Förderantrags-Stopp Warum die Spiele-Industrie im Saarland auf der Kippe stand – und wie sie jetzt gerettet wird

Saarbrücken/Berlin · Es hätte das Aus für viele Computerspiel-Entwicklerstudios im Saarland bedeuten können: Das Bundeswirtschaftsministerium hatte einen Antragsstopp für die Spieleförderung in Deutschland angekündigt. Der wurde verhindert – doch nicht alle Sorgen der hiesigen Spiele-Industrie sind zerstreut.

Game Base Saar: Saarland setzt Förderung der Spieleindustrie fort
Foto: dpa/Christophe Gateau

Horrorvision zu Halloween für die deutsche Computerspiele-Industrie: Am 31. Oktober gab das Bundesministerium für Umwelt und Wirtschaft bekannt, dass die Mittel der Spieleförderung in Deutschland nicht nur für das laufende Jahr, sondern auch bereits für das Jahr 2023 komplett erschöpft seien. Vorläufig könnten darum keine neuen Förderanträge angenommen werden.

Felix Falk, Geschäftsführer des Lobby-Verbands Game, zeigte sich alarmiert vom Antragsstopp und sprach von einer „Vollbremsung für den Games-Standort“: „Ohne eine Weiterentwicklung der Förderung droht Deutschland beim Kampf um die Spitze der besten Games-Standorte weltweit bereits kurz nach dem Start wieder zurückzufallen.“ Seit 2020 fließen pro Jahr 50 Millionen Euro aus Bundesmitteln in die Projekte deutscher Spieleentwickler. So soll die Industrie konkurrenzfähiger werden. 2021 lag der Anteil deutscher Computerspiele am internationalen Markt bei unter fünf Prozent.

Spieleentwickler im Saarland engagierten sich gegen Antragsstopp

Mitte November kam dann die Entwarnung: In der sogenannten Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss wurde der Antragsstopp abgewendet. Es wurde beschlossen, die Fördertöpfe für das kommende Jahr auf 70 Millionen Euro aufzustocken. Dafür eingesetzt hatte sich auch „Game Dev Saar“, das Netzwerk der Spieleentwickler im Saarland. Es rief seine Mitglieder in einem Newsletter auf, Bundestagsabgeordnete zu kontaktieren, um ihre Situation der Politik zu schildern und „klarzumachen, wie hart dieses Problem die Branche treffen wird“.

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Foto: Radical Fish Games

Julian Colbus, Spieleentwickler und Ansprechperson der saarländischen Vertretung des Game-Verbands: „Man muss mit der Förderung verlässlich planen können. Budgets für Games werden sehr lange im Voraus geplant, und ob man die Förderung mitnehmen kann oder nicht, macht einen riesigen Unterschied.“ Viele Entwicklerstudios seien schon mitten in Verhandlungen mit Publishern für eine Co-Finanzierung aktueller Projekte gewesen, als die Ankündigung des Wirtschaftsministeriums kam. Mit dem Antragsstopp wäre ihre Finanzplanung „völlig hinfällig“ geworden, was zu Entlassungen und Schließungen geführt hätte.

Die Sorgen bleiben

Doch nun ist das schlimmste abgewendet, und niemand muss sich mehr um die Finanzierung sorgen – oder? Nicht ganz. Colbus: „Es gibt auf jeden Fall die Sorge, dass schon das Geld für 2023 bald wieder leer sein wird. Dieser Vorfall hat natürlich Unsicherheit geschaffen und könnte dazu führen, dass jetzt jede Menge Studios zeitnah Projekte einreichen, um Gelder für sich zu sichern.“ Colbus ist besorgt, dass sich Entwickler in den kommenden Jahren auf jeden neuen Fördertopf stürzen, sobald es möglich ist. Denn das kann seiner Ansicht nach zu „halbgaren und zeitlich suboptimal geplanten Projekten“ führen.

Für die Problematik gibt es nach Ansicht des Game-Verbandes nur zwei mögliche Lösungen: Erstens müsse das Wirtschaftsministerium transparent machen, wie viel Geld zu jedem Zeitpunkt noch zur Verfügung steht. Zweitens sei eine Erhöhung der jährlichen Förderung auf 100 Millionen Euro nötig, damit Studios längerfristig planen können.

Vor solchen Sorgen sind auch die „Großen“ im Saarland nicht gefeit: Colbus ist Mitbegründer des Saarbrücker Spielestudios DigiTales Interactive, das im vergangenen Jahr mit seinem Erstlingswerk „Lacuna“ international Erfolg hatte und beim Deutschen Computerspielpreis in der Kategorie „Bestes Spiel“ nominiert war. Das nächste Spiel befindet sich bereits in Entwicklung – die Finanzierung ist unter anderem mit Fördermitteln geplant. Der angekündigte Antragsstopp gefährdete auch eines der erfolgreichsten Studios im Saarland.

Game Base Saar: Landeseigene Spieleförderung reicht alleine nicht aus

Es gibt im Saarland auch eine landeseigene Spieleförderung: 2018 fiel der Startschuss für Game Base Saar – eine Initiative, die das Etablieren der Videospielindustrie als saarländischen Wirtschaftszweig unterstützen soll. Doch die alleine reicht nicht aus, um die langsam wachsende Entwicklerszene zu unterstützen. Bei der Game Base Saar zeigt man sich darum auf SZ-Anfrage „erleichtert“ über die Abwendung des befürchteten Antragsstopps. „In den vergangenen fünf Jahren haben einige, die unsere Förderung in Anspruch genommen haben, auch Geld aus dem Fördertopf der Bundesförderung erhalten. Gerade Studios aus dem Saarland, die größere oder mehrere Projekte gleichzeitig in Angriff nehmen, sind dringend auf externe Fördermittel angewiesen.“

Saarländische Spieleentwickler können sich mit ihren Projekten auf finanzielle Förderung bei Game Base Saar bewerben. „Mit diesem Grundstock ist dann die anfängliche Entwicklung und eine weitere Bewerbung auf Bundesförderung möglich“, sagt Bernd Schneider, Ansprechpartner für Spieleförderung bei Saarland Medien. Außerdem lobt Saarland Medien mit den Mitteln aus dem Landeshaushalt den Game Award Saar aus, bei dem die Entwickler bis zu 10 000 Euro Preisgeld erhalten, um ihre Ideen umzusetzen und ihre Unternehmen weiter auszubauen.

„Sehr positive Haltung gegenüber der Branche“ im Saarland

Jährlich zunächst 100 000 Euro, seit dem Haushaltsjahr 2020 sogar 180 000 Euro, fließen so in die saarländische Games-Branche. Droht hier eine ähnliche Gefahr wie auf Bundesebene? Wie hoch der Förderbetrag für die Jahre 2023 und 2024 ausfallen wird, steht laut Game Base Saar noch nicht fest. „ Wir stehen mit den politischen Entscheidungsträgern in Kontakt und erarbeiten eine tragfähige Lösung, mit der der saarländische Games-Standort weiter gestärkt werden kann.“ Doch alles deute darauf hin, dass die Förderung zumindest bestehen bleibt.

Insgesamt herrsche im Saarland eine „sehr positive Haltung gegenüber der Branche“ vor. „Auch die neue Landesregierung hat signalisiert, weiterhin ein zuverlässiger Fördermittelgeber im Bereich der Computerspielbranche und der Spieleentwicklung zu sein.“

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