Autohaus Dechent blickt auf mehr als 100 Jahre Firmen-Geschichte zurück Im festen Glauben an die automobile Zukunft

Saarbrücken · Das Saarbrücker Autohaus Dechent gehört mit zehn Standorten zu den Großen seiner Zunft. Vor über 100 Jahren fing alles mit einer Wagenfabrik für Pferdegespanne an.

 Das Autohaus Dechent in Saarbrücken ist 100 Jahre am Markt: Darüber freut sich Firmenchef Thorsten Voigt.

Das Autohaus Dechent in Saarbrücken ist 100 Jahre am Markt: Darüber freut sich Firmenchef Thorsten Voigt.

Foto: Iris Maria Maurer

Es war ausgerechnet der Erste Weltkrieg, der ein Aha-Erlebnis bei Hans Dechent auslöste. Er war an der Front zur Kraftfahrzeug-Truppe abkommandiert und lernte dort die Vorzüge der motorisierten Mobilität kennen. Dechent ahnte, dass im Auto ein gewaltiges Potenzial schlummerte. Denn es stillt die Sehnsucht der Menschen, dorthin zu fahren, wohin sie gerade wollen – einfach, weil sie es können. Daher stieg der Kriegsheimkehrer 1919 bei der Firma Friedrich Krämer ein, eine Saarbrücker Wagenfabrik, damals noch für Pferdegespanne.

Dieses Geschäft war die Geburtsstunde des Saarbrücker Autohauses Dechent, das mit zehn Standorten zu den Großen seiner Zunft im deutschen Südwesten gehört. 280 Frauen und Männer beschäftigt die Dechent-Gruppe und bildet 30 junge Leute in gewerblichen und kaufmännischen Berufen aus. Rund 4500 neue und gebrauchte Autos verkauft Dechent jährlich. Hinzu kommen die Werkstätten und alles, was zum Service rund um den fahrbaren Untersatz gehört.

Hans Dechent ging 1919 schnell zu Werke. Die Firma Friedrich Krämer wurde in Central-Garage umgetauft. Dechent stellte den Betrieb vom Wagen- auf den Karosseriebau um. Die ersten Autos, für die er eine Handelsvertretung aufbaute, hießen Dixi und kamen aus Eisenach. Ein Kentaur, ein Wesen halb Mensch, halb Stier, zierte Kühlergrill und Briefkopf. Um die Autos, die er seitdem verkaufte, auch warten und reparieren zu können, baute er in der Saarbrücker Gerberstraße eine Werkstatt. Bald beschäftigte das Unternehmen schon 60 Mitarbeiter und wuchs rasant.

Schnell wurde es in der Innenstadt zu eng, und Dechent zog in die Mainzerstraße, wo er 1923 ein Grundstück kaufte und dort ein komplett neues Autohaus errichtete. Die hohen Investitionen stemmte er mithilfe der Familie. Er hatte finanzstarke Schwäger, die ihm unter die Arme griffen. Einer von ihnen war Fritz Opel, ein Enkel Adam Opels, dessen Familie seit 1899 die gleichnamigen Autos baute. Der Schwager, der wegen seines Hangs zu Rennwagen mit Raketen-Antrieb auch „Raketen-Fritz“ genannt wurde, beteiligte sich an der jungen Firma. Das neue Autohaus konnte 1924 seine Pforten öffnen.

Die politischen Verhältnisse hatten sich verändert. Durch den Versailler Vertrag, der 1920 in Kraft trat, war unter dem Mandat des Völkerbundes das Saargebiet entstanden, das nach und nach in das französische Zoll- und Währungsgebiet einbezogen wurde. Weil zwischen Deutschland und Frankreich kein Handelsvertrag bestand, musste Dechent 1925 den Import deutscher Autos einstellen. Schnell standen französische Automobile der Marken Delahaye und Salmson in den Verkaufsräumen. Später kamen die Wagen von Donnet sowie Chenard & Walcker dazu. 7500 Autos haben Dechents Mechaniker damals schon pro Jahr repariert.

1927 kam es zum Handelsvertrag zwischen Deutschland und Frankreich. Daher konnte er wieder deutsche Autos ins Saargebiet importieren. Mit „Raketen-Fritz“ als Schwager und Teilhaber kam für Hans Dechent nur Opel infrage, er übernahm die Saar-Generalvertretung. Die Autos mit dem Opelblitz-Logo verkauften sich gut – noch besser, seitdem das Saargebiet ab 1935 wieder zu Deutschland gehörte. 1000 Opel werden jedes Jahr abgesetzt und schon 1939 mehr als 12 000 pro Jahr repariert. Dann kommt der Zweite Weltkrieg und alles gerät durcheinander. Der Betrieb muss evakuiert werden, siedelt nach St. Wendel um. Nach den Blitzsiegen der Wehrmacht im Westen darf Dechent mit seiner Firma zurück nach Saarbrücken. Weil 1944 die Front der Alliierten näherrückt, muss wieder alles abtransportiert werden – diesmal nach Homburg.

Als die Waffen im Frühjahr 1945 schweigen, ist Anpacken angesagt. Bald nimmt die Central-Garage wieder ihren Betrieb auf. Das Saarland gehört erneut zum französischen Wirtschaftsraum. Dechent müht sich nach Kräften, den Opel-Verkauf und die Kundenbetreuung trotz Grenze und Zoll wieder zum Laufen zu bringen. Um genügend Arbeit zu haben, beteiligt er sich an einer Renault-Vertretung und wird 1950 zudem Generalvertreter für die Autos der amerikanischen Opel-Muttergesellschaft General Motors (GM) mit Marken wie Chevrolet, Pontiac, Buick, Cadillac oder Vauxhall.

Mit Erfolg, denn am Standort wird es langsam eng, und Dechent zieht ans Ende der Mainzer Straße – die Nummer 168 ist heute noch die Adresse des Stammhauses. Im Mai 1955 wird dort der Betrieb aufgenommen – erstmals unter der Firmierung Autohaus Dechent. 1957 wird das Saarland zehntes Bundesland der noch jungen Bundesrepublik. Am 6. Juli 1959 löst die D-Mark den französischen Franken als Währung ab. Am selben Tag steuert Hans Dechent zusammen mit seinem damals 23 Jahren alten Mitarbeiter Udo Voigt den ersten Opel Rekord über die weggefallene Zollgrenze. Der Expansion des Unternehmens steht nichts mehr im Weg. Die Saarländer wollen westdeutsche Autos, und die Marke mit dem Blitz ist begehrt. Auch die Freunde von US-Straßenkreuzern aus dem Hause GM werden weiter bedient.

Firmengründer Hans Dechent stirbt 1964 und sein Sohn Hans-Dieter übernimmt zeitweilig zusammen mit seiner Mutter Hilde die Geschäftsführung. Allerdings zeigt er wenig Interesse am väterlichen Geschäft und lässt sich 1969 ausbezahlen, um sich ganz seiner Leidenschaft, dem Rennsport, zu widmen.

1973 wird Udo Voigt, der zwischenzeitlich bei Opel als Gebietsleiter gearbeitet hatte, Geschäftsführer bei Dechent und übernimmt nach und nach auch die Firmenanteile. Unter seiner Ägide wird Dechent zum Mehrmarken-Haus. Zur Gruppe gehören heute neben den Opel-Häusern in Saarbrücken, Neunkirchen, St. Ingbert, Völklingen, Heidelberg und Walldorf die Toyota-Autowelt in Saarbrücken und Kaiserslautern, Volkswagen und Audi in Saarlouis, Hyundai in Heidelberg und seit 2015 Suzuki in Saarbrücken.

 Historisches Bild aus dem Jahr 1936. Die Reparatur-Werkstatt des Saarbrücker Autohauses Dechent.

Historisches Bild aus dem Jahr 1936. Die Reparatur-Werkstatt des Saarbrücker Autohauses Dechent.

Foto: Autohaus Dechent

Die Geschäftsführung teilen sich heute Thorsten und Oliver Voigt, die Söhne von Udo Voigt. Auch wenn das Auto angesichts der Umweltprobleme kritischer gesehen und vor allem von jungen Leuten nicht mehr als Statussymbol begriffen wird, „hat es seinen Reiz als Inbegriff der mobilen Freiheit nicht verloren“, ist Thorsten Voigt überzeugt. „Autos und Autohäuser wird es noch lange geben.“

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