit entschieden.

Die Sitzung findet zwar in Brüssel statt, aber die meisten Volksvertreter sind im Home-Office. „Was macht eine Wurst zu Wurst oder den Käse zu Käse?“, brachte es der Vorsitzende des Agrarausschusses im Abgeordnetenhaus der Gemeinschaft, Norbert Lins (CDU), auf den Punkt. Und beantwortete die Frage gleich selbst: „Das sind Fleisch und die Milch, die darin sind.“ Die Mehrheit der Landwirtschaftsexperten in Brüssel will deshalb die Kennzeichnungspflichten für Nahrungsmittel ändern. „­Veggie-Burger“ oder „Tofu-Bratwurst“ sollen dann möglichst rasch als Bezeichnung verschwinden.

Mit dem Gesetzentwurf, über den die Parlamentarier am heutigen Dienstag abstimmen, soll erreicht werden, dass Bezeichnungen, die traditionell für Fleisch und „Produkte tierischen Ursprungs“ verwendet werden, nicht für die Vermarktung von Waren mit hauptsächlichen pflanzlichen Proteinen erlaubt sein sollen. Noch strengere Regeln sieht die Vorlage für pflanzliche Milchalternativen vor. Begriffe wie „Mandelmilch“ und „veganer Käse“ sind bereits in der Gemeinschaft verboten. Nun sollen die Verwendung weiterer Bezeichnungen wie „Joghurt-Art“, „Milchersatz“ oder „Käsealternative“ ebenso gestrichen werden.

Der Plan hatte im Vorfeld für heftigen Streit gesorgt. Große Lebensmittelhersteller wie Unilever und sogar Ikea hatten Seit an Seit mit Veganern die EU-Kommission und das Parlament attackiert. Ihr wichtigstes Argument: Die EU habe sich unter dem Namen „Farm to Fork“ (Vom Hof bis zur Gabel) eine neue Lebensmittelstrategie gegeben, die Bestandteil des Green Deals sei. Dabei geht es darum, die Produktion von pflanzlichen Lebensmitteln zu steigern. Durch die neue Kennzeichnungspflicht werde genau das Gegenteil erreicht, argumentieren Öko-Verbände, weil Kunden wieder zu Original-Fleisch greifen würden.

Der Deutsche Bauernverband sprach sich dagegen für mehr Transparenz und somit für den EU-Vorstoß aus. Imitate wie Analogkäse oder Fleischersatz „sollten mit eigener und ehrlicher Produktidentität auftreten, statt Bezeichnungen und Charakteristika von echten Fleisch- und Milchprodukten zu kopieren“, betonte der Verband. „Ein Marketing, mit dem das Original erst in Verruf gebracht und dann in einer Bezeichnung kopiert wird, ist unlauter.“ Am Tag vor der Entscheidung sah es ganz danach aus, dass die große Mehrheit des EU-Parlamentes dieser Argumentation folgen wird.

Es ist nur der Auftakt zu einer Woche, in der entscheidende Weichenstellungen für die künftige europäische Landwirtschaftspolitik anstehen. Seit Montag ringen die Agrarminister der Union unter dem Vorsitz ihrer deutschen Amtskollegin Julia Klöckner (CDU) um einen Durchbruch für weitere Öko-Auflagen. Im Kern geht es darum, dass die Mitgliedstaaten künftig selbst Umweltauflagen für Äcker und Ställe einführen dürfen, Hauptsache, Kriterien wie die Erhaltung der Natur, Klimaschutz und Sicherung der Lebensmittelqualität werden erfüllt. Die Länder sollen darüber hinaus auch verpflichtende Öko-Vorgaben erlassen, für deren Erreichen die Bauern zusätzliche Gelder erhalten können. Die Frage, um die bei den Ministern gestritten wird, lautet: Wie verpflichtend sollen diese Auflagen sein? Klöckner ahnte beim Auftakt der Gespräche am Montag schon, dass eine Einigung schwierig werden dürfte: „Es werden viele, viele Stunden Verhandlungen vor uns liegen bis tief in die Nacht und auch morgen noch.“

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