Wochenkolumne An den Tiefpunkten der Nachhaltigkeit

Diese Woche hat die Bewerbungsfrist für den Wettbewerb um den Deutschen Nachhaltigkeits-Preis begonnen. Ob die zuständigen Stellen im St. Ingberter Rathaus die Unterlagen bereit verschickt haben oder noch an der Bewerbung feilen, ist nicht bekannt.

Vermüllung durch to-go-Artikel in St. Ingbert
Foto: SZ/Robby Lorenz

Doch nach den beiden sehr guten Platzierungen der vergangenen beiden Jahre wird sich die Mittelstadt in ihrer Kategorie sicher wieder zur Wahl stellen.

Und tatsächlich kann St. Ingbert in Sachen Nachhaltigkeit durchaus punkten. So setzt die Biosphären-Stadt immer mal wieder „Duftmarken“ bei der Elektromobilität. Vorvergangene Woche wurden zwei Elektroautos für den Baubetriebshof in Betrieb genommen, in dieser Woche ein Elektro-Lasten-Fahrrad für die örtliche Volkshochschule. Oberbürgermeister Hans Wagner ist bekennender Fan dieser nicht ganz unumstrittenen Technik. Man kann einwenden, dass den Stadtwerken St. Ingbert als lokalem Energieversorger sicher angst und bange würde, wenn alle St. Ingberter innerhalb kurzer Zeit ihrem OB nacheiferten und sich den Treibstoff für ihre Autos aus den auch nicht unbedingt ökologisch sauber befüllten Steckdosen holen würden. Aber umweltfreundlicher als Sprit, der via Pipeline oder Supertankern nach Mitteleuropa befördert wird, scheint er allemal.

Doch unabhängig von weiteren Initiativen wie den Blühwiesen, dem „Jahr der Bienen“ oder umweltpädagogischen VHS-Angeboten ist es auch für St. Ingbert noch ein weiter Weg zur nachhaltig ökologischen Stadt. Dass sich am vergangenen Sonntag rund 40 St. Ingberter zusammengefunden haben, um an ihrem freien Nachmittag bei schönstem Frühlingswetter in der Innenstadt achtlos weggeworfenen Müll einzusammeln, statt wie viele andere in Wald und Feld zu lustwandeln, verdient sicher uneingeschränkten Beifall. Aber schon, dass eine solche Aktion stattfinden musste, wirft eben kein gutes Licht auf den anderen, längst nicht so nachhaltig-ökologisch eingestellten Teil der St. Ingberter Bevölkerung.

Wer allein auf der kurzen Strecke vom Parkplatz am Jugendzentrum bis in die Fußgängerzone den Blick aufmerksam nach unten richtet, der staunt, was und vor allem wie viel die Menschen so einfach auf Bürgersteige und Straßen werfen. Als traurige Höhepunkte warten dann vor allem früh morgens die noch recht zahlreichen öffentlichen Mülleimer in St. Ingberts Einkaufsmeile. Sie dokumentieren trotz emsigen und regelmäßigen Einsatzes der Stadtreinigung quasi den absoluten Tiefpunkt der Nachhaltigkeit: Sie sind überfüllt mit Flaschen, Dosen, halbverzehrten Essensresten und ihren Verpackungen und seit einigen Jahren zunehmend mit Kunststoff-Getränkebechern. Haben wirklich so viele St. Ingberter so wenig Zeit, dass sie im Gehen (noch schlimmer: beim Autofahren) essen und trinken müssen? Die Erfinder des „to go“ haben von Nachhaltigkeit wohl noch nie etwas gehört, oder sie war ihnen schlicht egal.

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