Wichtig ist die Erinnerung

St. Ingbert · Der 23. Oktober ist ein wichtiger Feiertag in Ungarn, er erinnert an den von Sowjetsoldaten blutig niedergeschlagenen Ungarischen Volksaufstand im Jahr 1956. Die St. Ingberterin Sophie Endres hat die Feiern vor Ort gesehen, hat Trauer und Zusammenhalt miterlebt.

 Kranzniederlegung im Gedenkpark von Nagyvázsony, der an die Opfer der Aufstandes der Ungarn erinnert. Foto: Sophie Endres

Kranzniederlegung im Gedenkpark von Nagyvázsony, der an die Opfer der Aufstandes der Ungarn erinnert. Foto: Sophie Endres

Foto: Sophie Endres

Seit 1989 ist der 23. Oktober in Ungarn ein offizieller Feiertag im Gedenken an den Ungarischen Volksaufstand im Jahre 1956. Diese bürgerlich-demokratische Revolution , die anfangs von Budapester Studenten der Technischen Universität getragen wurde, richtete sich vor allem gegen die Unterdrückung der Ungarn durch die Sowjetunion. Für die Ungarn ist dieser Gedenktag sehr bedeutend, da er an einen besonders blutigen Teil ihrer Geschichte erinnert.

Die Demonstration selbst, der sich nach und nach immer mehr Menschen mit der Forderung nach freien Wahlen, einem Mehrparteiensystem und bürgerlichen Rechten anschlossen, wurde nach wenigen Tagen durch den Einmarsch der Roten Armee äußerst gewaltsam niedergeschlagen. Die Ungarn fühlten sich von der Sowjetunion unterdrückt und bereits zuvor hatten sie sehr unter der Fremdherrschaft durch Nazideutschland zu leiden. Daher ist das ungarische Volk in seinem gemeinsamen Leid mehr und mehr zusammengewachsen. Dieses Gefühl von Zusammenhalt kann man bis heute spüren, wenn man einer solchen Gedenkfeier beiwohnt.

Außerdem spürt man, wie wichtig es für viele, die selbst Zeitzeugen sind und noch unter dem Kommunistischen System der Sowjetunion leiden mussten, ist, die Erinnerung aufrecht zu erhalten und an die nächsten Generationen weiterzugeben. Ich hatte die Chance, an einer kleinen Gedenkfeier in einer meiner Schulen in Balatonfüred und an einer Kranzniederlegung in Nagyvázsony teilzunehmen. In der Schule trugen die Kinder traditionell schwarz-weiße Kleidung. In Balatonfüred speziell außerdem noch rote Schals und Krawatten mit dem Wappen der Schule. Nachdem sich die ganze Schule in der kleinen Aula versammelt hatte, wurden Trauerlieder gesungen, eine Art kleiner Dokumentarfilm oder Bildoriginale gezeigt und einige Schüler spielten einen kleinen Dialog vor. Es war zwar oft schwierig, das Gesagte zu verstehen, allerdings konnte man die Stimmung im Raum greifen. Die Schulen wachsen an solchen Tagen zu einer großen Gemeinschaft zusammen, auch unter anderem durch das Tragen der Uniformen und die gemeinsame Trauer .

Ein noch intensiveres und traurigeres, vielleicht auch eindringlicheres Erlebnis war allerdings die Kranzniederlegung am Sonntagabend in Nagyvázsony. An dieser Kranzniederlegung nahmen viele Vereine und Institutionen des Dorfes teil, so auch meine Aufnahmeorganisation "Fekete Sereg". Zunächst hatte es eine Art Programm mit Reden und einer sehr aufwendigen Vorführung der achten Klasse der Kinizsi Pál Grundschule in Nagyvázsony gegeben. Mit detaillierten Kostümen, Sing- und Sprecheinlagen stellten sie die Demonstration und den damit verbundenen Optimismus vieler, die blutige Niederschlagung, die Trauer , die Opfer und schließlich auch die Massenauswanderung in Richtung Westen dar. Eine weitere Besonderheit waren die Flaggen, die sie am Ende der Vorführung schwangen. Sie trugen zwar die klassischen, ungarischen Farben rot, weiß, grün, allerdings besaßen sie in der Mitte ein kreisrundes Loch. Diese speziellen Flaggen sind sehr typisch für den 23. Oktober, da sie früher einst ein sowjetisches Symbol getragen hatten, das dann jedoch im Verlaufe der Revolution herausgerissen wurde, um das Land im metaphorischen Sinne vom Kommunismus zu befreien.

Die eigentliche Kranzniederlegung folgte dann draußen, in einem kleinen Gedenkpark, der an die Opfer dieser Revolution und außerdem an die des Ersten und Zweiten Weltkrieges erinnert. Manche Erwachsenen weinten, kaum einer sprach und es gab sehr viele Umarmungen. Wir zogen dann in einer Art Trauerzug zu ebendiesem Park, wo zunächst die Namen der Opfer verlesen und anschließend nacheinander alle Kränze niedergelegt wurden.

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Zur Person Die St. Ingberterin Sophie Endres entschied sich nach ihrem Abitur im April 2016 dazu, ein Jahr im Ausland zu verbringen, um sich mit anderen Kulturen auseinanderzusetzen und viele, interessante, junge Leute kennenzulernen. Seit dem 1. September macht sie nun einen EVS bzw. EFD, also einen Europäischen Freiwilligendienst in Nagyvázsony, Ungarn. Dort arbeitet sie im lokalen Jugendzentrum, sowie in der lokalen Grundschule und in einer Grundschule in Balatonfüred im Deutsch- und Englischunterricht. Sie hat schon viele Freunde aus den unterschiedlichsten Ländern gefunden und auch die Arbeit im Projekt bereitet ihr großen Spaß. red

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