Industriegeschichte Zurück zum „Schwarzen Eck der Pfalz“

St. Ingbert · Hans-Werner Krick bietet eine Führung zu Stätten der St. Ingberter Industriegeschichte an.

 Die St. Ingberter Becker-Brauerei mit dem Beckerturm, eine Aufnahme vor dem Jahr 1926 aus der Sammlung Hans Lauer.

Die St. Ingberter Becker-Brauerei mit dem Beckerturm, eine Aufnahme vor dem Jahr 1926 aus der Sammlung Hans Lauer.

Foto: Krick

Hans-Werner Krick, ausgewiesener Kenner der St. Ingberter Stadt-, Arbeits- und Sozialgeschichte, nimmt Geschichtsinteressierte am Samstag, 7. April, ab 14.30 Uhr mit auf eine Zeitreise durch das St. Ingbert des 19. Jahrhunderts. Als die St. Ingberter noch Pfälzer waren und zum Königreich Bayern gehörten, da brummte in der Stadt das pralle Leben und der Konjunkturmotor schnurrte, dass es eine wahre Freude war. Allerorten wurde gebaut, entstanden neue Geschäfte, Bureaus, Werkstätten und Fabriken. Arbeitskräfte wurden ständig gesucht, und insbesondere in den großen Werken konnte man ganzjährig gutes Geld verdienen.

Die Schornsteine rauchten und machten St. Ingbert zum „schwarzen Eck der Pfalz“. Zum Schichtwechsel strebten hunderte von Arbeitern von und zum Bahnhof, nicht ohne sich zuvor in den nahe gelegenen Wirtschaften vor der Heimfahrt noch rasch Staub und Ruß aus der Kehle zu spülen. Dreierreihen vor der Theke gehörten zum täglichen Erscheinungsbild und nicht selten hatte am Zahltag in der einen oder anderen Familie „die Katz einen Ring Lyoner um den Hals“ hängen.

Mit dem industriellen Aufschwung mauserte sich St. Ingbert zu einer bekannten Adresse mit einer städtischen Infrastruktur, wie man sie hier zuvor nicht gekannt hatte. Ein Post- und Telegrafenamt wurde gebaut, ein Bezirksamt kam in die Stadt, neue Schulen, sogar ein Gymnasium. Die Bahnverbindungen wurden optimiert, ein neues Bahnhofsgebäude gebaut. Ärzte ließen sich nieder, Apotheken und Krankenhäuser wurden eröffnet. Viele Fach- und Lebensmittelgeschäfte befriedigten die Konsumbedürfnisse der stetig wachsenden Stadtbevölkerung. Eine Fahrt in die Nachbarstädte Saarbrücken oder Neunkirchen erübrigte sich.

Zu Hause in St. Ingbert bekam man alles, was man brauchte. Was die Stadt nicht bieten konnte, das brachten die Bauern aus der Umgebung mit ihren Fuhrwerken, die zweimal in der Woche die Kaiserstraße in einen grünen Markt verwandelten, der alles bot, was die Hausfrauen brauchten, um „ihrer Bagage“ ein ordentliches Essen auf den Tisch zu stellen; vorausgesetzt, die „Herrschaften“ kamen noch einigermaßen rechtzeitig und ansprechbar aus einer der vielen Wirtschaften nach Hause. Denn auch an Bier mangelte es nicht vor Ort. Neben einigen kleineren Hausbrauereien hatten die Becker-Brüder auf dem Hobels eine Großbrauerei gebaut, die das Bier sogar in Flaschen lieferte.

Genau dort, auf dem Gelände der ehemaligen Brauerei, beginnt die Zeitreise mit einem Blick auf die Stadt aus der „Becker-Perspektive“. Es gibt keinen Ort, von dem aus man die Stadt besser überblicken und ihre Entwicklung vom Walddorf zur Industriestadt besser zeigen könnte als die Plattform des Beckerturmes, die an diesem Nachmittag ausnahmsweise geöffnet ist.

 Der zweite St. Ingberter Bahnhof, noch mit Uhrturm. Im Hintergrund die Villen der Glasfabrikanten Wagner und Warth (abgebrannt).

Der zweite St. Ingberter Bahnhof, noch mit Uhrturm. Im Hintergrund die Villen der Glasfabrikanten Wagner und Warth (abgebrannt).

Foto: Krick

Termin: Samstag, 7. April, 14.30 Uhr, Treffpunkt: Innovationspark Am Beckerturm, Kaiserstraße 170-174 in St. Ingbert. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung nicht erforderlich. Zusatzinfos: Tel. (0160) 91 55 91 74 oder E-Mail: Schreib-Werk@t-online.de.

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