Tradition zu Weihnachten „Dann back’ mer uns a Butterstoll’n“

Homburg · 26 Stollensorten an einem Vormittag zu verkosten – das ist schon eine Herausforderung: zu Besuch bei der Stollenprüfung der Bäckerinnung Saarland. Und ein kleiner Blick in die Geschichte eines köstlichen Stücks Weihnachtskult.

 Um den Teig für Weihnachtsstollenzu kneten, braucht es auch Kraft und Ausdauer.

Um den Teig für Weihnachtsstollenzu kneten, braucht es auch Kraft und Ausdauer.

Foto: dpa/Jens Büttner

„Dann back‘ mer uns a Butterstoll‘n, so lang wie die Ofenbank, und wenn wir den gegessen ham, dann sin mer alle krank“ – so heißt es scherzhaft im „Heiligobndlied“ aus dem Erzgebirge – es gibt über 150 Strophen des Liedes. Mindestens ebensoviele Varianten gibt es wohl von dem besungenen Stollen. Durch immerhin 26 Stollensorten probierte sich am Mittwochmorgen, passenderweise rund vier Wochen vor Weihnachten, Karl-Ernst Schmalz, Qualitätsprüfer des Deutschen Brotinstitutes, bei der „Stollenprüfung“ im Ausstellungsraum der Bäko Saarpfalz in Homburg. Die Bäckerinnung des Saarlandes hatte ihre Innungsbetriebe dazu eingeladen, neun Betriebe machten mit und reichten insgesamt 26 Stollen zum Begutachten ein.

Die wurden fachmännisch angeschnitten, und dann auf Geruch und Geschmack getestet, aber auch auf Form und Aussehen, Oberfläche und Kruste, Lockerung und Krumenbild, Struktur und Elastizität.

Grundlage des Stollens ist ein Hefeteig, der hauptsächlich aus Butter, Milch, Mehl, Ei, Gewürzen und „Einlagen“ wie Zitronat, Orangeat, Rosinen oder Mandeln besteht. Aber der Kreativität der Bäcker sind keine Grenzen gesetzt, inzwischen finden auch Marzipan, Cranberrys oder Mohn ihren Weg in die Rührschüssel. Über 300 verschiedene Stollensorten gebe es inzwischen in Deutschland, so Schmalz – der berühmte Dresdner Stollen ist sogar per Patent und als Marke geschützt. Dort gibt es sogar extra Stollenmesser und Stollenbretter für das Backwerk zu erwerben.

Gehaltvoll ist so ein Stollen schon, gerade der hohe Butteranteil macht ihn jedoch so besonders lecker, schließlich ist Fett auch ein wichtiger Geschmacksträger. Mindestens 30 Prozent Fett, gerechnet auf die Mehlmenge, muss ein Stollen enthalten, Butterstollen 40 Prozent, erklärt Karl-Ernst Schmalz, und 60 Prozent Früchte. Für Varianten wie Mandel-, Marzipan-, Mohn-, Nuss- und Quarkstollen gelten eigene Vorgaben.

Karl-Ernst Schmalz beim Geschmackstest

Karl-Ernst Schmalz beim Geschmackstest

Foto: Jennifer Klein
Auch der Geruch des Backwerks ist wichtig: Karl-Ernst Schmalz, Qualitätsprüfer des Deutschen Brotinstitutes, bei der Stollenprüfung in Homburg

Auch der Geruch des Backwerks ist wichtig: Karl-Ernst Schmalz, Qualitätsprüfer des Deutschen Brotinstitutes, bei der Stollenprüfung in Homburg

Foto: Jennifer Klein

Angesichts solch üppigen Backwerks geht es uns heute besser als den Stollenessern im Mittelalter: Denn der Stollen damals war eher ein Fastengebäck, das aus Mehl, Hefe und Wasser bestand, Hafer und Rüböl, gemäß den strengen Fastenregeln der katholischen Kirche. Dass der Stollen des besseren Geschmacks wegen mit Butter gebacken werden durfte, ist einem Erlass von Papst Innozenz VIII. zu verdanken, dem sogenannten „Butterbrief“ von 1491: Auf Bitten des Kurfürst Ernst von Sachsen (1441–1486) und seines Bruders, Albrecht der Beherzte (1443–1500) erlaubte der Papst schließlich die Verwendung von Butter – vermutlich gegen die Zahlung einer Spende an die Kirche. 

Gleich geblieben ist jedoch die Handarbeit und Handwerkskunst der Bäcker, die im Stollen drinsteckt. Einfacher Grundsatz: je hochwertiger die Zutaten, umso leckerer das Endergebnis. Die Zubereitung von Stollen ist recht (zeit-)aufwendig: Die Rosinen werden in Rum eingeweicht und müssen durchziehen, damit sie besonders saftig sind, der schwere Stollenteig muss kräftig geknetet werden, er braucht Ruhepausen zum Gehen, darf nicht zu stramm backen, der Stollen wird in Butter getaucht oder bepinselt und erhält eine dicke Puderzuckerschicht – die charakteristische Fett-Zucker-Kruste sorgt auch dafür, dass der Stollen lange haltbar ist. Besonders gut schmeckt Stollen, wenn er mindestens 14 Tage durchgezogen ist – wenn es ihm denn vergönnt ist, so lange zu ruhen, und er nicht vorher gegessen wird. 

Als „Gebildebrot“ – Gebäcke, die eine symbolische Form oder Figur darstellen- soll der Stollen mit seiner charakteristischen weißen Kruste der Legende nach an das in weiße Tücher gewickelte Jesuskind erinnern.

Meistens wird der Stollenlaib frei geformt; man kann aber auch eine Form verwenden, „dann kann der Teig weicher und saftiger sein, ohne dass der Stollen ausläuft“, ist die Erfahrung von Reinhard und Albrecht Ackermann von der gleichnamigen Bäckerei in Bliesmengen-Bolchen.

Die Bäckerei Ackermann hat dieses Jahr mit dem „Saarland-Stollen“ einen Stollen in Form des Bundeslandes beigesteuert. Gebacken wurde er in einer speziellen Form, die extra angefertigt wurde – ein Verwandter der Familie stammt aus Sachsen und fertigt Stollenformen, in Handarbeit. Mit einem Stempel wird der Teig in die Form gedrückt, damit er sich gleichmäßig verteilt – nicht, dass am Ende ein Teil des kleinsten deutschen Bundeslandes fehlt. „Perl-Nennig ist vielleicht ein bisschen größer, als es dem Maßstab nach sein müsste“, scherzt Reinhard Ackermann, „aber sonst wäre es beim Backen zu hart geworden.“

Tester Karl-Ernst Schmalz erfrischte bei der mehrstündigen Prüfung zwischendurch die Geschmacksknospen immer wieder mal mit Wasser und schwarzem Tee – 26 reichhaltige Stollensorten an einem Vormittag sind schon eine Herausforderung. Sehen lassen kann sich das Ergebnis: Sieben Mal „sehr gut“, zwei Mal „gut“ vergab er – die Stollen überzeugten durchweg. „Mit einem solch guten Ergebnis habe ich selbst nicht gerechnet“, erklärte Schmalz.

In Reih’ und Glied lagen die Stollen bereit zur Begutachtung.

In Reih’ und Glied lagen die Stollen bereit zur Begutachtung.

Foto: Jennifer Klein

Die Bäcker bekommen nun ein Zertifikat, auf denen ihnen, die geprüfte Qualität ihres Stollens bescheinigt wird. Ein Gütesiegel für Handwerkskunst im Bäckerhandwerk. Dass man mit den Kampfpreisen von Industriebackwaren in den großen Discountern nicht mithalten könne, sei klar, erklärt Sabine Hensler, Geschäftsführerin der Bäckerinnung Saarland. Handgemachter Stollen kostet ein paar Euro mehr – wer sich selbst in der Küche daran versucht hat, bekommt eine Ahnung, warum. „Hochwertige Zutaten, viel Arbeit - Qualität hat eben ihren Preis. Aber das schmeckt man auch.“

Stollenprüfung der Bäckerinnung Saarland bei der Bäko Homburg
Foto: Jennifer Klein

Also ran an den Stollen, ob klassisch mit Rosinen, oder mit Marzipan, Kirschen, Nüssen oder Cranberrys – es gibt viel zu probieren.

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