Ultratriathlet Tristan Vinzent „Das Schwimmen fehlt mir so brutal“

Tristan Vinzent aus Ormesheim ist Ultratriathlet. Zurzeit fühlt er sich aber wie ein Fisch auf dem Trockenen.

 Ultratriathlet Tristan Vinzent vermisst seit Monaten das Schwimmtraining.

Ultratriathlet Tristan Vinzent vermisst seit Monaten das Schwimmtraining.

Foto: Stephan F. F. Dinges

Tristan Vinzent ist einer der bekanntesten Ultratriathleten Südwestdeutschlands. Der Ultratriathlon hat sich im Laufe der Jahre als eine eigene Triathlon-Disziplin etabliert. Dabei werden Wettkämpfe über die mehrfache Ironman-Distanz ausgetragen.

Herr Vinzent, bitte stellen Sie sich einmal kurz unseren Lesern vor.

TRISTAN VINZENT: Gerne. Ich werde im September 58 Jahre alt. Hauptberuflich arbeite ich als Musiklehrer. Ich unterrichte in selbstständiger Tätigkeit auch privat und leite noch zwei Blasorchester. Momentan darf man aber weder proben noch Konzerte geben. Dies ist natürlich in gesellschaftlicher und finanzieller Hinsicht eine Katastrophe.

Momentan pendeln Sie unter der Woche und am Wochenende zwischen Rheinhessen und dem Saarland hin und her?

VINZENT: Ja, unter der Woche wohne ich beruflich bedingt in Wörrstadt. Meine Mutter ist Anfang des Jahres verstorben. Seitdem steht das Haus in Ormesheim erst einmal etwas leer. Aber ich bin so oft wie möglich da – in den anstehenden Pfingstferien sogar komplett. Nach meiner Pensionierung, in fünf Jahren ist es spätestens so weit, werde ich auch wieder komplett meinen Wohnsitz ins Saarland verlegen. Bereits in diesem Jahr melde ich hier meinen Erstwohnsitz an. Ich fühle mich auch absolut als Saarländer.

Sportlich gibt es momentan zwei Vereine bei Ihnen?

VINZENT: Genau. Ich bin lange beim TuS Ormesheim Mitglied und auch dort in der Lauftreff-Gruppe aktiv. Seit vergangenem Jahr bin ich zusätzlich noch Mitglied beim LAZ Saarbrücken. Ich war zur Wahl „Sportler des Jahres“ eingeladen und konnte dort Kontakte zu diesem Verein knüpfen. Es soll ja nach Corona noch einige Erfolge geben. Klar, ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste, aber immer noch in der Lage, etwas zu bringen.

Und dabei waren Sie früher zunächst ein richtig guter Jugendfußballer beim TuS Ormesheim gewesen, oder?

VINZENT: Ja, als gebürtiger Ormesheimer hatte ich es bereits damals nicht weit zum Sportplatz. Es gab sogar Anfragen vom 1. FC Saarbrücken. Ich verfolge immer noch die Spiele des 1. FCS. Ich war auch 1976 beim legendären 6-1-Sieg von Saarbrücken gegen den FC Bayern München live im Stadion mit dabei. Natürlich spielt der Fußball mittlerweile nur noch eine Nebenrolle, ist aber immer noch interessant. Und ich schaue auch zuweilen bei den Ormesheimer Fußballern vorbei.

Doch dann kam der Triathlon-
sport. Wie fing alles an?

VINZENT: Triathlon gibt es in meinem Leben seit 1999. Nach zehn Jahren nur Laufen und Marathon wollte ich neue Erfahrungen sammeln. Ich hatte aber auch gemerkt, dass nur Laufen extrem auf die Gelenke geht. Ein Arzt hatte mir damals empfohlen, aufgrund von Knieproblemen auf längere Distanzen mit gleichmäßigerer Belastung umzusteigen. So bin ich schließlich zum Ultratriathlon gekommen. Den Anfang gab es 2010 in Virginia im Südosten der USA. Ich wurde auf Anhieb Erster. Das war natürlich der Anreiz, dabeizubleiben. Ich halte immer noch den deutschen Rekord über die fünffache Ironman-Nonstopdistanz. Das hat sich bis zum Zehnfachen immer weiterentwickelt, den habe ich mittlerweile vier Mal absolviert. Zwei Mal gab es den „Continuos“ – alle Distanzen am Stück. Außerdem gab es auch die leichtere Variante mit zehn Mal eins - da absolvierst du jeden Tag einen Ironman. Zunächst 3,8 Kilometer Schwimmen, dann 180 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Marathon. Da gehst du abends normal schlafen. Und dies spielt sich so zehn Mal in Serie ab. Beim zehn Mal eins steht meine Bestzeit bei 145 Stunden – das war Mexiko 2015. Beim fünffachen Ironman am Stück gibt es 19 Kilometer Schwimmen, 900 Kilometer Radfahren und zum Schluss 211 Kilometer Laufen. Jede Disziplin wird nacheinander absolviert. Wie lange du dich zwischendrin ausruhst, die Zeit läuft ja bei dieser Variante weiter, bleibt jedem Athleten selbst überlassen. Ich habe mich immer zwischenzeitlich für 30 bis 45 Minuten hingelegt und dann vom Betreuer wecken gelassen. Beim fünffachen 2016 in Mexiko war es so, dass ich insgesamt fünf Mal 35 bis 40 Minuten geschlafen habe. Die Gesamtzeit, also mit dem Ausruhen, war 88 Stunden.

Jetzt haben wir über den fünffachen Distanz Continous gesprochen. Doch dies wurde ja beim zehnfachen Ultratriathlon auch noch einmal verdoppelt!

VINZENT: Das ist unsere absolute Königsdisziplin. 2018 war es dann in New Orleans soweit. Alles fängt mit 38 Kilometern Schwimmen an. Ich bin durchgeschwommen, direkt ohne Schlaf aufs Rad und auch die erste Nacht durchgefahren. Wir absolvieren dabei auf dem Rad 1800 Kilometer, wofür ich mit Ausruhen vier Tage benötigt habe. Im Durchschnitt gibt es pro 24 Stunden Wettkampf drei bis vier Stunden Pause. Insgesamt liegt meine Bestzeit einschließlich Pausen bei ungefähr 226 Stunden, das war 2019 im mexikanischen León. Damals wurde ich Zweiter, was gleichbedeutend mit meinem bisher größten Erfolg ist. Aber leider war es auch gleichzeitig mein letzter Wettkampf - denn dann kam Corona.

Wie kann man in Ihrer Sportart zu Corona-Zeiten trainieren?

VINZENT: Radfahren und Laufen kannst du ja weiterhin problemlos alleine trainieren. Doch es fehlt das Schwimmen. Der Körper verändert sich brutal. Beruflich als Dirigent ging alles nur noch online, wo du dann plötzlich sitzt statt stehst. Plötzlich habe ich wieder mein Kreuz gespürt, das gab es zuvor über 25 Jahre nicht mehr. Die damaligen Kreuzbeschwerden waren mit ein Grund, mit dem Schwimmen anzufangen. Ich habe dann beim Laufen, Schwimmen ging ja nicht, Gymnastikübungen eingebaut. Letztes Jahr gab es ja dann im Sommer zumindest kurz die Gelegenheit, schwimmen zu gehen. Seit Ende Oktober habe ich kein Becken mehr gesehen. Das Schwimmen fehlt mir so brutal. Sobald es die Temperaturen zulassen, suche ich natürlich auch wieder Freigewässer auf. Momentan gibt es da Temperaturen von zwölf, 13 Grad – da hältst du es sogar komplett mit Neopren eingekleidet nicht länger als zehn Minuten aus. Dann kühlt der Körper so aus, dass kein vernünftiges Training mehr möglich ist. Ich komme auch nicht in einem Leistungszentrum an ein Schwimmbecken heran. Das geht nur für Profis. Ich bin ja nur ein Amateur, also betrifft es mich nicht, was total frustrierend ist. Ich habe sogar den saarländischen Sportminister Klaus Bouillon angeschrieben, aber keine Antwort erhalten.

Für Sie wäre es ideal, zu Hause eine kleine Schwimmbahn bauen zu lassen, oder? Schließlich kann man Sie getrost als Leistungssportler im Amateurbereich beschreiben.

VINZENT: Ja, da muss ich lachen. Mir würde bereits eine 25-Meter-Bahn reichen. Aber natürlich kann das keiner meiner Sponsoren bezahlen. Ich habe mich dieses Jahr bei denen bezüglich einer Unterstützung noch gar nicht getraut, anzufragen. Schließlich ist ja alles an Wettkämpfen ausgefallen. Jetzt soll aber Ende August in Österreich ein Double stattfinden, für den ich mich angemeldet habe. Das soll wieder mein Einstieg in Wettkämpfe sein. Ich bin auch zum ersten Mal gegen Corona geimpft. Wer bis dahin nicht doppelt geimpft ist, bekommt Probleme. Von daher werde ich auch jetzt meine Sponsoren anschreiben, ob sie mich weiterhin unterstützen können. Ohne Sponsoren würde bei mir gar nichts gehen. Startgebühren und Flugkosten zum Beispiel. Von meinem eigenen Gehalt kann ich das nicht stemmen. Es wäre toll, wenn mir die bisherigen Sponsoren weiterhin zur Seite stehen und gleichzeitig noch neue hinzukämen. Schließlich will ich ja nach einem Corona-Re-Start wieder alles dafür geben, weltweit vordere Platzierungen ins Saarland zu holen. Ich denke, dass es nächstes Jahr wieder halbwegs normal weitergehen sollte. Mein Trainingspensum besteht aus sechs Einheiten pro Woche. Einmal wöchentlich lege ich einen Ruhetag ein. Momentan fahre ich auch Mountainbike statt nur mit dem Rennrad.

 Tristan Vinzent fiebert dem Wettkampf-Re-Start entgegen.

Tristan Vinzent fiebert dem Wettkampf-Re-Start entgegen.

Foto: Stefan Holzhauser
 Gesunde Ernährung ist wichtig für Leistungssportler. Tristan Vinzent kauft unter anderem auf dem Markt in St. Ingbert regionale, frische Produkte ein.

Gesunde Ernährung ist wichtig für Leistungssportler. Tristan Vinzent kauft unter anderem auf dem Markt in St. Ingbert regionale, frische Produkte ein.

Foto: Stefan Holzhauser

Gönnen Sie sich angesichts dieses hohen Trainingspensums auch einmal etwas - wie beispielsweise Alkohol?

VINZENT: Ich gönne mir auch mal ein Gläschen Wein oder auch mal ein Weizenbier, aber alles in Maßen. Die Getränke- und Essenzufuhr muss einfach dem Körper förderlich sein. Ich war gerade hier auf dem Markt in St. Ingbert frische, regionale Produkte einkaufen, gutes Obst und Kartoffeln. Ich setze auch auf Bio-Frischmärkte. Auch in Rheinhessen kaufe ich so ein. Auf einem Bio-Hof zum Beispiel - jetzt gibt es Spargel. Da fahre ich dann vor der Arbeit morgens die insgesamt 50 Kilometer auf dem Rad hin und zurück und kann noch etwas trainieren. In der kälteren Jahreszeit gibt es Sauerkraut. Über das Jahr gesehen habe ich meinen festen Ernährungsplan. Ich esse weniges tierisches Eiweiß, wenig Fleisch, Wurst und Käse. Ein bis zwei Mal im Jahr gibt es auch ein gutes Rindersteak. Im Ausland, bei den Wettkämpfen, habe ich auch gute Adressen für gute regionale Produkte. In der Regel nehmen wir das Getreide von zu Hause mit. Alles andere an Nahrung bekommen wir vor Ort.

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