Wie aus Spiel schnell Sucht wird

St Ingbert · Schüler am Roulette-Tisch mussten schnell erkennen: Die Bank gewinnt immer. Die Präventionsveranstaltung zum Thema Glücksspielsucht am BBZ machte drastisch deutlich, dass das Gefahrenpotenzial in Sachen Sucht sehr groß ist. Oft löst auch statt Geld der Kick die Abhängigkeit aus.

 Schüler des BBZ St. Ingbert informierten sich an ihrer Schule über das Entstehen und die Folgen von Glücksspielsucht. Mitarbeiter der Fachstelle für Suchtvorbeugung und -beratung „Praesent“ sowie des Gesundheitsamtes hatten dafür verschiedene Stände aufgebaut. Am Roulettetisch verkörperte Christine Maurer (links) die „Bank“. Foto: Cornelia Jung

Schüler des BBZ St. Ingbert informierten sich an ihrer Schule über das Entstehen und die Folgen von Glücksspielsucht. Mitarbeiter der Fachstelle für Suchtvorbeugung und -beratung „Praesent“ sowie des Gesundheitsamtes hatten dafür verschiedene Stände aufgebaut. Am Roulettetisch verkörperte Christine Maurer (links) die „Bank“. Foto: Cornelia Jung

Foto: Cornelia Jung

. Vergangene Woche saßen mehrere Jugendliche im Keller des Berufsbildungszentrums und zockten. Das war ungewöhnlich. Ungewöhnlich war auch, dass die einzige Volljährige am Roulette-Tisch sich in aller Öffentlichkeit als "Dealer" vorstellte. Bei der "Bank" handelte es sich um Christine Maurer, die mit dem Wissen ihrer Kollegen spielte, die ebenfalls mit einer "Lotto-Stelle" im Hof zugegen waren. Was wie eine "Verführung Minderjähriger zum Glücksspiel" anmutete, hatte das genaue Gegenteil zum Ziel. Denn die Mitarbeiter der Fachstelle für Suchtvorbeugung und -beratung "Praesent" der Awo und des Sozialen Dienstes vom Gesundheitsamt des Kreises wollten mit der jährlich stattfindenden Präventionsveranstaltung aufzeigen, welche Mechanismen hinter den verschiedenen Suchtszenarien stecken und wie schnell man dem Glücksspiel verfallen kann.

Am gestrigen Mittwoch war der Aktionstag "Glücksspielsucht " und wie einige Gespräche der Sozialarbeiter zeigten, auch nötig. Die meisten der 15- und 16-Jährigen, die mit Christine Maurer um Haus und Hof "spielten", kennen jemandem, der schon Probleme mit einarmigen Banditen oder Wetten hatte. "Dem ist dann sogar die Frau weggelaufen", erzählte ein Schüler freimütig. Bis zu 3000 Saarländer sind süchtig nach verschiedenen Glücksspielen, die zu herben finanziellen Verlusten führen können. "Gewinner ist immer die Bank", sahen auch die Jugendlichen ein, als ihr Wetteinsatz in Form von Haustürschlüsseln oder Geldbeuteln eingezogen wurde. Playmobil-Männchen standen stellvertretend für Familie, Freunde oder die Arbeit. Kaum einer der jungen Leute konnte glauben, dass jemand "so blöd" sein kann, seinen Besitz zu verspielen und seine sozialen Kontakte aufs Spiel zu setzen.

Die Jugendlichen erzählten von Computerspielen, bei denen man sich mehrere Leben oder verschiedene Figuren erkaufen kann. "So fängt es manchmal an", wiesen die Sozialarbeiter darauf hin, wo sich die vermeintliche "Glücksspirale " zu drehen beginnt. Wie Maurer sagte, stiegen die Schüler bei der Präventionsveranstaltung schnell ins Gespräch und Geschehen ein, so dass man schnell merke, "wo der Hund begraben liegt". Vielen gehe es gar nicht ums Geld , sondern den Kick, der dann die Abhängigkeit vom Spiel auslöse. Im BBZ wurde Ralph Dejon beim Linsenlotto ungläubig angeguckt, als er das schier Unmögliche verlangt: "Versucht mal mit einem Griff, die schwarze zwischen 8000 braunen Linsen zu finden."

Keine Chance? Und doch versuchten jede Woche Millionen Menschen, in hunderten solcher Schüsseln ihre eine Linse zu finden, wie er den umstehenden Schülern erzählte. Beim Lotto, bei dem es noch viel unwahrscheinlicher ist, einen Sechser mit Zusatzzahl zu haben. Man wolle keinen Zeigefinger erheben, sondern für das Thema sensibilisieren und Mut machen, sich Hilfe zu holen. So wie ein 23-jähriger Schüler , der am eigenen Leib erfuhr, wie es sich anfühlt, mit 18 Jahren 8000 Euro Schulden und schon eine Therapie hinter sich zu haben. Er hinterließ Christine Maurer seine Adresse. Diesen Weg der Kontaktaufnahme empfehlen die Mitarbeiter von "Praesent" jedem Betroffenen, bevor es zu spät ist und es nicht nur am Spieltisch, sondern auch im wirklichen Leben heißt "Rien ne va plus - nichts geht mehr".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort