Heimatbesuch in St. Ingbert Als ein Bunker der geheime Spielplatz war

St. Ingbert · Claudine Rimbaux, die mittlerweile in Venezuela lebt, war auf Heimatbesuch auf der Alten Schmelz.

 Claudine Rimbaux hat ihre Kindheit an der Direktorenvilla auf der Alten Schmelz verbracht.

Claudine Rimbaux hat ihre Kindheit an der Direktorenvilla auf der Alten Schmelz verbracht.

Foto: Giusi Faragone

„Die Blaufichte hinter dem Haus haben wir zum sechsten Geburtstag meiner Schwester gepflanzt“ – Claudine Rimbaux schaut etwas wehmütig in den verwilderten Garten hinter der Ruine, die einstmals prächtige Direktorenvilla auf der Alten Schmelz war. Die Blaufichte ist heute etwa zehn Meter hoch und führt einen verzweifelten Kampf gegen Efeu, der sie zu erdrücken scheint.

Claudine Rimbaux ist auf Heimatbesuch. Hier verlebte sie ihre Kindheit. 1968 kam sie als kleines Kind hierher, ihr Vater Claude trat damals seinen Dienst an als Direktor des Drahtwerks. Die frühere Firma Hadir war von Arbed übernommen worden, Rimbaux siedelte mit der ganzen Familie nach St. Ingbert um. Damals war die Villa nördlich der Produktionsanlagen noch ein richtiges Traumhaus. Zwölf Gärtner kümmerten sich anfangs um den Park, der das Haus umgeben hat. Claude Rimbaux schickte elf davon gleich zurück ins Drahtwerk und überließ den Park etwas mehr der Natur.

Die Kinder fanden, wie Claudine erzählt, ein Paradies vor. „Wir überzeugten unsere Eltern, dass wir zu Festen keine Geschenke mehr wollten, sondern Tiere“, und so verwandelten Claudine, ihre Schwester Marie Louise und Bruder Alexandre den herrschaftlichen Park allmählich in eine landwirtschaftlich anmutende Umgebung mit Hühnern, Enten, Schwarzkopfschafen und Pferden.

„Bedingung war, dass wir vor der Schule die Tiere versorgen, also um sechs Uhr in der Frühe auf den Beinen waren.“ Claudine Rimbaux schwärmt vom weitläufigen Gelände gleich neben dem Drahtwerk. „Ich habe einen Bunker gefunden, relativ nah an der Dudweilerstraße, und im unteren Teil des Geländes eine Menge unterirdischer Gänge. Mit einer Taschenlampe haben wir sie erkundet, es gab dort noch eine Menge Mobiliar aus Kriegszeiten, Schränke und Pritschen vor allem“, erinnert sie sich. „Dort spielten wir, bis wir den Fehler machten, unserem Vater davon zu erzählen. Das war es dann gewesen.“

Nebenan, im heute bewohnten Direktorenhaus, das damals allerdings leer stand, sollte das Casino des Drahtwerks einziehen. Das war vorher in der Ensheimer Straße. „Das Haus wurde zwar möbliert, aber letztlich eingezogen ist das Casino nicht. Wir Kinder freuten uns, denn so hatten wir, wenn wir die Schule schwänzten, ein recht komfortables Quartier.“

Bis 1986 hatte das Paradies Bestand. Nach dem Tod von Claude Rimbaux allerdings sucht sich die Familie eine neue Bleibe. „Heute tut es immer noch etwas weh, wenn ich das verfallene Haus meiner Kindheit sehe“, erzählt Claudine. Dreimal im Jahr kommt sie ins Saarland und besucht ihre Kinder. Ansonsten ist sie weit, weit weg.

„Auch im Kopf. Ich habe mittlerweile meine Probleme, wenn ich in Frankfurt lande und die Menschen in gedeckten Farben umherlaufen sehe.“ In ihrer Heimat, die sie seit Jahrzehnten gefunden hat, regieren andere Farben und Stimmungen. Claudine lebt in Venezuela. Auf dem Festland betreibt sie ein Centre Commercial, in dem sie selbst hergestellte Lebensmittel verkauft, und auf der Isla de Margarita besitzt sie ein Restaurant am Strand. „Ein schöneres Büro kann man nicht haben“, schwärmt sie, während sie hier bei zehn Grad Spätsommertemperatur kläglich friert.

St. Ingbert vergessen – das geht auch auf der Isla de Margarita nicht. „Ich verkaufe Wurst, die wir nach saarländischem Rezept herstellen, dazu Brot, das mir ein Franzose backt, und kaltes Bier“ – also gar nicht so weit weg von den heimatlichen Wurzeln.

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