Zugabe war eine Arie über St. Ingbert

St Ingbert · Am vergangenen Freitag trat Chin Meyer in der St. Ingberter Stadthalle auf. Er schlüpfte in verschiedene Rollen und dichtete sogar eine Arie über St. Ingbert, in der er Stadtrat, Baustellensituation und Bauwollspinnerei in einem Aufwasch abhandelte.

 Chin Meyer als Steuerfahnder „Siegmund von Treiber“. Foto: jma

Chin Meyer als Steuerfahnder „Siegmund von Treiber“. Foto: jma

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Der vergangene Freitagabend stellt für die Mittelstadt kulturell einen Meilenstein dar. Völlig unerwartet gibt es nun nämlich eine Opernarie über die Kommune. Das Werk verdankt sie keinem geringeren als Deutschlands Finanzkabarettisten Chin Meyer. Der hatte im Rahmen seines Gastspiels in der Stadthalle am Ende eine Zugabe gegeben. Dafür sammelte er vorab Themen, die ihm die Zuschauer per Zuruf vorschlagen konnten. Bei der spontan und völlig ohne Vorbereitung, quasi in Sekunden, getexteten Arie "St. Ingbert und sein Ingbobertus", hier vertieft durch den Zyklus "Gaby und die Seychellen", bekam so ziemlich jeder sein Fett weg.

Der multifraktionelle Stadtrat, die nervende Baustellensituation und natürlich die Problematik um die Baumwollspinnerei. Dabei spielten nicht nur Witz und Ironie eine große Rolle, sondern es kam auch gekonnt opernhaft gesungen rüber, während Pianist Andreas Gundlach Meyer begleitete. Dabei ist es von Vorteil, wenn man als Kabarettist nicht nur auf seine Wurzeln im Schauspiel, sondern auch auf die als Musical-Sänger zurückgreifen kann. Überhaupt die Interaktion mit dem Publikum. Sie machte einen großen Teil des mehr als kurzweiligen Abends aus, der wesentlich mehr Besucher verdient gehabt hätte. Immerhin stand da der Gewinner des Stuttgarter Besens 2011 in Silber auf der städtischen Bühne. Der ist auch hinsichtlich seiner Figuren, in die er immer wieder während seines Programmes "Reichmacher - Reibach sich wer kann!" wechselt, multipel. Etwa in die des Steuerfahnders Siegmund von Treiber. Dieser schmalzgegelte, tabulose - immer wieder auch singende - Finanzbeamte hält uns den Spiegel vor, wenn er etwa Steuerhinterzieher als "Friends of Uli" (Hoeneß) tituliert.

Köstlich, wenn Meyer Zusammenhänge zwischen Schlager und Investmentstrategien herstellt: "Was soll ich meinem Banker auf seine Gewinnerwartung sagen? - Du hast mich tausendmal belogen". Der deutsche Schlager weiß mehr über wirtschaftliche Entwicklungen, als wir denken. Dabei ist eines schnell klar: Der Mann ist ein Großmeister der Abkürzungen und Wortschöpfungen. Wieso nicht "Restrukturierung im Privatsektor" statt "Trennung" sagen? Klingt doch viel besser. Oder wieso nicht mal "Steueroptimiertes Burnout-Prophylaxe-Stipendium" statt "Hartz IV" sagen? Es geht doch viel positiver. Und dann die mehr als komplexen Zusammenhänge im Finanzsektor und der Volkswirtschaft. Wann wurde die jemals so einfach und humorvoll erklärt? Es dürfte keinen Kabarettistin geben, der ihm in Sachen Finanzkompetenz das Wasser reichen kann. Seine Liedpassage "Du suchst meinen Expertenrat? Ich empfehle dir ein Zertifikat", passt da am besten.

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