„Katastrophe“ für Werk in Saarlouis Saarland reagiert geschockt auf Ford-Entscheidung – auch Bundeswirtschaftsminister Habeck äußert sich
Saarlouis · Die Entscheidung der Ford-Konzernzentrale, das neue Elektroauto in Spanien und nicht in Saarlouis zu produzieren, trifft die Menschen im Saarland hart. Aber nicht nur aus der Region hagelt es betroffene Reaktionen – auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sich am Mittag zu der Entscheidung geäußert und gesagt, was er jetzt von Ford erwartet.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht den Autobauer Ford nach der Entscheidung gegen Saarlouis in der Verantwortung für den Standort. „Ich erwarte von Ford gemeinsam mit dem Betriebsrat, zeitnah konkrete Pläne für die Zukunft des Werks in Saarlouis und seine Beschäftigten auf den Tisch zu legen“, sagte Habeck am Mittwoch.
Für die vielen Beschäftigten von Ford und für die gesamte betroffene Region sei es nun wichtig, dass es möglichst rasch Klarheit über eine konkrete und belastbare Perspektive für den Standort Saarlouis gebe, so Habeck. „Ford steht hier als Eigentümer des Werkes, als Arbeitgeber und als bedeutender Automobilhersteller im größten europäischen Automobilmarkt Deutschland in einer besonderen Verantwortung.“
„Ich bedauere die Entscheidung von Ford sehr“, sagte Habeck. „Das Werk in Saarlouis, die Belegschaft von Ford Deutschland und die Landesregierung im Saarland haben in Abstimmung mit der Bundesregierung Ford in einer außerordentlichen, gemeinsamen Anstrengung ein substantielles und sehr attraktives Angebot vorgelegt.“ Daher sei die Entscheidung gegen Saarlouis für die Region und die Menschen vor Ort eine große Enttäuschung.
So wird im Saarland auf die Ford-Entscheidung reagiert
Von einer „wirtschaftspolitischen Katastrophe für das Saarland“ spricht Julien François Simons. Der Landesvorsitzende der Jungliberalen (Julis) geht davon aus, dass mit der Entscheidung für die Produktion des neuen Elektroautos im spanischen Valencia das Ford-Werk in Saarlouis abgewickelt wird. Simons: „Mit der Schließung des saarländischen Standorts gehen 4000 Arbeitsplätze im Saarland verloren.“
Dabei gibt der Chef der FDP-Nachwuchsorganisation der heutigen Ministerpräsidentin Anke Rehlinger und Wirtschaftsminister Jürgen Barke (beide SPD) Mitschuld an dieser Misere. In ihren vorherigen Ämtern als Wirtschaftsministerin und Staatssekretär hätten sie „wirtschaftspolitisches Versagen“ zu tragen, wird Simons in einer Pressemitteilung zitiert. So hätten beide mit ihrer Reise zur Ford-Konzernzentrale in die USA wenige Wochen vor der jetzt bekannt gegebenen Entscheidung nicht zu erfüllende Hoffnungen geschürt.

Entscheidung ist gefallen: Impressionen vom Ford-Werksgelände in Saarlouis
Zugleich kritisiert der Jungpolitiker das 500 Millionen Euro teure Subventionspaket, dass das Saarland bei einer Entscheidung für den Saarlouiser Standort in Aussicht gestellt hatte, als „rechtlich umstritten“. Damit habe die Landesregierung „den Boden einer seriösen Wirtschaftspolitik verlassen“.
Die vorherige CDU/SPD-Regierung habe Schritte „schlicht versäumt“, Anreize zu schaffen, um hier zu investieren. Jetzt sei es an der SPD-Alleinregierung, den Schaden zu kompensieren.
Unterdessen äußert sich Saar-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger via Kurznachrichtendienst Twitter zum Zuschlag für Spanien: „Ford hat entschieden, und die Entscheidung von Ford ist eine Farce. Wir sind überzeugt: Der Konzern hat sich für das wirtschaftlich schlechtere Angebot entschieden.“
Von einer „wirklich katastrophalen Nachricht für den Wirtschaftsstandort Saarland“ sprechen die Verantwortlichen beim Arbeitgeberverband der Bauwirtschaft des Saarlandes (AGV). In einer Nachricht bei Twitter heißt es weiter: „Betroffen sind nicht nur die Mitarbeiter bei Ford in Saarlouis, sondern auch die Mitarbeiter der Betriebe der Bauwirtschaft, die für Ford tätig sind beziehungsweise waren.“ Nun sei die Landesregierung gefordert.
Saar-Finanzminister Jakob von Weizsäcker (SPD) zitiert bei Twitter Henry Ford, den Gründer des Unternehmens, um damit die Konzernspitze mit ihren eigenen Waffen zu schlagen: „Gewinne aus der Not des Volkes sind immer viel kleiner als Gewinne aus dem verschwenderischsten Dienst am Volk zu den niedrigsten Preisen, die ein kompetentes Management möglich machen kann.“
Ulrich Commerçon, SPD-Fraktionschef im Saar-Landtag, brüskiert sich über den selben Nachrichtendienst: „Ford hat nicht nur die Elektromobilität verschlafen, es hat eiskalt die Standorte Valencia und Saarlouis gegeneinander ausgespielt, um die Belegschaft zu erpressen und möglichst viel Staatsknete und Steuermittel abzugreifen. Es ist eine Schande!“
„Ich bin zutiefst enttäuscht und sehr wütend über die Entscheidung von Ford gegen den Standort Saarlouis“, schreibt Saarlouis‘ Landrat Patrik Lauer (SPD) bei Facebook. Ohne Not werde mit der langen und erfolgreichen Geschichte des Automobilstandortes Saarlouis gebrochen. Der Beschluss sei „ein Schlag ins Gesicht der Menschen in unserer Region – vor allem aber der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowohl des Ford-Werkes selbst als auch der vielen Zuliefererbetriebe“.
Er habe sich nicht vorstellen können, dass ein Unternehmen so mit Menschen umgeht. Nach diesem schwarzen Tag für die Region werde alles unternommen, um für die Ford-Beschäftigten „zukunftssichere Arbeitsplätze zu finden oder zu schaffen“.

Entscheidung ist gefallen: Fotos von der Ford-Belegschaft im Arbeitskampf
Von einem „unfairen Wettbewerb“ der beiden Standorte schreibt Kira Braun auf Facebook. Die Saar-Chefin der Jungsozialisten (Jusos) bezeichnet den konzerninternen Bieterwettbewerb „unmenschlich“, der über Monate hinweg „die Perversität des Kapitalismus vor Augen geführt“ habe.
Braun, die mittlerweile für ihre Mutterpartei SPD im Landtag sitzt, unterstellt den Ford-Verantwortlichen „Feilschereien“ bei der Standortwahl, die aus Sicht des Konzerns wohl an den „zu höhen Löhnen“ in Deutschland entschieden hätten. Dabei dürften auskömmliche Einkommen für gute Arbeit „nie das Problem“ sein. „Vielmehr sei es die großen Konzerne, „die ihre Beschäftigten im Regen stehen lassen, nur ihre Gewinne maximieren und dabei ihre Verantwortung für die Menschen vor Ort ausblenden“.
Einen „massiven Schaden der Marke Ford in Deutschland“ befürchtet der saarländische Bundestagsabgeordnete Oliver Luksic (FDP). Aber auch die Landesregierung sei damit angeschlagen. Denn zuversichtliche Äußerungen des Wirtschaftsministers Barke wenige Tage vor Bekanntgabe des Ergebnisses in dem Bieterwettstreit waren gegenüber der betroffenen Belegschaft „offensichtlich falsch und fragwürdig“. Sie legten zudem die „Planlosigkeit“ der SPD-Landesregierung offen. Luksic wertet das Ergebnis als „schwere Niederlage für die Landesregierung“. Die Ford angebotene Rekordsubvention sei „abenteuerlich“ gewesen.
Auch die Junge Union (JU) hat sich am Mittag zu der Entscheidung geäußert. Sie sei ein „Tiefschlag für das ganze Saarland“, so Frederic Becker, der JU-Landesvorsitzende. Vor allem gehe die Entscheidung zu Lasten der Tausenden Beschäftigten und deren Familien. „In den vergangenen Jahren wurde auch von der CDU/SPD-Landesregierung alles versucht, das Management von einem Verbleib in Saarlouis zu überzeugen. Wir müssen auch jetzt weiter an einem Strang ziehen. Es geht hier in erster Linie um Arbeitsplätze von Saarländerinnen und Saarländern“, hält Becker fest. Jetzt brauche es vor allem eine verlässliche Perspektive für die betroffenen Menschen und das Saarland als Wirtschaftsstandort.
Christian Petry (SPD) teilte via Facebook mit: „So habe ich die Unternehmensleitung von Ford auch kennengelernt. Die Entscheidung ist eine Farce. Es ist ein Schlag ins Gesicht der Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Hier ignoriert die Ford-Konzernleitung ihre enormen Anstrengungen. Es gilt nun, neue Lösungen zu finden. Volle Solidarität mit den Beschäftigten!"
Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) Saar hat am Nachmittag Bedauern über die Ford-Entscheidung ausgedrückt. „Die Beschäftigten des Unternehmens haben unser Mitgefühl in ihrer Wut und ihrer Trauer“, schreibt die MIT in einer Pressemitteilung. Man distanziere sich darüber hinaus auch von dem gegenseitigen Ausspielen der beiden Standorte durch Ford: „Ein monatelanger Bieterwettbewerb und eine Hängepartie für die Beschäftigten und Zulieferer entspricht nicht unserem Leitgedanken der sozialen Marktwirtschaft.“
MIT übt außerdem Kritik an der Landes- und der Bundesregierung: „Zugleich müssen wir feststellen, dass die Gespräche der Ministerpräsidentin und des Wirtschaftsministers mit der Geschäftsleitung in Detroit wohl doch nicht so erfolgreich waren, wie sie Herr Barke empfand. Offensichtlich hatte die spanische Industrieministerin Reyes Maroto überzeugendere Konzepte und Vorschläge als unsere aktuelle saarländische Landesregierung. Sicher wäre es auch hilfreich gewesen, die deutsche Bundesregierung hätte sich um den Standort in Saarlouis bemüht. Dass der Bundeskanzler und der Wirtschaftsminister es nicht als notwendig erachtet haben, sich ebenfalls auf ein Gespräch mit der Geschäftsleitung zu treffen, zeigt den geringen Einfluss der Ministerpräsidentin auf Bundesebene und des Saarlandes in der aktuellen Bundesregierung.“
Der saarländische Arbeitsminister Magnus Jung (SPD) stimmte in der Kritik von Ministerpräsidentin Anke Rehlinger mit ein. Das Verfahren zur Standortbestimmung sei nie fair gewesen. Weiter teilt Jung mit: „Unsere volle Solidarität gilt den Beschäftigten im Ford-Werk, im Supplier Park und den weiteren Zulieferbetrieben. Ich möchte heute ein unmissverständliches Signal aussenden: Die Menschen müssen in Beschäftigung bleiben. Dank des Betriebsrates wird bis Mai 2025 kein Ford-Beschäftigter arbeitslos. Die alte und die neue Landesregierung sind in den vergangenen Monaten an die Grenzen dessen gegangen, was rechtlich möglich und politisch sowie moralisch vertretbar ist. Unser Kampf galt dabei vor allem den guten saarländischen Arbeitsplätzen – nicht dem FORD-Konzern. Das wird so bleiben. Jetzt gilt es, die Zeit bis 2025 zu nutzen, um mit den Beschäftigten gemeinsam für die Zukunft danach zu planen. Das ist die prioritäre Aufgabe der Landesregierung und das werden wir mit aller Kraft anpacken.“
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Stephan Toscani schreibt auf Facebook zur Entscheidung von Ford: 'Heute ist ein rabenschwarzer Tag. Das Saarland muss jetzt zusammenrücken. Alle gesellschaftlichen Gruppen müssen an einen Tisch. Deshalb fordere ich die Einberufung der Saargemeinschaftsinitiative.' Am Morgen, vor Bekanntgabe der Entscheidung schrieb er unter anderem bereits: „In schwierigen Zeiten halten wir Saarländer zusammen: Das war in der Bergbau-Krise so. Das war in der Stahlkrise so. Und das ist auch jetzt wieder so.“