Vormarsch einer Rabenmutter

St. Ingbert. "Am Ziel", so lautet üblicherweise ein Ausspruch, wenn man etwas erreicht hat. Der Schriftsteller Thomas Bernhard hat ein Schauspiel gleichen Namens geschrieben. Das 1981 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführte Stück war am Wochenende auf der Kleinen Bühne der Volkshochschule St. Ingbert zu sehen. Da ist zum einen die Mutter (Ursula Ochs-Steinfeld)

St. Ingbert. "Am Ziel", so lautet üblicherweise ein Ausspruch, wenn man etwas erreicht hat. Der Schriftsteller Thomas Bernhard hat ein Schauspiel gleichen Namens geschrieben. Das 1981 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführte Stück war am Wochenende auf der Kleinen Bühne der Volkshochschule St. Ingbert zu sehen. Da ist zum einen die Mutter (Ursula Ochs-Steinfeld). Eine mega-dominante Frau. Sie hat ihren zwischenzeitlich verstorbenen Mann nur wegen seines Besitzes, nämlich wegen eines Gusswerks und einem Haus am Meer, geheiratet.

Sie wünscht den Tod

Ihren Verblichenen fand sie so abstoßend wie das eine der beiden Kinder. Ihm, dem Richard, wünscht sie gar den Tod und hegt Pläne, ihn umzubringen. Doch das Schicksal erlöst das kranke Kind. Die Mutter kommt selbst aus einfachen Verhältnissen: Der Vater ist gehörloser Analphabet. Sie hat vier weitere Geschwister. Die Hälfte des Personals im Werk ihres Mannes, dem sie sich ansonsten verweigert, entlässt sie aus fadenscheinigen Gründen. Den Hund, den der Mann sich zulegt, vergiftet sie, da sie keine "Tiere" neben der unverheirateten Tochter (Nicole Haag) duldet. Die hat nichts zu sagen, muss ihr jeden Wunsch von den Lippen ablesen und sie von hinten bis vorne bedienen. Unentwegt packt sie still die Koffer, währen die Mutter unaufhörlich ihren Monolog pflegt. Es geht nach Holland ans Meer. Ab und an darf die Tochter jedoch auch was sagen, wenn sie nicht vor ihr auf die Knie fallen muss. Gesprächsgegenstand: Ein Schriftsteller (Gereon Schäfer), der am Vorabend mit seinem Werk "Rette sich, wer kann" Premiere hatte. Dilettanten seien diese Künstler, meint sie. Unzufriedenheit und eine gehörige Portion Hass bestimmen die Haltung, während sie sich dem Cognac hingibt. Nebenbei meint sie, die Tochter sei recht lange hässlich gewesen. Dabei gibt sie zu, die Tochter zu peinigen, hält aber beide für ein eingespieltes Team und ist stolz, ihr die Karriere vermasselt zu haben. Dabei sei die junge Frau ihr verpflichtet. Doch dann kommt der Schriftsteller, den sie beim Eintreffen weder begrüßt, noch ihm die Hand reicht. Stattdessen meckert sie wegen seiner blassen Gesichtsfarbe. Ein Bombardement von Fragen trifft ihn, von denen er nur bei wenigen die Chance erhält, überhaupt eine Antwort zu geben. Noch mehr Cognac fließt. Die Mutter scheint zu merken, dass die beiden jungen Menschen gegenseitig Interesse aneinander verspüren. Sein Durchsetzungsvermögen, die Eltern wollten ihn zum Architekten machen, behagt der Domina gar nicht. Er hat sich aufgelehnt. Sie stellt ihn bloß, stellt sich auf die Seite seiner Eltern.

Während der Ankunft am Meer macht die Tochter das, was sie am besten kann: auspacken. Offen dagegen der Autor: Kein Schriftsteller habe die Gesellschaft je verändert. Alle sind gescheitert. Der Beifall des Meeres sei der Beifall für sein Stück: Er ist am Ziel. Blümchen und Bravo-Rufe für Ursula Ochs-Steinfeld waren der Dank für gekonnt dargebotene, anstrengende und schwierige Monologe.

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