Ultratriathlet Tristan Vinzent Ein „normaler“ Ironman ist ihm zu wenig

Tristan Vinzent vom LAZ Saarbrücken ist Ultra-Triathlet. Zurzeit fühlt er sich aber wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Ultra-Triathlet Tristan Vinzent vom LAZ Saarbrücken vermisst seit Monaten das Schwimmtraining.

Ultra-Triathlet Tristan Vinzent vom LAZ Saarbrücken vermisst seit Monaten das Schwimmtraining.

Foto: Stephan F. F. Dinges

Als Fußball-Spieler wäre Tristan Vinzent in jungen Jahren fast beim 1. FC Saarbrücken gelandet. Heute ist der 58-Jährige vom LAZ Saarbrücken einer der bekanntesten Ultra-Triathleten Südwestdeutschlands. Ultra-Triathleten tragen Wettkämpfe über die mehrfache Ironman-Distanz aus. 3,862 Kilometer Schwimmen, 180,25 Kilometer Radfahren und 42,20 Kilometer Laufen – das ist ein einfacher Iroman.  Tristan Vinzent hat 2018 erstmals einen zehnfachen Ironman absolviert. Seine Bestzeit in dieser Königsdisziplin liegt bei 226 Stunden.

Herr Vinzent, wie geht es Ihnen beruflich in Corona-Zeiten?

TRISTAN VINZENT Hauptberuflich arbeite ich als Musiklehrer. Und ich unterrichte in selbständiger Tätigkeit auch privat und leite noch zwei Blasorchester. Lange durfte man aber weder proben noch Konzerte geben. Dies ist natürlich in gesellschaftlicher und finanzieller Hinsicht eine Katastrophe.

Sie pendeln zwischen Rheinhessen und dem Saarland hin und her?

VINZENT Ja, unter der Woche wohne ich beruflich bedingt in Wörrstadt. Meine Mutter ist Anfang des Jahres verstorben. Seitdem steht das Haus in Ormesheim leer. Aber ich bin so oft wie möglich da. Nach meiner Pensionierung, in fünf Jahren ist es spätestens so weit. Dann werde ich wieder komplett meinen Wohnsitz ins Saarland verlegen. Bereits in diesem Jahr melde ich hier meinen Erstwohnsitz an. Ich fühle mich auch absolut als Saarländer.

Sportlich gibt es momentan zwei Vereine bei Ihnen?

VINZENT Genau. Ich bin lange beim TuS Ormesheim Mitglied und in der Lauftreff-Gruppe aktiv. Seit vergangenen Jahr bin ich zusätzlich Mitglied beim LAZ Saarbrücken. Ich war zur Wahl „Sportler des Jahres“ eingeladen und konnte dort Kontakte zu dem Saarbrücker Verein knüpfen. Es soll ja nach Corona wieder einige Erfolge geben. Klar, ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste, aber immer noch in der Lage, etwas zu bringen.

Dabei sind Sie früher ein richtig guter Jugendfußballer beim TuS Ormesheim gewesen, oder?

VINZENT Ja, als gebürtiger Ormesheimer hatte ich es damals nicht weit zum Sportplatz. Es gab sogar Anfragen vom 1. FC Saarbrücken. Ich verfolge noch die Spiele des FCS. Ich war 1976 beim legendären 6:1-Sieg des 1. FC Saarbrücken gegen den FC Bayern München sogar im Stadion mit dabei. Natürlich spielt der Fußball mittlerweile nur noch eine Nebenrolle, ist aber immer noch interessant. Ich schaue auch zuweilen bei den Ormesheimer Fußballern vorbei.

Doch dann kam der Triathlon-
sport. Wie fing alles an?

VINZENT Triathlon gibt es in meinem Leben seit 1999. Nach zehn Jahren nur Laufen und Marathon wollte ich neue Erfahrungen sammeln. Ich hatte auch gemerkt, dass nur Laufen extrem auf die Gelenke geht. Ein Arzt hatte mir damals empfohlen, aufgrund von Knieproblemen auf längere Distanzen mit gleichmäßigerer Belastung umzusteigen. So bin ich schließlich zum Ultra-Triathlon gekommen. Den Anfang gab es 2010 in Virginia in den USA. Ich wurde auf Anhieb Erster. Das war natürlich der Anreiz, dabeizubleiben. Ich halte immer noch den deutschen Rekord über die fünffache Ironman-Nonstop-Distanz. Das hat sich bis zum Zehnfachen Ironman immer weiterentwickelt, den habe ich mittlerweile viermal absolviert. Zweimal gab es den „Continuos“ – alle Distanzen am Stück. Außerdem gab es auch die leichtere Variante mit zehn Mal eins – da absolvierst du jeden Tag einen Ironman. Zunächst 3,8 Kilometer Schwimmen, dann 180 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Marathon. Da gehst du abends normal schlafen. Und dies spielt sich so zehnmal in Serie ab. Beim zehn Mal eins steht meine Bestzeit bei 145 Stunden – das war Mexiko 2015. Beim fünffachen Ironman am Stück gibt es 19 Kilometer Schwimmen, 900 Kilometer Radfahren und zum Schluss 211 Kilometer Laufen. Jede Disziplin wird nacheinander absolviert. Wie lange du dich zwischendrin ausruhst, bleibt jedem Athleten selbst überlassen. Die Zeit läuft weiter. Ich habe mich immer zwischenzeitlich für 30 bis 45 Minuten hingelegt und dann vom Betreuer wecken lassen. Beim fünffachen Ironman 2016 in Mexiko war es so, dass ich insgesamt fünf Mal 35 bis 40 Minuten geschlafen habe. Die Gesamtzeit, also mit dem Ausruhen, war 88 Stunden.

Jetzt haben wir über die fünffache Distanz „Continous“ gesprochen. Doch die wurde ja beim zehnfachen Ultra-Triathlon noch einmal verdoppelt!

VINZENT Das ist unsere absolute Königsdisziplin. 2018 war es in New Orleans soweit. Alles fängt mit 38 Kilometern Schwimmen an. Ich bin durchgeschwommen, direkt ohne Schlaf aufs Rad und auch die erste Nacht durchgefahren. Wir absolvieren dabei auf dem Rad 1800 Kilometer, wofür ich mit Ausruhen vier Tage benötigt habe. Im Durchschnitt gibt es pro 24 Stunden Wettkampf drei bis vier Stunden Pause. Insgesamt liegt meine Bestzeit einschließlich Pausen bei ungefähr 226 Stunden, das war 2019 im mexikanischen León. Da wurde ich Zweiter, was gleichbedeutend mit meinem bisher größten Erfolg ist. Aber leider war es auch gleichzeitig mein letzter Wettkampf – denn dann kam Corona.

Wie kann man in Ihrer Sportart zu Corona-Zeiten trainieren?

VINZENT Radfahren und Laufen kannst du ja weiterhin problemlos alleine trainieren. Doch es fehlt das Schwimmen. Der Körper verändert sich brutal. Beruflich als Dirigent ging alles nur noch online, wo du dann plötzlich sitzt statt stehst. Plötzlich habe ich wieder mein Kreuz gespürt, das gab es zuvor über 25 Jahre nicht mehr. Die damaligen Kreuzbeschwerden waren mit ein Grund, mit dem Schwimmen anzufangen. Ich habe als Ersatz fürs Schwimmen beim Laufen Gymnastik-Übungen eingebaut. Letztes Jahr gab es ja dann im Sommer zumindest kurz die Gelegenheit, schwimmen zu gehen. Seit Ende Oktober habe ich kein Becken mehr gesehen. Das Schwimmen fehlt mir so brutal. Sobald es die Temperaturen zulassen, suche ich auch wieder Freigewässer auf. Momentan gibt es da Temperaturen von zwölf, 13 Grad – da hältst du es sogar komplett mit Neopren eingekleidet nicht länger als zehn Minuten aus. Dann kühlt der Körper so aus, dass kein vernünftiges Training mehr möglich ist. Ich komme auch nicht in einem Leistungszentrum an ein Schwimmbecken heran. Das geht nur für Profis. Ich bin ja nur ein Amateur, also betrifft es mich nicht, was total frustrierend ist. Ich habe sogar Sportminister Klaus Bouillon angeschrieben, aber keine Antwort erhalten.

Für Sie wäre es ideal, zu Hause eine kleine Schwimmbahn bauen zu lassen, oder? Schließlich kann man Sie getrost als Leistungssportler im Amateurbereich beschreiben.

VINZENT Ja, da muss ich lachen. Mir würde bereits eine 25-Meter-Bahn reichen. Aber natürlich kann das keiner meiner Sponsoren bezahlen. Ich habe mich dieses Jahr bei denen bezüglich einer Unterstützung noch gar nicht getraut, anzufragen. Schließlich ist ja alles an Wettkämpfen ausgefallen. Jetzt soll aber Ende August in Österreich ein Double stattfinden, für den ich mich angemeldet habe. Das soll wieder mein Einstieg in Wettkämpfe sein. Ich bin auch zum ersten Mal gegen Corona geimpft. Wer bis dahin nicht doppelt geimpft ist, bekommt Probleme. Von daher werde ich auch jetzt meine Sponsoren anschreiben, ob sie mich weiterhin unterstützen können. Ohne Sponsoren würde bei mir gar nichts gehen. Startgebühren und Flugkosten zum Beispiel. Ich will nach einem Corona-Re-Start wieder alles dafür geben, weltweit vordere Platzierungen ins Saarland zu holen. Ich denke, dass es nächstes Jahr wieder halbwegs normal weitergehen sollte. Mein Trainingspensum besteht aus sechs Einheiten pro Woche. Einmal wöchentlich lege ich einen Ruhetag ein. Momentan fahre ich auch Mountainbike statt nur mit dem Rennrad.

 Tristan Vinzent fiebert dem Wettkampf-Re-Start entgegen.

Tristan Vinzent fiebert dem Wettkampf-Re-Start entgegen.

Foto: Stefan Holzhauser
Gesunde Ernährung ist wichtig für Leistungssportler. Tristan Vinzent kauft unter anderem

Gesunde Ernährung ist wichtig für Leistungssportler. Tristan Vinzent kauft unter anderem

Foto: Stefan Holzhauser

Gönnen Sie sich angesichts dieses hohen Trainingspensums auch einmal etwas – wie beispielsweise Alkohol?

VINZENT Ich gönne mir auch mal ein Gläschen Wein oder auch mal ein Weizenbier, aber alles in Maßen. Die Getränke- und Essenzufuhr muss einfach dem Körper förderlich sein. Ich war gerade auf dem Markt in St. Ingbert frische, regionale Produkte einkaufen, gutes Obst und Kartoffeln. Ich setze auch auf Bio-Frischmärkte. Auch in Rheinhessen kaufe ich so ein. Auf einem Bio-Hof zum Beispiel – jetzt gibt es Spargel. Da fahre ich dann vor der Arbeit morgens die insgesamt 50 Kilometer auf dem Rad hin und wieder zurück und kann dabei noch etwas trainieren. In der kälteren Jahreszeit gibt es Sauerkraut. Über das Jahr gesehen habe ich meinen festen Ernährungsplan. Ich esse wenig tierisches Eiweiß, wenig Fleisch, Wurst und Käse. Ein bis zweimal im Jahr gibt es auch ein gutes Rindersteak. Im Ausland, bei den Wettkämpfen, habe ich auch gute Adressen für gute regionale Produkte. In der Regel nehmen wir das Getreide aber von zu Hause mit. Alles andere an Nahrung bekommen wir dann vor Ort.

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