Auto Wenn das Auto Gas gibt, bremst und lenkt

Bexbach · Das selbstfahrende Auto kommt – Schritt für Schritt. Zu den führenden Köpfen in Sachen Auto- nomes Fahren gehört Professor Philipp Slusallek aus Kleinottweiler.

 Professor Philipp Slusallek entwickelt mit seinem Team am DFKI in Saarbrücken Software für autonom fahrende Autos.

Professor Philipp Slusallek entwickelt mit seinem Team am DFKI in Saarbrücken Software für autonom fahrende Autos.

Foto: DFKI/Bilderwerk/Uwe Bellhäuser

Noch steigt Philipp Slusallek morgens im beschaulichen Kleinottweiler in sein Auto und fährt selbst zu seinem Arbeitsplatz am DFKI (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz) in Saarbrücken. Doch das könnte sich in nicht allzu ferner Zukunft ändern. Denn der Informatik-Professor und sein Team gehören zu den führenden Köpfen in Sachen KI (Künstliche Intelligenz), und das „selbstfahrende Auto“, für das die Wissenschaftler die Software entwickeln, sorgt gerade landauf, landab für Schlagzeilen. Die Technologie könnte in einigen Jahren in Serie gehen. Dann würde Slusallek ins Auto steigen, das Fahrtziel nennen, und die KI, die ein komplexes System von der Spracherkennung über Karten, Navigationsgerät oder Radarsystemen steuert, würde ihn per Knopfdruck zu seinem Ziel bringen.

Die Idee eines selbstfahrenden Autos, die für den Laien doch noch ziemlich nach Science Fiction klingt, fasziniert Menschen auf der ganzen Welt – Wissenschaftler, Manager, Politiker – dermaßen, dass Slusallek derzeit nicht allzuoft dazu kommt, die Ruhe in seinem Bexbacher Heim und die idyllische Umgebung mit dem Wald gleich hinter dem Haus zu genießen. Denn der Informatiker reist zu Konferenzen, Vorträgen, Fachtagungen, um zu erklären, wie das funktionieren soll mit dem autonomen Fahren und was das eigentlich ist, „KI“, Künstliche Intelligenz?

„Im Grunde begegnet uns KI heute schon in vielen ganz alltäglichen Situationen“, sagt Philipp Slusallek: „Wenn wir zum Beispiel bei einem Callcenter oder einer Hotline anrufen, ist sehr oft eine KI zwischengeschaltet, die anhand der Stimme erkennt, ob der Anrufer zum Beispiel jung oder älter, verärgert oder ängstlich ist.“ Entsprechend werde dann zum Beispiel ein aufgebrachter Kunde an einen erfahrenen Mitarbeiter weitergeleitet und nicht gerade an den Auszubildenden.

Auch zahlreiche Facebook- und Twitter-Posts würden längst nicht mehr von Menschen verfasst, sondern von KI-Systemen, sogenannten Bots – was Unternehmen zum Beispiel rasches Antworten auf immer wieder auftauchende Kundenanfragen ermöglicht, aber eben auch dazu missbraucht werden kann, um Falschmeldungen zu streuen, wie die „russischen Bots“ im US-Wahlkampf.

Und was das Auto angeht, da sind diverse Assistenzsysteme wie Park-, Brems- und Spurhalteassistenten heute schon in den meisten hochwertigen Wagen Standard. Dass jetzt gerade das selbstfahrende Auto so eine riesige Resonanz auslöst, liegt wohl auch daran, dass viele Menschen die Vorstellung eines technischen Gerätes, das irgendwie selbsttätig agiert, im besten Fall abenteuerlich, im schlechtesten bedrohlich finden.

Derartige Skepsis ist Sluslallek natürlich nicht fremd: „Viele neigen dazu, die KI zu personifizieren, dann wird es schwierig.“ So wie bei „Sophia“, der Fall aus Saudi-Arabien, wo eine KI, sprich ein Roboter, tatsächlich die Staatsbürgerschaft verliehen bekam – „so was ist natürlich kompletter Unsinn“, erklärt Slusallek. „KI ist ein Werkzeug, wie es ein Hammer auch ist. Eine neue Technologie, die der Mensch einsetzt und für die er immer selbst verantwortlich bleiben muss.“

Die Argumente, die die Befürworter für Autonomes Fahren ins Feld führen, liegen auf der Hand: Kein Fahrer, der betrunken ins Auto steigt, der am Handy spielt, mit den Mitfahrern rumstreitet, sich sonstwie ablenken lässt oder wegen Übermüdung einschläft. Autonomes Fahren könnte zum Beispiel gerade auf langen Autobahnstrecken eingesetzt werden oder bei Lkw im Fernverkehr – „Autobahnfahrten sind derzeit schon vergleichsweise gut beherrschbar“, erklärt Slusallek, der in seinem aktuellen Forschungsprojekt zusammen mit Automobilherstellern, Zulieferern, dem TÜV und anderen Forschungspartnern an einer virtuellen Trainingsplattform für autonome Fahrzeuge arbeitet. Dieses Training soll sicherstellen, dass die KI-Systeme in allen denkbaren Situationen sicher und zuverlässig sind. Auf der Autobahn zum Beispiel sind die Regeln ziemlich klar: Alle fahren in eine Richtung, mit ziemlich derselben Geschwindigkeit. Spannend beziehungsweise schwierig wird es bei Abweichungen: Baustellen, Geisterfahrer, Hindernisse auf der Strecke.

Damit eine KI für alle Eventualitäten gerüstet ist und angemessen reagiert, muss sie von den Wissenschaftlern „trainiert“ werden — mit möglichst vielen und präzisen Daten über die reale Welt. Zum Beispiel, wie sich Fußgänger bewegen oder dass eine Landschaft bei Dämmerung anders aussieht als im Sonnenschein. Um Extremsituationen wie Blendung durch Fernlicht in der Kurve oder komplexe Situationen wie Fahrten im Stadtverkehr per KI zuverlässig zu meistern, sei noch einiges zu tun, das räumt auch Slusallek ein. Aber die Fortschritte gerade in den vergangenen Jahren seien enorm. Schachcomputer, die schon bald besser spielten als jeder Mensch, waren der Anfang. Vor wenigen Monaten habe eine KI das wesentlich komplexere chinesische Go-Spiel „gelernt“. Das Zauberwort heißt „Deep Learning“ – damit erwerben Computer, vereinfacht gesagt, die Fähigkeit, aus Beispielen zu lernen — und zwar direkt aus Bildern, Texten und Geräuschen. Dadurch ist das System zum Beispiel in der Lage, ein Stoppschild zu erkennen oder einen Fußgänger von einer Straßenlaterne zu unterscheiden. Hochleistungsrechner verkürzen die Lern- beziehungsweise Trainingszeit erheblich.

Und wenn das selbstfahrende Auto einen Unfall baut, wer ist dann schuld – der Fahrer oder die KI? Brauchen wir dann überhaupt noch einen Führerschein? Fallen durch autonome Fahrzeuge Arbeitsplätze weg? Entstehen dadurch vielleicht aber auch neue Jobs? „KI muss als Werkzeug zur Unterstützung von Menschen genutzt werden. Eine neue Technologie wirft immer auch Fragen auf, das war zu Zeiten der Industrialisierung nicht anders als jetzt – da müssen wir sehen, wie wir als Gesellschaft damit umgehen“, erklärt Slusallek, dem es wichtig ist, immer auch die ethischen und gesellschaftlichen Aspekte der Anwendung von KI zu berücksichtigen. Mit solchen Fragen befassen sich derzeit Institutionen wie die Akademie für Technikwissenschaften Acatech, in die Slusallek unlängst berufen wurde (siehe Info).

In Phoenix, Arizona, werden bereits autonom fahrende Taxis getestet – in einer „idealen“ Umgebung mit breiten Straßen, klaren Markierungen; dort herrscht fast immer schönes Wetter – und das Auto fährt recht langsam, wie Videos zeigen. Vielleicht ist ja auch irgendwann das Sammeltaxi von Kleinottweiler nach Homburg fahrerlos unterwegs und kann nach Bedarf per Knopfdruck angefordert werden . . . dann könnte der Professor auch mal so und per ÖPNV an die Uni gelangen, statt immer mit dem eigenen Wagen.

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