Saarbrücken. Saar-Prominenz? — Auf in den Streit!

Saarbrücken. · Ab Sonntag im Historischen Museum: „Prominente Menschen aus dem Saarland“. Auch ein Baby gehört dazu.

 Schwebendes Exponat: Mit diesem Kanu gewann Therese Zenz  1954 die Weltmeisterschaft in Macon.

Schwebendes Exponat: Mit diesem Kanu gewann Therese Zenz 1954 die Weltmeisterschaft in Macon.

Foto: BeckerBredel

Der Katalog erinnert mit seiner Dickleibigkeit und Bleischwere an einen Folianten, die Biografien von 113 berühmten Saarländern stecken darin, 31 ausführliche Artikel von Autoren, die zum Teil Edelfeder-Format besitzen wie zum Beispiel Heribert Prantl, Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung.

Anspruch, Abwechslung, ein bisschen Anmaßung? Auf jeden Fall  kündet das pompöse Begleitbuch zur Ausstellung „Prominente Menschen aus dem Saarland. Von Gräfin Elisabeth bis in das 21. Jahrhundert“ davon, dass der neue Chef im Historischen Museum Saar, Simon Matzerath, ein wirklich großes Rad gedreht hat. Mit einem nur siebenköpfigen Team, in nur etwa zehn Monaten.

Ein zu schweres Rad? Bis Sonntag, wenn die Ausstellung eröffnet wird, hat das Matzerath-Team noch Zeit, es in Schwung zu bringen. Denn gestern, beim Presserundgang, war das meiste der Ausstellungsarchitektur noch im Werden. Erkennen konnte man jedoch schon eine frische, großzügige Handschrift bei der Inszenierung der 130 Exponate, die zum Großteil aus den eigenen Beständen stammen, aber auch aus renommierten Museumssammlungen und Familienarchiven herbeigeholt wurden.

Kurioses ist darunter wie eine Minibar in glänzender Ritterrüstung aus Erich Honeckers Wandlitzer Privathaus, Anrührendes wie die Porträtzeichnung von Willi Graf, die ein Mithäftling des NS-Widerstandskämpfers kurz vor dessen Tod 1943 anfertigte. Selbstverständlich auch Erwartbares wie Nicoles weiße Gitarre, die das saarländische Schlager-Wundermädchen 1982 bei seinem Grand-Prix-Sieg in Harrogate dabei hatte. Das kostbarste und spektakulärste Exponat dürfte eine großartig illustrierte Original-Abschrift des „Loher und Maller“-Romans der Elisabeth von Lothringen sein. Sie wird erstmals in Saarbrücken gezeigt, in unmittelbarer Nähe der Burg, in der die Gräfin von Nassau-Saarbrücken, eine Initialfigur der europäischen Literarturgeschichte, einst lebte. Die Burgruinenreste werden im Historischen Museum unterirdisch gezeigt.

Insgesamt 113 prominente Saarländer hat das vierköpfige Kuratorenteam ermittelt, 84 davon erhielten eine Sechs-Sekunden-Würdigung, die zu einer Videoprojektion gesprochen wird, etwa die Autoren Gustav Regler und Ludwig Harig, der Journalist Peter Scholl-Latour oder der Musikproduzent Frank Farian. 29 Persönlichkeiten haben einen Logenplatz, erhielten eigene Vitrinen und Installationen: Der Triathlet Jan Frodeno, der Globetrotter Rox Schulz, der Filmproduzent Günter Rohrbach („Das Boot“).

Doch sind überhaupt die Richtigen ausgewählt worden? Wer gehört ins „Who is Who“ saarländischer Geschichte, wer nicht? „Darüber darf jetzt gestritten werden“, so Peter Gillo (SPD), Chef des Regionalverbandes, der das Museum, das im Jahr etwa 25 000 Besucher hat, mehrheitlich finanziert. Laut Gillo liefert diese erste Matzerath-Schau „eine andere Ausleuchtung der Regionalgeschichte“. Matzerath sagte, das Team sei sich der Angreifbarkeit der Auswahl bewusst: „Doch uns war klar, wir können das Thema nicht mit dem ganzen Saarland diskutieren, wir müssen dem Saarland eine Auswahl anbieten.“

300 Menschen haben sich zur Vernissage angemeldet, die deshalb aus der Schlosskirche in den größeren Festsaal des Saarbrücker Schlosses verlegt wurde. Doch über den glamourösen roten Teppich, der Teil der Ausstellungs-Inszenierung ist, werden nur etwa zehn Prominente schreiten. Mehr Anmeldungen aus diesem Kreis habe es nicht gegeben, so Matzerath. Eine Vitrine wird übrigens noch bis Sonntagmorgen frei gehalten – für eine potenzielle neue Berühmtheit. Ausgestellt werden Schnuller und Strampler eines weiblichen Babys, das am 27. August in Saarbrücken zur Welt kommen wird. Ein Quotenmädchen macht also Geschichte.

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