Flammschutzmittel Saar und Warndt stark mit Umweltgiften belastet

Emmersweiler · Deutschlandweit ist die Saar am stärksten durch Flammschutzmittel belastet. Woher die schädliche Chemikalie stammt, ist unklar.

 Bei Rehen im Warndtwald wurde eine hohe Konzentration von Umweltgiften festgestellt. Laut dem Umweltministerium stammen die Gifte jedoch nicht von der Chemieplattform Carling.

Bei Rehen im Warndtwald wurde eine hohe Konzentration von Umweltgiften festgestellt. Laut dem Umweltministerium stammen die Gifte jedoch nicht von der Chemieplattform Carling.

Foto: ZB/Jens Büttner

Die Mitglieder der Bürgerinitiative (BI) „Saubere Luft“ im Warndt sehen die lothringische Chemieplattform Carling mit Sorge – sie haben Angst, dass von dort schädliche Stoffe zu ihnen herüber wehen oder in die Flüsse gelangen könnten. Da half es wenig, dass der saarländische Umweltminister Reinhold Jost (SPD) nach zahlreichen Messungen im Februar verkündete: „Die Luft im Warndt ist sauber.“ Dass nun neue Daten aufgetaucht sind, die eine hohe Belastung mit Umweltgiften belegen, und die Bürger vom Ministerium darüber nicht informiert wurden, trägt nicht dazu bei, dass das Vertrauen wächst. „Jost predigt immer Offenheit und Transparenz. Warum haben wir die Daten dann nicht bekommen?“, fragt Martin Becker von der BI. Durch Zufall stießen sie darauf. Dabei steht keineswegs fest, dass die Gifte – wie die BI vermutet – tatsächlich aus Carling stammen.

Das Umweltbundesamt hat demnach festgestellt, dass die Belastung mit PBDE (Polybromierte Diphenylether) und HBCDD (Hexabromcyclododecan) in der Saar und im Warndtwald besonders hoch ist. In Fischen in der Saar wurde die deutschlandweit höchste PBDE-Konzentration festgestellt. Auch Rehe und junge Fichtenspitzen im Warndtwald wiesen sehr hohe Werte auf. PBDE wird als Flammschutzmittel eingesetzt, es steckt etwa in Polstermöbeln, Matratzen und Elektrogeräten. 2004 hat die EU bestimmte PBDEs verboten, aber Rückstände sind bis heute nachweisbar. Es ist schwer abbaubar und reichert sich in Lebewesen an, teilweise wurde es sogar in der Muttermilch von Frauen nachgewiesen. „Da stellt man sich schon die Frage: Was macht das mit uns?“, sagt Heike Schreiner, Vorsitzende der Bürgerinitiative. HBCDD ist ebenfalls ein Flammschutzmittel, das vor allem in Dämmstoffen beim Bau verwendet wird. Seit 2015 ist es zulassungspflichtig.

An der Schleuse Rehlingen war die PBDE-Belastung der Fische sieben Mal höher als an der Schleuse Güdingen – aus Sicht der BI ein Indiz, dass die Schadstoffe aus Carling stammen. „Wir vermuten, dass von dort aus Abwässer in die Merle geleitet wurden, die über die Rossel in die Saar gelangt sind“, sagt Adriano Pitillo von der BI.

Der Betreiber Total der Chemieplattform war gestern nicht zu erreichen. Das saarländische Umweltministerium sieht jedoch keinen Zusammenhang mit der Chemieplattform. „Nach dem Kenntnisstand des Ministeriums wurde und wird PBDE dort weder hergestellt noch eingesetzt“, sagt eine Sprecherin. Generell werde PBDE vor allem beim Schreddern von Kunststoffabfällen freigesetzt. HBCDD sei zwar bis 2015 von der Firma Ursa in Carling produziert worden. Allerdings sei die Umweltbelastung durch die Produktion vermutlich vergleichsweise gering. Das Flammschutzmittel gelange hauptsächlich durch Freisetzung aus Textilbeschichtungen in die Umwelt.

Dass die PDBE-Belastung in Rehlingen höher als in Güdingen war, ist aus Sicht des Ministeriums kein schlüssiges Argument. Denn umgekehrt sei der HBCDD-Gehalt in Güdingen höher gewesen als in Rehlingen. Die Schwankungen zeigten vielmehr eine „natürliche, hohe Unsicherheit“ der Messmethode.

Das Ministerium geht davon aus, dass die Ursachen für die hohe Schadstoffkonzentration in der Vergangenheit liegen und nicht ein einzelner Verursacher dahinter steckt. Da viele der Flammschutzmittel inzwischen verboten sind, sei die Belastung in den wenigsten Fällen durch „aktive Quellen“, sondern durch „historische Kontaminationen“ verursacht worden, sagt die Sprecherin. Durch welche, lasse sich aber nicht mehr nachvollziehen. Das Ministerium nimmt außerdem an, dass es eine „überregionale Belastung“ gibt, will nun aber selbst die PBDE-Konzentration anhand von Schwebstoffproben erfassen.

 Staðrfall Carling Im Atofina Chemiewerk im franzaðsischen Carling gibt es am Mittwoch (8.10.2014) einen Staðrfall, der als Staðrung der "Katergorie A" auch den deutschen Behaðrden gemeldet wurde. aúber mehrere Stunden werden Gase abgefackelt, es bildet sich eine tiefschwarze Rauchwolke und beiaüender Geruch. Die Rauchwolke zieht ins Saarland und ist am Morgen selbst aus dem Bliesgau gut zu sehen. bub/  Foto: Becker&Bredel

Staðrfall Carling Im Atofina Chemiewerk im franzaðsischen Carling gibt es am Mittwoch (8.10.2014) einen Staðrfall, der als Staðrung der "Katergorie A" auch den deutschen Behaðrden gemeldet wurde. aúber mehrere Stunden werden Gase abgefackelt, es bildet sich eine tiefschwarze Rauchwolke und beiaüender Geruch. Die Rauchwolke zieht ins Saarland und ist am Morgen selbst aus dem Bliesgau gut zu sehen. bub/ Foto: Becker&Bredel

Foto: BeckerBredel

Tatsächlich lassen sich die Schadstoffe sogar in der Polarregion und in Fischen in der Tiefsee nachweisen. Da sie nur langsam abgebaut werden, können sie im globalen Kreislauf über weite Strecken transportiert werden. Warum die Konzentration in der Saar im Vergleich zu anderen deutschen Flüssen so hoch ist, erklärt das aber nicht.

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