Von Möbeln, Schecks und Spaten

St. Ingbert. Die Stadtkasse des St. Ingberter Rathauses hat am 3. Juli 2009 einen Verrechnungsscheck über 80 793 Euro an eine Werbeagentur ausgestellt. Sie hatte dafür 20 verschiedene Rechnungen, die für unterschiedliche Leistungen zu verschiedenen Zeitpunkten fällig waren, zu einer Zahlung zusammengefasst

 Auch die Spatensammlung - hier ein Archivbild mit Roland Wind, ehemaliger Abteilungsleiter - sorgt für Gesprächsstoff. Foto: Keller

Auch die Spatensammlung - hier ein Archivbild mit Roland Wind, ehemaliger Abteilungsleiter - sorgt für Gesprächsstoff. Foto: Keller

St. Ingbert. Die Stadtkasse des St. Ingberter Rathauses hat am 3. Juli 2009 einen Verrechnungsscheck über 80 793 Euro an eine Werbeagentur ausgestellt. Sie hatte dafür 20 verschiedene Rechnungen, die für unterschiedliche Leistungen zu verschiedenen Zeitpunkten fällig waren, zu einer Zahlung zusammengefasst. Die Zahlungsanordnungen durchliefen alle gemeinsam am Tag zuvor die hausinternen Stationen. Der Verrechnungsscheck wurde vom damaligen Pressesprecher an den Inhaber der Agentur übergeben. Eine entsprechende Quittung liegt der Verwaltung vor. Besagte Agentur erhielt im gleichen Jahr weitere Zahlungen per Überweisung, alles zusammen 165 387 Euro.So schildert die Verwaltung heute die Vorgänge um die St. Ingberter Werbeaffäre. Sie revidiert damit ihre frühere Aussage, die Rechnungen seien per Barscheck bezahlt worden. Die komplette Sachverhalt habe sich erst nach und nach offenbart, räumt Oberbürgermeister Hans Wagner ein. In der Sache bleibt er aber bei seiner Einschätzung, seinerzeit sei wohl nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen. 2009 hatte die Agentur, die schon in den Vorjahren die Werbelinie der Stadt konzipierte, nach den Rathaus-Unterlagen mit besagten 165 387 Euro weit mehr Geld von der Stadt erhalten als je zuvor. Der Werbeetat war um das Sechsfache überzogen und lag bei 310 000 Euro. 2009 war aber auch Kommunalwahlkampfjahr. Und jene Agentur besorgte nicht nur die Werbung der Stadt unter dem CDU-OB, sondern kümmerte sich auch um den Wahlkampfauftritt der Partei. Einen Zusammenhang streiten die Christdemokraten vehement ab. Die Wahlwerbung, erläuterte Jürgen Schmidt vom damaligen Organisationsteam, sei für seine Partei sogar recht teuer gewesen. Wahlwerbung sei keinesfalls über die Stadtkasse bezahlt worden. Die Partei hat einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer eingeschaltet.

Die Werbeaffäre ist nur ein Aspekt der Aufarbeitung, die derzeit in der Verwaltung läuft. So berichtet OB Wagner, noch wenige Tage vor dem Ende der Amtszeit seines Vorgängers habe ein Barscheck über 2500 Euro das Rathaus verlassen, dem sich keine Leistung zuordnen lasse. Darüber hinaus seien Bildbände aus dem Archiv verschwunden. Prüfen will der Verwaltungschef auch, wie es sich mit der "Spatensammlung" verhält, die der Ex-OB mitgenommen habe. Wagner: "Was von der Stadt bezahlt wurde, gehört der Stadt." Gleiches gelte für die Büromöbel, die sein Vorgänger der Verwaltung abgekauft habe: "Wir können aus dem Rathaus nicht einen Möbelmitnahme-Markt machen." Immerhin soll sich die Personalakte Jungs wieder im Verwaltungssitz befinden.

Wagner zeigt sich unbeirrt, wenn es um die Aufarbeitung der Amtszeit seines Vorgängers geht. Scharf trennen wolle er, was vor seiner Zeit war, und dem, was er selbst als erster Bürger der Stadt auf den Weg bringen wird. Mit Nachtreten habe das nichts zu tun. Als "Angestellter der Bürger" müsse er Schaden von der Stadt abwenden und reinen Tisch machen.

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