Energieversorger Steag Betreiber von Kraftwerken im Saarland beklagen zu viele offene Fragen auf dem Weg zur Energiewende
Saarbrücken · Der Essener Energieversorger Steag, der im Saarland die Kraftwerke in Quierschied, Bexbach und Fenne betreibt, sieht auf dem Weg zur Energiewende noch viele offene Fragen. Entscheidungen dürften nicht auf die lange Bank geschoben werden.
Bei der künftigen Stromversorgung Deutschlands ist Druck im Kessel. Die Atomkraftwerke sind abgeschaltet, der Aufbau der Stromproduktion mit erneuerbaren Energien aus Windrädern oder Photovoltaik (PV)-Anlagen kommt nur schleppend voran. „Der Fortschritt ist eine Schnecke“, schreibt die Wirtschaftswoche. Das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 rund 80 Prozent der Stroms aus Erneuerbaren Energien zu produzieren, werde nach Ansicht von Fachverbänden „mit dem derzeitigen Tempo verfehlt“.
Außerdem sollen nach 2030 rund 25 Gigawatt (GW) Leistung aus Gaskraftwerken zur Verfügung stehen, um die Stromnetze zu stabilisieren, wenn Windstille herrscht und die Sonne nicht scheint. Hier steht der Essener Energieversorger Steag Gewehr bei Fuß. Er will an seinen saarländischen Kraftwerksstandorten Quierschied und Bexbach solche Gasturbinen hinstellen, in denen zunächst Erdgas und später Wasserstoff verfeuert werden soll.
Allerdings sind viele Fragen offen, betont ein Steag-Sprecher auf Anfrage. „Derzeit berät man in Berlin immer noch darüber, wie dieser Zubau von Kraftwerksleistung konkret umgesetzt werden kann.“ Zudem müsse Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit der EU-Kommission einen Weg finden, um die EU-Beihilferegeln zu beachten.
Fest stehe nur, dass die Standorte für die Turbinen im Rahmen einer Ausschreibung festgelegt werden sollen. Die ersten Ausschreibungen sollten in diesem Herbst starten. Inzwischen sei von 2024 die Rede. Wie diese konkret aussehen sollen, sei ebenfalls „noch ungeklärt“. Wichtig für die Steag und andere Energiekonzerne ist vor allem das Marktmodell für die Gaskraftwerke. „Wird eher die Vorhaltung von Erzeugungskapazität oder der eingespeiste Strom vergütet?“, laute die Frage.
Die Branche spricht sich für einen sogenannten Kapazitätsmarkt aus, bei dem – ähnlich wie bei der Feuerwehr – das Vorhalten der Leistung und nicht die Zahl der Einsätze bezahlt werden. Nur dann seien solche Kraftwerke, die in fünf Minuten hochgefahren werden können und über eine Leistung von 600 bis 800 Megawatt verfügen, rentabel.
Welche Firmen im Saarland schon über 100 Jahre alt sind
Offen sei außerdem, wann das Erdgas für die Turbinen durch Wasserstoff ersetzt werden soll, der als der Energieträger der Zukunft gilt. „Ab wann müssen Standorte neuer Kraftwerke einen Zugang zum Wasserstofftransportnetz haben? Wie viel Wasserstoff sollen die Anlagen ab wann gegebenenfalls anteilig mitverfeuern können?“, fragt der Steag-Sprecher. Diese Entscheidungen dürften nicht auf die lange Bank geschoben werden. „Wir sind darauf angewiesen, dass es hier sehr zeitnah Klarheit gibt. Denn für die Realisierung einer solchen Anlage von Planung über Genehmigung bis hin zur Inbetriebnahme braucht es, wenn die Randbedingungen optimal sind, mindestens sieben Jahre.“
Außerdem seien die Kosten des Turbinenbaus völlig offen. Eine GuD-Kraftwerk der Steag in Herne – mit Gasturbine für den Strom und Dampferzeugung für die Fernwärme, daher GuD – habe einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag gekostet. „Angesichts der zuletzt spürbar gestiegenen Baukosten sowie der noch nicht bekannten spezifischen Anforderungen der Ausschreibungen bietet diese Zahl aber keine verlässliche Orientierung“, so die Steag.
Viele offene Fragen stellen sich dem Essener Energiekonzern auch bei ihren Kohlekraftwerken in Quierschied, Bexbach und Völklingen-Fenne. Die Anlagen seien in den vergangenen Monaten wenig gelaufen. Diese Zeit sei für Revisionen genutzt worden, um die Stromfabriken auf die Wintermonate vorzubereiten, „wenn es insbesondere wieder darum gehen wird, Erdgas bei der Stromerzeugung zu ersetzen, um einer drohenden Erdgasmangellage entgegenzuwirken“. Die Belieferung der Kraftwerke mit Steinkohle sei für die nächsten Monate weitgehend gesichert. Auch im kommenden Winter hätten Kohletransporte im Eisenbahnnetz Vorfahrt.
Allerdings „ist die personelle Lage an den Standorten weiterhin herausfordernd“, sagt der Steag-Sprecher. In Fenne könne von den beiden Kraftwerksblöcken nur einer betrieben werden, „weil die Personalkapazitäten nicht mehr ausreichen, beide Blöcke zeitgleich in Betrieb zu nehmen“. Ab April 2024 sei in Völklingen die Personaldecke so dünn, dass die Steag der Bundesnetzagentur mit einer Nichtverfügbarkeitszeige deutlich gemacht habe, dass die zwei Blöcke dann komplett stillstehen, „weil das Personal in den anderen systemrelevanten Kraftwerken (Weiher und Bexbach) gebraucht wird“. Außerdem sei es schwer, neue Mitarbeiter zu gewinnen, wenn jeweils nur für zwei Jahre sichergestellt sei, ob die Kraftwerke noch betrieben werden können oder stillgelegt werden müssen.
Derzeit sind die saarländischen Kohlekraftwerke am regulären Strommarkt gelistet. Das kann sich im Frühjahr wieder ändern, wenn das Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz (EKBG) ausläuft. Falls das Regelwerk nicht verlängert wird, „fallen die Anlagen wieder in den Status der Systemrelevanz zurück. Das heißt, sie müssen in dauerhafter Betriebsbereitschaft gehalten werden, um im Bedarfsfall vom Netzbetreiber angefordert werden zu können, damit sie das Stromnetz stützen“, erläutert der Steag-Sprecher. Wie lange dieser Zustand dauere, sei ebenfalls offen und hänge von der Bundesnetzagentur ab.
Die Steag erinnert allerdings daran, „dass mit Blick auf das Alter der Anlagen jedoch klar ist, dass sie perspektivisch auf das definitive Ende ihrer technischen Lebensdauer zugehen“. Das Kraftwerk in Quierschied ging 1976 in Betrieb, der Block in Bexbach 1983 und die Stromfabriken in Fenne 1982 beziehungsweise 1989.