Saarland baut Schulden ab Saar-Finanzminister verkündet „Zeitenwende“

Saarbrücken · Erstmals seit zwei Jahrzehnten zahlt das Land Schulden zurück. Die Regierungen haben seit 2011 hart gespart – und viel Glück gehabt.

 Finanzminister Peter Strobel

Finanzminister Peter Strobel

Foto: BeckerBredel

In zukünftigen Abhandlungen über die Geschichte des Saarlandes werden die Jahre 2019 und 2020 einen prominenten Platz einnehmen, da ist sich die Landesregierung sicher. Denn der Doppelhaushalt, den Finanzminister Peter Strobel (CDU) gestern im Landtag einbrachte und über den das Parlament heute debattieren wird, ist nach Strobels Ansicht historisch. Er markiere für das Land „eine Zeitenwende“, sagte Strobel. „Die Jahrzehnte der extremen Haushaltsnotlage sind vorbei.“ 2020 beginne ein „Jahrzehnt der Investitionen“.

Erstmals seit zwei Jahrzehnten wird das Land wieder Schulden tilgen, für 2019 und 2020 sind dafür – wie vom Bund vorgeschrieben – jeweils gut 80 Millionen Euro vorgesehen. Nach den Worten des Finanzministers kann sich das Saarland ab 2020, wenn die Mittel aus dem neuen Bund-Länder-Finanzausgleich fließen, unter dem Strich sogar die gleichen Standards leisten wie Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen – bislang war das Saarland bei der Finanzkraft je Einwohner stets abgeschlagen. Eine „Aufbruchstimmung“ erwartet Strobel daher nun.

„Wer hätte das zu Beginn des laufenden Jahrzehnts für möglich gehalten?“, fragte der Finanzminister. Das Land steckte seit den Kohle- und Stahlkrisen der 1980er Jahre in einer Haushaltsnotlage, die 1992 auch vom Bundesverfassungsgericht anerkannt wurde. In der Folge gewährte der Bund dem Saarland von 1994 bis 2004 eine Teilentschuldung – ein Erfolg der damaligen SPD-Regierung, für den sich Strobel gestern beim damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Linken-Fraktionschefs Oskar Lafontaine bedankte.

Der nächste Einschnitt kam 2011, nachdem die CDU-Regierung unter Peter Müller der Einführung der Schuldenbremse zugestimmt hatte. Damals war in dem Vier-Milliarden-Etat des Landes jeder dritte Euro durch Kredit finanziert, weshalb SPD, Linke und Gewerkschaften fürchteten, die Schuldenbremse werde dem Land die Luft zum Atmen nehmen. Im Gegenzug handelte Müller jährliche Finanzhilfen von 260 Millionen Euro für das Land heraus. Ab 2020 fließen 400 Millionen Euro ins Land, garantiert mindestens bis 2035. „Es gab damals und noch etliche Jahre später Zweifler und Warner“, sagte Strobel. Die Regierungen hätten aber nicht auf ein Wunder gewartet, etwa die Vermögenssteuer, sondern das Schicksal des Landes selbst in die Hand genommen, „die einzig richtige Option“.

Die Jamaika-Koalition begann 2011 – unter der scharfen Aufsicht aus Berlin – mit einem harten Sparkurs, den die große Koalition ab 2012 fortsetzte. Es traf besonders die Beamten: Nullrunde, Absenkung der Einstiegsgehälter, Kürzungen bei der Beihilfe, verspätete Gehaltserhöhungen. In nahezu allen Bereichen wurden Stellen abgebaut. Mittel für Hochschulen, Krankenhäuser oder Landstraßen wurden gekürzt, wodurch zunächst der Sanierungsstau wuchs. Die Grunderwerbsteuer wurde mehrfach erhöht. Strobel warnte, wenn man Einsparungen jetzt zurückdrehe, würden an anderer Stelle die Spielräume geringer.

Allerdings: Von den angepeilten 2000 Stellen im öffentlichen Dienst (ursprünglich waren es 2400) sind bislang erst rund 1200 gestrichen. Die Gewerkschaften halten weitere Abstriche für ausgeschlossen. Doch Strobel präsentierte gestern eine andere Rechnung: Die Relation Lehrer je Schüler sei an der Saar im Ländervergleich „hervorragend“; und kein anderes westdeutsches Flächenland habe je 1000 Einwohner mehr Polizisten als das Saarland. Das seien „Standards, um die uns andere Länder nach wir vor beneiden“.

Wahr ist aber auch: Das Defizit konnte nur deshalb so stark sinken, weil die Steuern seit Jahren sprudeln und das Zinsniveau für die Schuldenlast von 14 Milliarden Euro auf Talfahrt ist. Deshalb wird das Land, entgegen den Planungen, wahrscheinlich schon 2018 ohne neue Schulden auskommen. „Ich will überhaupt nicht verschweigen, dass es auch deswegen aufgegangen ist, weil wir das Glück des Tüchtigen hatten“, sagte Strobel. Um Risiken zu minimieren, will Strobel vorsorgen. Darlehensverträge sollen verlängert werden, um das günstige Zinsniveau zu sichern. Zudem soll ab 2020 eine Rücklage für den erwarteten Anstieg des Zinsniveaus angelegt werden. Risiken bleiben aber: Gegen den Brexit, einen Welthandelskrieg und rückläufige Steuereinnahmen, kann sich das Land kaum wappnen.

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