Der Kampf ums Ford-Werk in Saarlouis Rehlinger nach USA-Reise: „Eine Entscheidung zwischen Saarlouis und Valencia ist noch nicht gefallen"

Update | Dearborn · 18 Stunden war Ministerpräsidentin Anke Rehlinger unterwegs, ehe sie mit Wirtschaftsminister Jürgen Barke in der Fordzentrale in Dearborn (USA) am Verhandlungstisch um den Fortbestand des Werkes in Saarlouis kämpfte. Danach gab sie sich zuversichtlich.

 Ministerpräsidentin Anke Rehlinger und Wirtschaftsminister Jürgen Barke (beide SPD) auf dem Flughafen in Detroit - kurz vor dem Gespräch mit dem Fordmanagement.

Ministerpräsidentin Anke Rehlinger und Wirtschaftsminister Jürgen Barke (beide SPD) auf dem Flughafen in Detroit - kurz vor dem Gespräch mit dem Fordmanagement.

Foto: Julian Lange

Die Reise war eine lange. Start Mittwochmorgen. Zunächst der Lufthansa-Flug von Frankfurt nach Detroit zum Metropolitan Wayne County Airport. Nonstop in den Norden der Vereinigten Staaten, in den Bundesstaat Michigan, in die Nähe der Großen Seen, danach noch 15 Minuten Transfer im Auto. Ziel der Reise: Die Kleinstadt Dearborn, südwestlich von Detroit gelegen, die Heimatstadt des legendären Autobauers Henry Ford, Sitz des Welthauptquartiers der Ford Motor Company, zum Henry Ford II World Center an der American Road 1. Neun Stunden saßen Saar-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger, ihr Stellvertreter, Wirtschaftsminister Jürgen Barke (beide SPD), Thomas Schuck, Geschäftsführer der Strukturholding Saar (SHS), und Regierungssprecher Julian Lange im Flieger, ehe sie in Detroit angekommen waren. Um 13.30 Uhr Ortszeit landeten sie, um 17 Uhr (23 Uhr in Deutschland) starteten sie in das Gespräch mit Managern des Konzerns. „Zum Start des Gesprächs waren die saarländischen Teilnehmer zwar seit rund 18 Stunden auf den Beinen, das war aber unproblematisch und für Rehlinger und Barke nicht ungewöhnlich“, teilte Lange nach dem einstündigen Gespräch mit.

Gespräch zwischen Rehlinger, Barke und Ford-Vertretern in Detroit

Das Ziel des Gesprächs im Herzen des Ford-Imperiums: Die Delegation wollte die Manager überzeugen, dass das Werk in Saarlouis weiterhin produzieren soll, sie wollten noch einmal persönlich klarstellen, welch wichtige Bedeutung Ford für das Saarland hat. 4600 Menschen arbeiten in Saarlouis-Roden, mehr als 1500 im angrenzenden Zulieferpark. Damit ist das Ford-Werk einer der größten Arbeitgeber im Saarland – und es steht auf der Kippe.

Denn das Ford-Management lässt bisher offen, ob das Werk nach Auslaufen der Produktion des Fokus‘ im Jahre 2025 weiterhin Automobile bauen darf. Genauer: E-Autos. Derzeit prüft das Management, ob in Saarlouis oder im spanischen Valencia künftig E-Autos produziert werden sollen. Beide Werke haben am 27. Januar ihre Bewerbungen eingereicht, bis 30. Juni will das Management entscheiden und kommunizieren, an welchem Standort es voraussichtlich E-Autos bauen lassen will.

Die Entscheidung wird Europachef Stuart Rowley treffen, ließ Welt-Konzernchef James Jim D. Farley Jr. der Delegation mitteilen, daher saß er selbst nicht mit am Verhandlungstisch in Dearborn. Dafür Rowley – mit Clemens Doepgen, Geschäftsführer der deutschen Ford-Werke, und zwei weiteren Ford-Managern. „Da kann die Politik nichts machen. Das habe ich in den letzten Tagen oft gehört“, schreibt Rehlinger nach dem Gespräch auf ihrer Facebookseite. „Und es stimmt: Unternehmen entscheiden über ihre Standorte und über Tausende Beschäftigte und ihren Familien. Ich habe das erlebt: Um Halberg Guss zu retten, habe ich alles in die Waagschale geworfen, was das Saarland tun konnte. Es war ein verzweifelter Moment, der deutlich gemacht hat, dass Politik nicht allmächtig ist, auch wenn sie vieles verändern kann.“ Dennoch sei sie mit Wirtschaftsminister Jürgen Barke nach Detroit geflogen. „Ich habe den Saarländerinnen und Saarländern versprochen, nichts unversucht zu lassen. Und dazu stehe ich.“

Rehlinger: Kampf für Ford-Standort in Saarlouis

„Wir kämpfen für die Arbeitsplätze bei Ford und den Zulieferern in Saarlouis“, erklärte Rehlinger. „Gemeinsam mit Jürgen Barke habe ich Ford die volle Unterstützung der saarländischen Landesregierung für eine Zukunft am Standort Saarlouis versichert.“

Was in den etwa 15 Seiten starken Bewerbungs-Unterlagen aus dem Saarland drinsteht, ist hingegen geheim. Lohnzugeständnisse, Effizienzsteigerungen, längere Arbeitszeiten, kürzere Pausen – auch Subventionszusicherungen der Politik, ein eventueller Aufkauf des Geländes und der Hallen durch das Land? All das lässt Rehlinger unkommentiert. „ Das Gespräch war offen und konstruktiv. Mehr kann ich im Moment über den Inhalt der Gespräche nicht sagen. Das Unternehmen legt sehr großen Wert auf die Integrität des konzerninternen Prozesses“, sagte Rehlinger dazu. Sie habe hingegen „für das Saarland deutlich gemacht“, dass „wir einen fairen Prozess und eine faire Entscheidung erwarten. Wir haben der Konzernleitung persönlich das Paket erläutert, das die saarländische Landesregierung dem Unternehmen vorgelegt hat, und wir haben einige Details weiter vertieft und damit den Wert unseres Angebotes verdeutlicht. Eine Entscheidung zwischen den Standorten Saarlouis und Valencia ist noch nicht gefallen.“

Dennoch sei ihr bewusst: Die Autoindustrie unterliege „einem heftigen Wandel. An Ford hängt ein Stück weit saarländische Identität. Für mich geht es bei allen Gesprächen dennoch nicht allein um das Unternehmen Ford, sondern um die Arbeitsplätze von Saarländerinnen und Saarländern. Und aus langer Erfahrung weiß ich, dass der Standort in Saarlouis hoch attraktiv ist für industrielle Produktion vor allem wegen der exzellenten Fachkräfte - ob für Ford oder jemand anderen.“

Eine negative Entscheidung von Ford wäre zwar „ein Tiefschlag für das Saarland und würde vor allem die Beschäftigten schwer treffen. Wir tun alles, um das zu verhindern. Aber wir dürfen unser Saarland nicht schlecht reden: Der wirtschaftliche Erfolg unseres Landes ist nicht von einem Unternehmen abhängig.“ Der Strukturwandel sei keine Kette von entweder positiven oder negativen Ereignissen. Veränderungen würde es es geben. „Es kommt darauf an, negative Auswirkungen zu mildern und durch positive Entwicklungen mindestens zu kompensieren. Das sehe ich als meine Verantwortung: Mit Zuversicht für Zusammenhalt und Zukunft.

Barke und Rehlinger im Gespräch mit Betriebsrat bei Ford in Saarlouis

Vor dem Termin haben sich Rehlinger und Barke „noch einmal eng mit den Beschäftigtenvertretern von Ford Saarlouis abgestimmt. Am Dienstagabend habe beispielsweise eine Videoschalte stattgefunden.

Dabei war auch Markus Thal, Betriebsratschef der Ford-Werke in Saarlouis. Er ist sich übrigens nicht sicher, dass das Werk, das den Zuschlag erhalten wird, tatsächlich auch E-Autos bauen wird. „Das entscheidet das Management erst ein paar Monate später“, berichtet Thal.

Sicher sei auch nicht, ob das unterlegene Werk wirklich schließen muss. Das hat zumindest Europachef Rowley vor zwei Wochen via (interner) E-Mail angedeutet (wir berichteten). Thal schenkt dem Schreiben nicht sonderlich großes Vertrauen. „Es steht nicht drin, was das eigentlich bedeuten soll“, sagt der Betriebsratschef. Das Schreiben könnte ja auch heißen, dass das Ford-Management in Saarlouis massiv Stellen kürzt „und wir nur noch mit 100 Mann irgendwelche Teile zusammenschrauben. Dann ist das Werk ja auch erhalten“, sagt Thal mit Ironie in der Stimme.

Die Situation sei derzeit sehr angespannt. Das Vertrauen sei arg strapaziert. Viele der Fordmitarbeiter haben schlicht „sehr, sehr große Angst um ihre Arbeitsplätze“. Die Ungewissheit mache einige sogar „krank“, erklärt Thal. Der Wettbewerb zwischen den zwei Standorten sei „Kapitalismus in seiner brutalsten Form“.

Rehlinger reist weiter nach Berlin zur Abstimmung über 9-Euro-Ticket

Natürlich sei er froh, dass Rehlinger nun nach Dearborn geflogen sei. „Ich habe sie am 1. Mai darum gebeten“, sagt Thal. Diese Woche will sich Thal noch hinsetzen und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) anschreiben und ihn in einem Brief bitten, sich in Dearborn für das Werk einzusetzen. Am liebsten wäre es Thal, wenn er mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Michigan fliegen würde. Denn letztlich ging es nicht nur um Saarlouis. Es geht auch um das Werk in Valencia. Es ist also ein europäisches Problem.“

Das zu lösen, sei doch die Aufgabe der EU. Arbeitsplätze retten, Sicherheit für die Zukunft, das sei doch Aufgabe der Politik. „Es geht nicht um Saarlouis oder Valencia, sondern um Saarlouis und Valencia.“ Daher sollten Scholz und Von der Leyen gemeinsam nach Dearborn reisen.

Wenn sie etwas zu den Flug-Verbindungen wissen wollen, können sie sicher bei Rehlinger nachfragen. Die ist nach einer Übernachtung in einem Flughafenhotel gegen 6 Uhr Ortszeit wieder aufgestanden, um Akteure in Deutschland über die Gespräche zu informieren, „etwa das Bundeskanzleramt, die Arbeitnehmervertreter in Saarlouis, den Landrat, den Oberbürgermeister und die Arbeitsebene von Staatskanzlei und Wirtschaftsministerium“, erklärte Lange. Um 10.20 Uhr Ortszeit fliegt die Delegation zurück – und zwar nach Berlin. Landung ist für Ortszeit 7.55 Uhr am Freitag vorgesehen (dank Zeitverschiebung entfällt der Donnerstag quasi), um 9.30 Uhr wollen Rehlinger und Barke im Bundesrat sein, um über Punkte wie die steuerliche Entlastung oder das Neun-Euro-Ticket abzustimmen. Nach weiteren Terminen in Berlin wird Rehlinger gegen 21 Uhr zurück im Saarland sein.

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