Tanzkurs Im Walzertakt in die Welt des Hörens

Homburg · „Tanzen für Hörgeschädigte“ heißt der Kurs, den die Tanzschule Srutek anbietet, ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Cochlear-Implant Centrum am Uniklinikum in Homburg. Aber wie kann man tanzen, wenn man doch die Musik nicht gut hört?

 Tanzlehrerin Sabine Hirschinger-Dernbach und Assistent Fabian Kittel (links) zeigen, wie’s geht.

Tanzlehrerin Sabine Hirschinger-Dernbach und Assistent Fabian Kittel (links) zeigen, wie’s geht.

„Que sera, sera, whatever will be, will be“, klingt es durch den Saal, während sich die Paare im Dreiviertel-Takt wiegen. Auf den ersten Blick ein ganz normaler Tanzkurs, erst als die Musik endet, und Tanzlehrerin Sabine Hirschinger-Dernbach den nächsten Tanz, einen Discofox, ankündigt, wird klar, dass etwas anders ist. Sie spricht sehr langsam, fast überdeutlich – und nicht in das obligatorische Mikrofon, sondern ein kleines Sendegerät. Die Kursteilnehmer tragen den Empfänger dazu, eine sogenannte Ringschleife um den Hals, die die Impulse – Musik und Sprache – direkt an ihr Hörgerät überträgt. Die technische Ausrüstung hat Alexander Mechler mitgebracht, Hörakustikmeister bei Hörgeräte Ritter in Homburg.

„Es ist natürlich schon eine Umstellung im Vergleich zu den anderen Kursen“, erklärt Tanzlehrerin Sabine Hirschinger-Dernbach, die auch ausgebildete Seniorenfit-Trainerin ist, „weil man langsamer und deutlicher reden muss, und darauf achten muss, dass die Musik aus ist, wenn man etwas erklärt“, sagt sie. Getanzt wird Blues, Langsamer Walzer, Wiener Walzer, Discofox und Merengue, „generell klappt bei Stücken, die rhythmusbetont sind, und mehr Bass haben, das Tanzen besser“, hat sie beobachtet.

„Seichte Melodien, da kommt bei mir nur Einheitsbrei an“, bestätigt Kursteilnehmerin Sigrid Böhler aus Zweibrücken. „Sie macht das gut“, verteilt Böhler ein Kompliment an die Kursleiterin und fügt verschmitzt an „am Anfang hat sie  fast zu langsam gesprochen, da kam man sich so hörbehindert vor“, was für Gelächter unter den anderen Kursteilnehmern sorgt. Die Stimmung in der Gruppe ist gut, es wird gelacht, die Schritte und Drehungen klappen – und ein wenig Aufregung liegt in der Luft vor dem Auftritt beim Hörtag am Uniklinikum, der an diesem Freitag im CIC (Cochlea Implant Centrum) stattfindet.

„Es geht bei diesem Kurs hier auch um die soziale Komponente“, erklärt Heike Rothe, Leiterin des CIC. „Denn Menschen, die nicht gut hören, geraten oft auch in soziale Isolation. Sie meiden oft Veranstaltungen, Familienfeiern und soziale Kontakte, aus Angst, nicht zu verstehen und deswegen falsche Antworten zu geben“, weiß sie aus ihrem Berufsalltag.

Die technische Versorgung über das Cochlear-Implantat gibt Hörgeschädigten die Möglichkeit, wieder zu hören – „nicht 100 Prozent, aber doch so, dass man im Alltag gut klarkommt, das ist das entscheidende Kriterium“, wie Britta Sielemann, Therapeutin am CIC, erklärt. Auch wenn das Klangbild im Vergleich zum natürlichen Hören verändert ist. Das Gerät ist in der Hauptsache auf das Verstehen von Sprache ausgelegt, Musik erkennen ist schwieriger, aber mit Übung möglich. „Es klingt zunächst schon sehr ungewohnt, eher blechern, elektronisch, hohe und tiefe Frequenzen sind teils abgeschnitten“, beschreibt es Sylwia Swiston, Engagement Specialist bei Cochlear Deutschland, die selbst zwei Cochlea-Implantate (CI) trägt. Mit dem CI Geräusche wahrzunehmen und einzuordnen, zum Beispiel Alltagsgeräusche, Tierstimmen oder Musikinstrumente, sei ein Lernprozess: „Wir hören mit dem Gehirn“, sagt sie.

Die Technik ermöglicht aber auch wieder mehr gesellschaftliche Teilhabe, durch die Hörschädigung, im Extremfall Taubheit, verloren gegangene Räume zurück zu erobern, sich zu unterhalten, zu telefonieren, Musik zu hören. Im Tanzkurs haben die Teilnehmer die Möglichkeit, in anderem Umfeld etwas auszuprobieren, sich etwas zuzutrauen, und damit ein Stück Selbstbestimmung und Lebensqualität wieder zu gewinnen. Und es macht einfach Freude. Einige Kursteilnehmer nehmen weite Wege auf sich für die Tanzstunden. Der Kurs sei „ein Experiment“ gewesen, sagt Heike Rothe, jetzt, nach sechs Stunden, könne man sagen, „ein Erfolg. Einige Teilnehmer haben freudestrahlend erzählt, sie hätten seit 30 Jahren nicht mehr Walzer getanzt, jetzt können sie das wieder“, berichtet sie. Umso dankbarer sei sie deswegen den Inhabern der Tanzschule Srutek, Michal und Mirjam, bei denen sie mit ihrer Idee sofort auf offene Ohren gestoßen sei. Dass der Kurs wegen der guten Resonanz von allen Seiten wiederholt werden soll, ist schon beschlossene Sache.

 Sylwia Swiston trägt ein Cochlea-Implantat.

Sylwia Swiston trägt ein Cochlea-Implantat.

Auch wenn der Termin für den nächsten Kurs noch nicht feststeht, können sich Interessierte informieren beim CIC, Heike Rothe, Tel. (0 68 41) 16-2 73 82. Oder beim „Hörtag“ am Uniklinikum, diesen Freitag, 21. September, 14 Uhr, im Hörsaal der HNO-Klinik, Gebäude 6.

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