Vom Ehekrisengradmesser bis zum Zungenkuss

St. Ingbert. "Kennen Sie alles nicht?", stellte der Autor einerseits bedauernd und zum andern mit einem für ihn typischen, schelmischen Grinsen fest. Mit Autor ist Siegmund Nimsgern gemeint. Der St. Ingberter las am Mittwochabend in der St. Ingberter Stadtbibliothek rund 100 Aphorismen aus etwa 50 Jahren vor. Die erste Veranstaltung des St

 Siegmund Nimsgern las in der Stadtbücherei. Foto: jma

Siegmund Nimsgern las in der Stadtbücherei. Foto: jma

St. Ingbert. "Kennen Sie alles nicht?", stellte der Autor einerseits bedauernd und zum andern mit einem für ihn typischen, schelmischen Grinsen fest. Mit Autor ist Siegmund Nimsgern gemeint. Der St. Ingberter las am Mittwochabend in der St. Ingberter Stadtbibliothek rund 100 Aphorismen aus etwa 50 Jahren vor. Die erste Veranstaltung des St. Ingberter Literaturforums (ILF) für dieses Jahr unterschied sich sehr von den sonst üblichen. Eine lokale Größe saß da vorne vor den Bücherregalen und trug nicht einfach nur Prosa vor. Nein, vielmehr kurze Sätze, manchmal sogar nur Schlagworte. Manches reimte sich gar. Schwerpunkte - und an diesen Themen hat Nimsgern beim Vortragen eine immense Freude - waren Untreue, Seitensprung, Sex und natürlich das Thema zwischen Mann und Frau. "Geschlechterdingens" dann auch der Titel, unter den der 70-jährige Opernsänger seine Lesung stellte. Scharfe SuppeMan ahnte schon zu Beginn, das wird ein Abend der Wortspiele und Verdrehungen. Aber genau das machte auch das Salz in der Suppe aus. Vielleicht doch noch ein Zusatzgewürz für die Schärfe? Nehmen wir den Perspektivenwechsel bei Themen im Vergleich von früher zu heute etwa. Da spürt man die Altersreife, da man vieles anders, manchmal gar lockerer sieht. Wie Professor Dr. Gerhard Sauder, der Leiter des ILF, eingangs mutmaßte, könnten die Nimsgern'schen Texte Rache sein. Revanche quasi für so manch schlechten Bühnentext, den er gesanglich vortragen musste. Nimsgern stritt dies natürlich ab, grinste doch ein wenig und begrüßte die Gäste mit "Begehrte Singles, verehrte Paare". "Wer Frau liebt, leidet nicht nur, sondern häufig". Gut, dass das mal jemand sagte. "Schweigen Sie, wenn Sie sich getroffen fühlen", forderte er die Zuhörer auf. Die taten das nicht, sondern lachten, weil sie sich wiedererkannten. Etwa bei "Wenn eine Frau zwinkert, hat sie entweder eine Fliege oder einen Mann im Auge". Ein wenig kritisch waren die Aphorismen auch: "Ich will keine Kinder, weil ich ihnen mich als Vater ersparen will". Das Ehenest sei wie ein Käfig: Man baue sich ein Nest und es stelle sich wie ein Käfig raus. Und dann gab es Aufklärung. Die Lebensgefährtin käme ja von lebensgefährlich. Und er sei ja lesbisch: Er liebe ausschließlich Frauen. Da wird nichts ausgelassen. Auch nicht der Zungenkuss. Er sei immerhin eine besondere Art, den Mund zu stopfen. Aufschlussreiche Information dann auch aus dem Bereich der Medizin: EKG bedeute Ehekrisengradmesser. Nimsgern hatte erkennbar große Freude am Vortragen: "Eigentlich müsste ich längst eine Komödie daraus gemacht haben", stellte er fest. Dazwischen gab es immer wieder Gesangswerke aus dem Opernleben des St. Ingberters zu hören. jma

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort