Tod an der Schule Wie Schüler lernen, mit Trauer umzugehen

St. Ingbert · Tagung des Landesinstituts für präventives Handeln gibt Hilfestellung, wie in Schulen tief bewegende Themen behandelt werden können.

 Bei einem Trauerfall in der Familie oder Schule sollten Betroffene nicht alleine gelassen werden. Der Beistand von Freunden kann bereits helfen.

Bei einem Trauerfall in der Familie oder Schule sollten Betroffene nicht alleine gelassen werden. Der Beistand von Freunden kann bereits helfen.

Foto: Getty Images/iStockphoto/LSOphoto

Montagmorgen, 7.30 Uhr. In der Schule klingelt das Telefon. Die Sekretärin der Gemeinschaftsschule nimmt den Hörer ab. Am Telefon ist die Mutter eines Schülers, die den Schulleiter, wenn möglich, sofort sprechen möchte. Sie klingt aufgelöst. Umgehend stellt die Sekretärin die Mutter durch. Sie berichtet dem Schulleiter weinend, dass sie ihren Sohn tot in seinem Zimmer aufgefunden hat. Er habe sich erhängt.

Es ist nur eines von vielen Szenarien, die Heidrun Bründel bei der 6. Tagung des Landesinstituts für präventives Handeln (LPH) am Donnerstag beschreibt. „Der Suizid unter Schülerinnen und Schülern zählt nach wie vor zur zweithäufigsten Todesursache“, sagt die Psychologin. So haben sich laut Statistischem Bundesamt 2019 bundesweit 132 Jungen und 53 Mädchen im Alter von zehn bis 20 Jahren das Leben genommen. Im Saarland zählte das statistische Amt 2019 insgesamt zwei Suizide bei zehn- bis 25-Jährigen.

Die Statistik zeigt, dass sich häufiger Jungen und Männer das Leben nehmen. Als Grund vermutet die Psychologin, „dass Jungen und Männer weitaus weniger Hilfe annehmen“, sagt Bründel.

Aber wie kann der Direktor der Gemeinschaftsschule den Tod eines Schülers oder einer Lehrkraft beibringen? Und was können Lehrkräfte tun, um mit Kindern und Jugendlichen über die Themen Tod und Trauer zu sprechen?

Um hierfür Handlungssicherheit zu geben und Lösungen zu zeigen, veranstaltete das Landesinstitut für präventives Handeln die Tagung rund um das Thema „Umgang mit Tod und Trauer im schulischen Umfeld“. Etwa 180 Teilnehmer waren virtuell bei den vier Vorträgen dabei, darunter mehrere schulische Krisenteams, Schulpsychologen, Schulsozialarbeiter und Polizei.

Neben Stephanie Witt-Loers vom Institut Dellanima aus Bergisch Gladbach sprach Christine Unrath, Pfarrerin aus St. Wendel und Notfallseelsorgerin, über Handlungsmöglichkeiten für Schulen. Sie erinnerte daran: „Geboren zu werden und zu sterben kann sich niemand entziehen. Der Tod geht uns alle an.“

Daher sei es wichtig, Tod und Trauer stärker in die schulische Gemeinschaft einzubinden, auch „jenseits eines akuten Anlasses“, sagt Unrath. Hier seien Krisenteams in den Schulen gefordert, um in den Klassen mit Vertrauenslehrern und Tutoren sowie Schulsozialarbeitern diese Themen anzusprechen.

Daher bildet das LPH seit 2010 „Schuleigene Krisenteams“ aus. „Wir haben mittlerweile an zweidrittel der saarländischen Schulen Krisenteams ausgebildet“, sagt Hagen Berndt, Koordinator der Qualifizierungsreihe. Interessierte Schulen können jährlich an den Ausbildungen teilnehmen. Neben der eigentlichen Qualifizierungsmaßnahme rund um Krisenthemen in der Schule, wie Amok oder Mobbing, bietet das LPH jährlich eine Fachtagung - insbesondere für die Krisenteams - an. In den letzten Jahren wünschten sich diese vermehrt das Thema „Umgang mit Trauer und Tod“.

„Unsere Philosophie ist es, den Schulen Handlungssicherheit mitzugeben, um in schulischen Krisen adäquat reagieren zu können“, sagt Berndt. Hierbei legen wir auch einen großen Wert auf die Netzwerkarbeit zwischen Polizei, Schulpsychologen und Schulsozialarbeitern. Wie gehe ich als Schulgemeinschaft mit der Situation um, wenn eine Schülerin, ein Schüler oder ein Mitglied des Lehrerkollegiums verstirbt? Oder auch Familienangehörige? – Fragen, die bei der Tagung thematisiert wurden.

Zu achten sei dabei auf eine achtsame und empathische Beziehungsarbeit, denn selbst wenn ein Mitschüler dem Verstorbenen nicht nahe stand, kann ihn der Tod dennoch belasten, sagte Unrath. Das Ausloten von Nähe und Distanz sei entscheidend, ebenso die eigene Nähe. Menschen, die Betroffenen bei einem Todesfall zur Seite stünden, sollten bei der Begleitung der Trauer auch auf ihre eigene Verfassung achten.

Eine weitere Hilfe für Schulen stellte Uwe Schutte mit dem Trauerkoffer vor. „Eine Art erste Hilfe im Trauerfall“, sagt der Pfarrer und Leiter des Religionspädagogischen Zentrums (RPZ) Kirchheimbolanden, der den Koffer 2011 etablierte. So einen Koffer können saarländische Schulen auch kostenlos beim RPZ in St. Ingbert ausleihen und nach dieser Vorlage eigene Koffer gestalten.

Darin enthalten sind Informationen für Schulen, wie sie zum Beispiel eine Trauerfeier oder einen Brief an die Eltern gestalten können. Auch sei es wichtig, „dass die Schulleitung die Lehrkräfte persönlich über den Todesfall informiert und nicht durch eine Durchsage“, erläuterte Schutte.

Um die Klasse zu informieren, sollen Lehrer sich vorher absprechen, wer wann etwas sagt. Und den Schülern solle Raum für Reaktionen gegeben werden, beispielsweise in Form eines eigenen Gedenkraums für den verstorbenen Mitschüler, der mit Bildern und Kerzen dekoriert wird. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, kreativ mit der Trauer umzugehen. Das könne ein Brief oder das Malen eines Bildes sein.

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