Wenn Neandertaler heute lebten

St. Ingbert. Wolfgang Sauder hatte am Montagabend durchaus in einem Punkt recht: nämlich damit, dass es sich an diesem Abend um "eine außergewöhnliche Lesung" handelte. Der Vorsitzende des St. Ingberter Literaturforums (ILF) konnte nämlich in der Stadtbibliothek Sibylle Knauss begrüßen. Von der Ex-St. Ingberterin gibt es kein Buch, welches nicht früh hier vorgestellt wurde

 Die Autorin Sibylle Knauss las in der Stadtbücherei St. Ingbert aus ihrem Roman "Fremdling". Foto: Jörg Martin

Die Autorin Sibylle Knauss las in der Stadtbücherei St. Ingbert aus ihrem Roman "Fremdling". Foto: Jörg Martin

St. Ingbert. Wolfgang Sauder hatte am Montagabend durchaus in einem Punkt recht: nämlich damit, dass es sich an diesem Abend um "eine außergewöhnliche Lesung" handelte. Der Vorsitzende des St. Ingberter Literaturforums (ILF) konnte nämlich in der Stadtbibliothek Sibylle Knauss begrüßen.Von der Ex-St. Ingberterin gibt es kein Buch, welches nicht früh hier vorgestellt wurde. Ihr aktuelles Werk, eine Mischung aus Wissenschafts- und Unterhaltungsroman, sei auch deshalb außergewöhnlich, weil man es als mutig bezeichnen muss. Es sei "sehr, sehr gewagt", auf hohem Niveau unterhaltende Literatur zu schreiben, meinte Sauder.

In der Tat: Das Thema von "Fremdling", so der Titel, berührt Grenzen. Es handelt von einem Neandertaler Jo. Doch der lebt nicht in der Zeit vor rund 30 000 Jahren als diese Gattung die Erde verlies. Er lebt jetzt. Maria, seine Mutter, nimmt an einem Projekt teil. Die Wissenschaftlerin experimentiert mit anderen an Genen. Doch das Labor selbst, das ist sie. Die Gene eines 30 000 Jahre alten Menschen werden ihr eingepflanzt. Sie soll "ihr Kind" bis zum sechsten Monat austragen. Ein vorgesehener Abbruch soll dann den Embryo als Untersuchungsobjekt preisgeben. Maria entscheidet sich anders. Sehr zum Leidwesen ihres Versuchsleiters Tim Nagel. Sie flüchtet, kauft sich ein Wohnmobil und bekommt das Kind. In Kroatien lebt sie mit Jo jenseits der Zivilisation.

Doch bald steht hier eine Flucht an. Es hat sich schnell herumgesprochen, dass da eine Deutsche sei, die trotz Schulpflicht, das Kind alleine großzieht. Die Behörden nehmen Maria Jo weg und bringen ihn in ein Heim. Neun Jahre später sucht Maria auf der Uni Konstanz Tim Nagel auf. Der ist zwischenzeitlich Leiter einer Forschungseinrichtung.

Die Vergangenheit holt ihn ein. So glaubt er, dass Maria ihn erpressen will. Doch die Frau seines früheren Klonexperimentes will nur einen Job.

Maria fürchtet sie sich davor, wenn Jo ins fortpflanzungsfähige Alter kommt. Er wurde nicht gezeugt, sondern geschaffen. Irgendwo zwischen Frankenstein, Faust und Caligari. Ein anderes Kapitel erzählt davon, wie Maria ihn mit 17 Jahren besucht. Er hat auf sie in einer Steinhütte gewartet. Und die "Mutter" will ihm sagen, wer er ist. Vor allem eines: ein Mann mit einer starken männlichen Aura.

Das Buch ist nicht nur Wissenschaftsroman, sondern auch eine Mutter-Kind-Story. Knaus erinnerte am Montag daran, dass der Mensch immerhin zu gut vier Prozent vom Neandertaler abstammt. Man habe diese Spezies einerseits immer wieder auf Podeste gestellt, wohin sie nicht gehörten.

Andererseits hat man sie auch unterschätzt. So ist überliefert, dass sie ein ausgeprägtes Sozialverhalten hatten und Kranke pflegten. Der Stoff sei ausgesprochen verfilmbar. Eher was fürs Kino, verriet die frühere St. Ingberter Gymnasiallehrerin. Mit Filmen kennt sie sich aus. Ist sie doch Dozentin und Professorin an der Filmakademie Ludwigsburg. Klar, dass man da auch mal szenische Anleihen eines James Bond-Filmes im Buch verarbeitet.

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