Wochenkolumne für St. Ingbert an Weihnachten Damals – als der Andere noch der Nächste war

Unfassbar viel Ware wandert derzeit per Versand zum Kunden. Und die DHL-Armada, die von St. Ingbert aus in unsere Region ausschwärmt, scheint jeden Morgen länger zu werden. Auf dem Weg von der Landeshauptstadt ins Büro sehe ich sie täglich an mir vorbeirollen.

Wochenkolumne für St. Ingbert
Foto: SZ/Robby Lorenz

Bemerkenswerte Sätze haben wir zur Auslieferung an der Haustür im Netz gefunden. Im sich mit durchweg interessanten Themen befassenden „Morning Briefing“ des bekannten Journalisten Gabor Steingart (Herausgeber The Pioneer) waren sie zwei Tage vor Heiligabend zu lesen. Er schrieb: „Bewegungsfrei und kontaktarm kommt es im spärlich beleuchteten Niemandsland vor der Privatwohnung zur diskreten Übergabe eines Paketes. Das Infektionsgeschehen hat kaum eine Chance. Der Bote wirkt wie ein letzter flüchtiger Gruß aus jener untergegangenen Welt, als der andere noch der Nächste war – und nicht nur ein potenzieller Infektionsherd.“ Untergegangen ist wohl auch der Händedruck, ich denke nicht, dass er sich wieder zu etablieren vermag.

Diese Woche hat mich einer meiner etwas betagteren Freunde mit einem heimischen Dufterlebnis überrascht, das so gar nicht zu einem (wenn auch quirligen) Ruheständler passt: „Stress frei-Räucherstäbchen“. Da kann man als Mensch, der jeden Morgen wie der Ochse ins Geschirr geht, nur staunen. Oder ihm den Müßiggang neiden. Eher nicht, denn: Schaffe iss aaach scheen. Jedenfalls bei mir.

Noch etwas Bemerkenswertes habe ich diese Woche gelesen – in einem Magazin. Da beschwerte sich eine Journalistin über die häuslichen Ungerechtigkeiten in der Vorweihnachtszeit. Selbst Mütter mit Vollzeitjob, so schreibt sie, würden sich Anfang Dezember Schürzen umbinden, Plätzchen backen, Adventskalender befüllen, Fotobücher basteln, Weihnachtspost schreiben oder Einkaufslisten für den Partner. Der wiederum im Weihnachtstrubel meist nur eine zentrale Aufgabe habe: den Baum zu kaufen und zu schmücken.

Das erinnert mich irgendwie schon sehr deutlich an mein Elternhaus vor vielen Jahren. Meine Mutter schnurrte wie ein Brummkreisel den ganzen Tag in Haus und/oder Garten herum, kochte, kehrte, wusch und feudelte, regte sich über ihre manchmal garstigen Kinder auf, renovierte, kümmerte sich um die Versicherungen und anderen lästigen Papierkram und servierte ihrem Mann am Abend auch noch ein warmes Essen – frisch zubereitet, versteht sich. Und unser Vater? Dieser hatte, nach dem Tag im Büro, Weltbewegendes zu entscheiden. Etwa ob wir aus der Nato austreten oder nicht. Spaß beiseite. Der Journalistin des Magazins möchte man gerne zurufen: selber schuld. Denn wer, bitteschön, zwingt uns zu all diesen Aktivitäten in der Adventszeit? Siehste, niemand. Alles eine Frage der Verweigerung. Und schon bestätigt sich einmal mehr das alte Sprichwort: Es ist nichts schlimmer als das, was man sich selber aufhalst. Ganz entgegen dieser Weisheit: Machen Sie langsam. Machen Sie gemütlich. Und seien Sie zuversichtlich. Es wird alles wieder besser. Ganz bestimmt.

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