ZDF-Podiumsdiskussion über „Fake News“ und „Lügenpresse“ Was hinter Hass und Hetze im Netz steckt

Homburg · Bei einer Podiumsdiskussion des ZDF über „Fake News“ und „Lügenpresse“ diskutierten saarländische Politiker und Wissenschaftler mit Journalisten.

ZDF-Podiumsdiskussion zum Thema Qualitätsjournalismus und neue Medien mit (v.l.) Nadine Schön, Vize-Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Professor Michael Backes, Cispa Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit, Saar-Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD), Moderatorin Susanne Freitag-Carteron, Leiterin ZDF-Landesstudio Saarland, SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst und Bettina Schausten, stellvertretende Chefredakteurin des ZDF.

ZDF-Podiumsdiskussion zum Thema Qualitätsjournalismus und neue Medien mit (v.l.) Nadine Schön, Vize-Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Professor Michael Backes, Cispa Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit, Saar-Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD), Moderatorin Susanne Freitag-Carteron, Leiterin ZDF-Landesstudio Saarland, SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst und Bettina Schausten, stellvertretende Chefredakteurin des ZDF.

Foto: Iris Maria Maurer

Die Diskussionen seien „nervöser“ geworden, der Ton lauter und unversöhnlicher. Das sagte am Donnerstagabend Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU). Er eröffnete im Schlossberghotel in Homburg eine ZDF-Podiumsdiskussion zum Thema Qualitätsjournalismus in Zeiten neuer Medien. Auf dem Podium diskutieren Saar-Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD), die Vize-Chefin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Nadine Schön, Professor Michael Backes, Leiter des Helmholtz-Zentrums (Cispa), Bettina Schausten aus der ZDF-Chefredaktion und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst. Moderiert hatte die von der Saarbrücker Zeitung, dem Saarland und Cispa unterstützte Veranstaltung Susanne Freitag-Carteron, Leiterin des ZDF-Landesstudios Saarland.

Informationen werden binnen Sekunden über das Internet, über soziale Netzwerke und Apps abgerufen. Genauso schnell verbreiten sich Hassbotschaften und bewusste Falschinformationen („Fake News“). Das Internet biete „keinen einheitlichen Kommunikationsraum für alle“. Es schaffe vielmehr „Teilöffentlichkeiten“, wo eine vermeintlich einzig richtige Wahrheit verbreitet würde, warnte der Ministerpräsident. Gleichzeitig habe die Akzeptanz der Bürger gegenüber etablierten Medien abgenommen. Laut einer Umfrage des Instituts Infratest Dimap im Auftrag des WDR „glauben 40 Prozent der Bürger, dass den Medien von Staat und Regierung vorgegeben wird, wie und worüber sie berichten sollen“. Das sei sehr beunruhigend. Umso mehr müssten die Medien ihre Arbeit „transparenter“ machen und „besser erklären“.

„Fake News und Fehler dürfen nicht verwechselt werden. Fake News haben eine Täuschungsabsicht. Fehler sind hingegen menschlich“, sagte SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst. Selbstkritik gehöre zu verantwortungsvollem Journalismus. Fehler müssten offensiv korrigiert werden. Im Netz würden aber immer mehr Menschen schlicht „bullshitten“. Ihnen sei es egal, ob ihre Aussagen wahr oder falsch sind, so Herbst. Auch das gewinne an Einfluss, und „hier müssen wir als Medien gegensteuern“.

Als öffentlich-rechtlicher Sender habe das ZDF die Verantwortung, „dass wir alle erreichen müssen, die gesamte Gesellschaft“, sagte die stellvertretende ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten. Das erfordere zuweilen auch Selbstkritik. Und dennoch, „Meinungsfreiheit steht sehr hoch, aber Hass- und Gewaltaufrufe sind keine Meinung“.

Soziale Netzwerke seien gerade für die Politik wirksame „Kampagnenmedien“, um kurze Aufmerksamkeit erregende „Strohfeuer zu entfachen“, sagte Ministerpräsident Hans. Zu selten aber werde wirklich genau gelesen. Ein „schneller Klick“ sei nur Ausdruck von Oberflächlichkeit und nicht vergleichbar, wenn Menschen sich mit Themen wirklich auseinander setzen. „Klassische Medien sorgen mit ihrer positiven Entschleunigung dafür, dass es eine gründliche Auseinandersetzung überhaupt erst gibt.“ Die Medienarbeit verdiene Respekt und Anerkennung.

Hans’ Stellvertreterin Anke Rehlinger sind der „schnelle traffic“ und die Schlagzeilen, die nur darauf abzielen, viele Klicks zu generieren, ein Dorn im Auge. Online müssten auch Themen diskutiert werden, die „für die Lebensrealität der Menschen relevant sind“. Gleichwohl gab sie zu, dass die demokratischen Parteien hier noch besser werden müssten.

Hassreden, Fake News, Lügenpresse: All das sei ein „Vertrauensverlust von Bürgern in quasi alles, was unsere freie Gesellschaft ausmacht“, sagte Professor Michael Backes, Leiter des Helmholtz-Zentrums für Informationssicherheit (Cispa). Schnell werde der Ruf nach einer technologischen Lösung laut. Durch Botnetzwerke nutzten Fake News in „außerordentlicher Weise das Potenzial digitaler Medien“. „Bot“ ist abgeleitet von Roboter und bezeichnet automatisierte Schadprogramme, die Daten ohne Einverständnis sammeln. Unter der Kontrolle nur weniger Menschen könnten ganze Demokratien „destabilisiert“ werden. Fast jeder vierte Tweet zu politischen Ereignissen werde durch einen Bot generiert, gab Backes zu Bedenken. Dem entgegenzuwirken sei auch eine große europäische Aufgabe, sagte die Bundestagsabgeordnete Nadine Schön. Gemeinsam mit den Nationalstaaten müsse mit Blick auf Wahlbeeinflussung und Meinungsmache ein „wirkliches Aktionsprogramm, ein permanentes Monitoring“ aufgelegt werden. Die Geschwindigkeit, in der sich die Mechanismen ändern, sei wahnsinnig hoch.

Viele Falschinformationen würden mittlerweile durch Künstliche Intelligenz erstellt. Selbst für Experten sei das „Enttarnen“ solcher Meldungen sehr komplex, sagte Backes. „Angriffe im Netz, in der Tiefe zu verstehen, ist moderne Cybersicherheit.“ Trotzdem: Das Problem ließe sich nicht allein durch Forschung lösen, da es ein gesamtgesellschaftliches sei. Menschen seien offener für Populismus geworden und müssten wieder mehr sensibilisiert werden.

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