Elend und helle Freude liegen nah beieinander Schöne Lügen, die man nicht missen möchte

Elend und helle Freude wechseln sich gerne mal ab. So folgte der ernüchternden Besichtigung einer Immobilie eine überaus erfreuliche Begegnung.

Wochenkolumne für St. Ingbert
Foto: SZ/Robby Lorenz

Diese Woche gab es einen Ortstermin, der einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat: die Besichtigung des vor 20 Jahren geschlossenen Stadtbads in St. Ingbert. Die Immobilie ist so fertig, fertiger geht’s kaum. Man kann das Bad nicht mehr reanimieren, ihm ist längst die Luft ausgegangen. Wobei widerwärtiger Vandalismus im Gebäude ein weiteres trauriges Kapitel schreibt. Heidemarie Ertle, die Leiterin des Stadtarchivs, ist auf Bitten unserer Zeitung hinabgetaucht in alte Unterlagen und hat interessante Aufzeichnungen zutage gefördert. Unter anderem einen Bericht in der Saarbrücker Zeitung vom 1. September 1956, zwei Tage vor der offiziellen Eröffnung des Stadtbades. Bei aller Freude über die neue Freizeiteinrichtung, steht da zu lesen, könne nicht übersehen werden, dass das Bad 380 Millionen französische Franken (heute umgerechnet rund 1,616 Millionen Euro) gekostet habe, 100 Millionen mehr, als ursprünglich veranschlagt. Huch, das kommt uns doch nun wirklich sehr bekannt vor. Erstaunlich, dass auch in unserem Landstrich schon vor mehr als 60 Jahren die Steuergelder verprasst wurden. Somit hat das beliebte Anderer-Leute-Geld-aus-dem-Fenster-werfen eine unrühmliche Tradition. Aber es war ja die Zeit des Wirtschaftswunders, da wollte man sich über solche Lappalien nicht großartig wundern.

Mal was anderes: Vor wenigen Tagen ist mir in einem St. Ingberter Gasthaus ein sehr netter Mensch begegnet. Ein überaus netter Mensch, den ich bestimmt wieder aufsuchen werde, wenn mein Ego ein wenig aufpoliert werden will. Ich gehe also zur Theke und will bestellen, als er schon fragt: „Was darf’s denn sein, junge Frau.“ Das haut Dich doch um: JUNGE Frau. So eine schöne, so eine freundliche Lüge! Davon kann man gar nicht genug bekommen. Wobei wir an dieser Stelle einen kleinen Schlenker in die Modewelt machen. Da wird auch dermaßen geschwindelt, dass sich die Kleiderbügel biegen. Denn mit dem Slogan „Kleidung für Fette“ macht man keinen Umsatz. Wer will schon hören, dass er in einem Beduinenzelt verdammt gut aussehen würde? Niemand, genau. Deshalb hat man die „Mode für die vollschlanke Dame“ erfunden. Mit und ohne mörderisches Mieder.

Und so kommen wir zu dem Schluss, dass Lügen keine kurzen Beine haben. Sondern manchmal richtig guttun.

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