Weisgerber-Archiv „Lobende Worte“ für den Maler ersteigert

St. Ingbert · Das St. Ingberter Weisgerber-Archiv ist um ein Stück reicher. Es handelt sich aber nicht um ein Gemälde Weisgerbers, sondern um einen Brief, in dem er wertschätzend erwähnt wird.

 Andrea Fischer zeigt Gerhard Sauder und Oberbürgermeister Hans Wagner (von rechts) den Original-Brief des Künstlers Conrad Felixmüllers, in dem sich dieser über Weisgerber äußert.

Andrea Fischer zeigt Gerhard Sauder und Oberbürgermeister Hans Wagner (von rechts) den Original-Brief des Künstlers Conrad Felixmüllers, in dem sich dieser über Weisgerber äußert.

Foto: Cornelia Jung/Cornelis Jung

Einige Medienvertreter gingen bei der Einladung ins Rathaus davon aus, dass Andrea Fischer einen neuen „Weisgerber“ präsentieren würde. Doch sie zeigte kein neues Bild, sondern „nur“ einen ersteigerten Autografen von Conrad Felixmüller, der noch nicht mal sehr historisch war. Und doch sei diese 43 Jahre alte Handschrift von unschätzbarem Wert, wie die Kuratorin der Albert-Weisgerber-Stiftung sagte.

Aber von vorn. Felixmüller war ein 1897 in Dresden geborener Maler und Zeichner, der vor dem ersten Weltkrieg in den 20er Jahren zu den erfolgreichsten Nachwuchskünstlern Deutschlands gehörte. Wie in Albert Weisgerbers Werk stand auch bei dem Sachsen der Mensch im Zentrum seiner Kunst, wobei seine Arbeit deutlich politisch motiviert war. Mit vielen Gemälden, Zeichnungen und Druckgrafiken schuf er einfühlsame Porträts und Figurenbilder, die vor allem in seiner frühen Phase von politischem Engagement getragen wurden. Felixmüller gehörte zusammen mit Otto Dix der „Novembergruppe“ an, einer Künstlervereinigung, die die soziale Revolution gesellschaftlich vorantreiben wollte und war bis 1924 auch Mitglied der KPD.

Er zählte zu den wichtigsten Protagonisten der Neuen Sachlichkeit. Nach dem Studium an der Dresdner Kunstakademie machte er sich als freischaffender Künstler selbstständig. Obwohl nicht bekannt ist, ob sich beide Künstler jemals begegnet sind, dürfte Felixmüller wohl schon vor einer Weisgerber-Ausstellung 1911 in Dresden auf den Münchner Maler aufmerksam geworden sein. Der Dresdner Kunstsalon Richter war eine der führenden deutschen Avantgardegalerien. Felixmüller schien Weisgerber sehr verehrt zu haben, denn in einer privaten Korrespondenz aus dem Jahr 1976 erwähnt er ihn: „Obwohl er (Maler Carl Hofer, die Red.) aus dem süddeutschen Raum kommt, ist er nicht so blühend, freudig wie etwa Weisgerber oder Purrmann.“

Und nur dieser eine Satz war es, der Weisgerber-Liebhaber elektrisierte. Denn es war eine der seltenen Wertschätzungen des St. Ingberter Malers, die hier in schriftlicher Form festgehalten wurden. „Es ist eine außergewöhnliche Beurteilung und sie kommt nicht aus dem Stallmief von München, sondern aus dem östlichen Deutschland“, sagte Literaturwissenschaftler Gerhard Sauder bei der Vorstellung des Schriftstücks. „Die Arbeit Weisgerbers ist also auch dort nicht verborgen geblieben“, so die Kuratorin der Weisgerber-Stiftung Andrea Fischer. Der Brief mit dem einen kleinen Sätzchen, in dem sich Felixmüller lobend über Weisgerber äußert, sei ein weiterer Mosaikstein, der beweise, wie groß die Wertschätzung der Künstlerkollegen gegenüber Weisgerber gewesen sei. Außerdem zeige die Aussage, dass Weisgerber über St. Ingbert hinaus eine Vorbildfigur war.

Deshalb sei der Erwerb des Briefes für das Weisgerber-Archiv ein Coup, dessen Ersteigerung schon fast an einen Krimi erinnere. Gerhard Sauder war auf die in einem Pforzheimer Auktionshaus angebotene Handschrift aufmerksam geworden durch persönliche Bekanntschaften. Da spielen ein Homburger eine Rolle, der Gedichte eines Berliner Arztes veröffentlichte, der wiederum mit dem Berliner Wilke bekannt ist. Wilke war früher Buchdrucker und ist ein engagierter Vertreter der Kunst Felixmüllers. Felixmüller hatte in Berlin-Zehlendorf gelebt und Wilke kaufte nach dessen Tod Druckstücke auf. Denn Felixmüller hatte nicht nur gemalt, sondern auch Holzschnitte gefertigt, die in Wilkes Druckerei vervielfältigt wurden. Sauder kannte den Homburger und es kam, wie man es im Saarland gewohnt ist. Wilke erfuhr irgendwann von der Verbindung des Homburgers zu Sauder und dessen Interesse an Weisgerber. Als der Brief dann im Internet zur Versteigerung stand, gab er den Tipp und Sauder fragte bei der Stadt St. Ingbert und dem Weisgerber-Archiv nach, ob Interesse bestünde.

„Hätten wir den Brief nicht gekauft, dann hätte er es gemacht“, sagte Oberbürgermeister Hans Wagner mit Blick auf Sauder. Man sei bei der Ersteigerung aufgeregt gewesen und froh, den Zuschlag bekommen zu haben. Vor allem habe man es Wilke zu verdanken, dass der Preis nicht bei den geschätzten 400 Euro lag, sondern bei nur 270 Euro. Sehen kann man die Handschrift leider vorerst nicht, denn es „fehle an einer passenden Vitrine im Weisgerber-Museum, das noch nicht fertig ist“, wie der OB mit Blick auf die Dauerbaustelle Baumwollspinnerei sagt. So verschwinde der Brief erst Mal im Lager. „Wer echte Weisgerber sehen will, kann derzeit nach Luxemburg fahren und in die Villa Vauban gehen, wo neben Werken von Corinth, Degas, Slevogt, Purrman, Renoir und Rodin auch sieben Werke Weisgerbers aus unserem Bestand gezeigt werden“, so Andrea Fischer.

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