Vom schwindenden Interesse an öffentlicher Kunst

St Ingbert · In St. Ingbert und Umgebung gibt es viele Werke, die als „Kunst im öffentlichen Raum“ bezeichnet werden. Da Sehen nicht gleichzeitig auch Wahrnehmen bedeutet, bleiben sie oft unbeachtet und gehen unter im vertrauten Stadtbild. Ihnen gilt die Aufmerksamkeit dieser Artikelreihe, die in loser Folge Einzelwerke der „Kunst im öffentlichen Raum“ vorstellt. Heute Teil 1: Emil Mrowetz.

 Die Figuren von Emil Mrowetz in der Fußgängerzone. Foto: Brigitte Quack

Die Figuren von Emil Mrowetz in der Fußgängerzone. Foto: Brigitte Quack

Foto: Brigitte Quack

Die Grundlagen für "Kunst im öffentlichen Raum " wurden nach dem Ersten Weltkrieg gelegt. Damals verabschiedete der Reichswirtschaftsverband einen Erlass zur "Kunst am Bau", der vorsah, dass beschäftigungslose und notleidende Künstler bei staatlichen und kommunalen Bauaufträgen zu berücksichtigen sind. Nach der Unterdrückung durch die Nationalsozialisten feierte diese Kulturförderung eine Renaissance im Jahr 1950 : In der 30. Sitzung des Deutschen Bundestages wurde festgelegt, dass bei allen Neu- und Umbauten des Bundes ein Betrag von mindestens ein Prozent der Bauauftragssumme, später zwei Prozent für Werke Bildender Künstler vorzusehen ist.

Als Bremen 1973 unter der Bezeichnung "Kunst im öffentlichen Raum " ein kommunales Kunstprogramm verabschiedete, verband man erstmals die Förderung aktueller Kunst mit der Stadtentwicklung und Stadtgestalt. Damit zollte man der Tatsache Tribut, dass viele Kunstwerke ganz konkret Bezug auf historische, architektonische oder soziale Gegebenheiten nehmen. Das bedeutete, dass neben untrennbar mit der Architektur verbundenen Werken wie Mosaiken oder Wandreliefs auch vom jeweiligen Standort loslösbare Arbeiten wie Gemälde und Skulpturen zu dieser Sparte gehörten - auch Brunnen und Standbilder, die viele Jahre zuvor entstanden waren. Diese Praxis machte auch im Saarland Schule, wo noch heute die 1995 verabschiedeten Richtlinien zur "Kunst im öffentlichen Raum " gelten. Auf den Ebenen von Stadt, Kreis und Land wählen jeweils unterschiedlich besetzte Gremien unter eingereichten Vorschlägen förderungswürdige Arbeiten aus, über deren Realisierung an übergeordneter Stelle entschieden wird.

In St. Ingbert ist eine der Aufgaben des Kulturausschusses, über Kunst im öffentlichen Raum zu beraten und Beschlüsse zu fassen, über deren Realisierung und Finanzierung der Stadtrat entscheidet. Doch bekanntlich führen viele Wege nach Rom, so dass Werke auch auf anderem Wege Aufnahme in den kommunalen Kunstbesitz gefunden haben - etwa im Rahmen des Albert-Weisgerber-Preises, dessen Verleihung mit dem Ankauf einer Arbeit des Preisträgers verbunden ist, oder als Schenkung, wie etwa im Falle des Erb-Nachlasses.

Zur "Kunst im öffentlichen Raum " zählen aber auch jene Werke, die sich in Gebäuden des Saarpfalz-Kreises befinden und somit nicht dem kommunalen Kunstbesitz, sondern dem des Kreises zuzurechnen sind. Generell hat die öffentliche Kunstförderung in den vergangenen Jahren kontinuierlich abgenommen und es wird zunehmend auf Sponsoren und private Financiers gesetzt. In unserer Mittelstadt erfolgte der letzte Ankauf im Jahr 2006, als die Stadt nach mehreren Anläufen des Ortsrats St. Ingbert-Mitte die Installation von Madeleine Dietz auf dem Waldfriedhof erwarb.

Insgesamt verfügt St. Ingbert über viele ältere Werke der "Kunst im öffentlichen Raum ", die wie die wenigen neueren Datums aus der Zeit ihrer Entstehung heraus zu begreifen sind. Dabei bietet gerade die besondere Wahrnehmung durch eine breite Schicht der Bevölkerung einige Möglichkeiten, den städtischen Lebensraum in spezifischer Weise zu thematisieren und den Bürger zum Mitdenken bei Fragen der Stadtentwicklung und gesellschaftlichen Prozessen anzuregen. So kann sie auch an einem Wandel der Sichtweisen und der Ausprägung kollektiven und kulturellen Gedächtnisses mitwirken - vorausgesetzt sie ist unabhängig und gezielt auf diese Aufgabe ausgerichtet. Manches kann sicherlich auch unverständliche sein und für Zündstoff sorgen, doch ist es nicht die Diskussion an sich, die schon das Bewusstsein schärft? Doch dazu müssen die Werke erst in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Da die meisten aber zum Stadtbild gehören und wenn überhaupt, dann nur noch selten als Kunstwerke wahrgenommen werden, richtet die SZ-Serie "Kunst im öffentlichen Raum " den Blick auf jene Werke, die den öffentlichen Raum in St.Ingbert und Umgebung bereichern. Wer mit offenen Augen durch die St. Ingberter Fußgängerzone geht, wird den beiden lebensgroßen Bronzefiguren eines Vaters und seines Jungen unweit der alten Kirche begegnen. Er wird den groß gewachsenen Mann sehen, der ganz entspannt mit leicht gespreizten Beinen auf der Mauer sitzt und die Hände locker lässig übereinander geschlagen hat. Und den Jungen, der versucht die Mauer zu erklimmen. Der Kleine wirkt ein wenig angespannt, während sein Vater still und souverän den Beobachterposten eingenommen hat.

Es handelt sich um zwei Bronzeplastiken, die der damals in Tholey lebende Emil Mrowetz im Jahre 1986 für die Stadt St. Ingbert als Auftragsarbeit geschaffen hat. Eine einfache, ruhige Szene, die an diesem Ort mitten in der autofreien Zone zum Verweilen einlädt. Obwohl die beiden Figuren keine Mimik erkennen lassen und in schlichten reduzierten Körperformen einher kommen, haben sie eine große Ausdruckskraft. Es sind die Gesten und die Haltungen, die Körpersprache eben die uns diese alltägliche Geschichte eines Vaters und seines Sohnes in aller Beschaulichkeit übermittelt. Doch die Zeiten haben sich geändert und vieles ist schnelllebiger geworden, so dass solche Szenen heute nur noch selten der Realität entsprechen. In dieser Hinsicht kann dieses Werk von Emil Mrowetz als die Idealisierung eines idyllischen Kleinstadtlebens angesehen werden.

Emil Mrowetz wurde 1913 im schlesischen Gleiwitz als 19. von 21 Kindern geboren. In Bremen war er ab 1931 als Dekorationsmaler tätig und hospitierte an der dortigen Kunsthochschule. Nach einer Kriegsverletzung und französischer Gefangenschaft lebte er in Uchte (Nordrhein-Westfalen) und arbeitete von 1951 bis 1975 als freischaffender Maler, Bildhauer und Grafiker in Bremen . 1975 kam er nach Tholey, wo er bis zu seiner Rückkehr nach Uchte 2002 lebte und arbeitete. Bevor er im März 2007 starb, übergab er einen Großteil seiner Werke an die neu gegründete Emil-Mrowetz-Stiftung in Uchte .

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