Wenn der Kleidercontainer spricht

St Ingbert · Er glaubt, das Publikum lacht lieber im Dunkeln: Pfannen-Preisträger Benjamin Tomkins hat das Bauchreden erst vor sechs Jahren für sich entdeckt. Er führt Selbstgespräche und spielt auch Klavier. Gelegentlich den Faden zu verlieren, das kann auch eine Masche sein.

 Der Bauchredner Benjamin Tomkins bei seinem Auftritt in der Stadthalle St. Ingbert. Foto: Jörg Martin

Der Bauchredner Benjamin Tomkins bei seinem Auftritt in der Stadthalle St. Ingbert. Foto: Jörg Martin

Foto: Jörg Martin

Wenn ein Künstler vor Beginn seines Auftritts einen Anheizer das Publikum unterhalten lässt, spricht man vom "Warming up". Dass dies der Betroffene selbst übernimmt und dabei regelrecht mit den Zuschauern flirtet, ist die Ausnahme. So geschehen am Donnerstagabend, als Puppenflüsterer Benjamin Tomkins in der Stadthalle im Rahmen der Reihe "A la Minute" Station machte. Da konnte man schon unsicher werden, wenn man 30 Minuten vor Beginn in den gut besuchten Großen Saal kam, vom Berliner Tomkins persönlich begrüßt und zum Platz geleitet wurde.

Nicht wenige Neuankömmlinge schauten dann auf die Uhr und glaubten, sie wären zu spät. Der Künstler konnten sie beruhigen und lernte die Menschen ein wenig mit Namen kennen - spendierte gar hart gekochte Eier und Brötchen. Dann ging endlich das Licht aus. Absicht. Denn das Publikum lacht lieber im Dunkeln. Da sei man so schön anonym, versicherte der 51-jährige Gewinner des Pfannen-Publikumspreises 2013. Das Bauchreden entdeckte er erst vor sechs Jahren. Anders als die Frauen: Bei denen sei das angeboren, glaubt der alleinerziehende Vater von zwei Mädchen. Wenn er ohne die Lippen zu bewegen spricht, hat er eine so was von diebische Freude daran, dass sich diese sekundenschnell in den Zuschauerraum überträgt.

Allein der Gedanke, wenn er einen - imaginär versteht sich - Altkleidercontainer sprechen lässt: köstlich. Oder, wenn das Frühstücksei redet. Also, das "Ei-Phone". Achtung: Kalauer. Aber gut. Schnell schießen einem die Tränen in die Augen. So, wenn er der Puppe auf seinem Arm die Namen der drei Flaschengeister erläutert: Was, wie und egal. Die Puppe versteht das nicht. Die Zuschauer schon und klopfen sich dabei auf die Schenkel. Früher war er schizophren. "Aber jetzt sind wir wieder ok", gesteht der frühere Gebrauchtwagenhändler dann. Er kann Wortspiele bis zum Exzess auf die Spitze treiben. Im Disput mit der Puppe "Alter Sack" beispielsweise.

Er führt Selbstgespräche

Schnell fließen die Grenzen, wenn er Selbstgespräche führt. Natürlich ohne Lippenbewegung. Und ohne Puppe. Doch Tomkins, der angeblich aus einem humorlosen Elternhaus stammt, kann auch Klavier . Da widmet er jeder Ex einen eigenen Vers. Also allen 256 Frauen. Geht auch bei Männern: "Denk ich an Jens, hätt` ich so gerne Demenz". Dass er ab und an den Faden zu verlieren scheint, wirkt wie eine Masche. Doch eine Charmante. Und die passt. Dann kommt er ins Kleinklein. Das macht ihn näher und noch sympathischer.

Fast schon liebevoll und zugleich schüchtern geht es bei dem ehemaligen Weltenbummler zu, wenn er die Schildkröte Henriette mit geradezu perfekter Technik mit ihren angeblichen 120 dreiviertel Jahren zum Leben erweckt. Die singt gar im Liegen. Bei der einen oder anderen Nummer entdeckt man sich wieder, denn Tomkins beobachtet haargenau. Wenn er vom Weinseminar erzählt. Für 120 Euro sei er noch nie so teuer vier Stunden lang nüchtern gewesen. Am Klavier gab es zum Schluss dann die Auflösung, was von seinen Erzählungen alles erlogen ist.

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