Der Urlaub wankt Der Sommerurlaub könnte baden gehen

Saarpfalz-Kreis · Bisher wurde die Frage erfolgreich verdrängt, doch sie rückt näher: Was passiert mit den schönsten Wochen des Jahres? Fallen sie aus? Auch die Reiseprofis wissen nicht, was wird.

 Bis man ins europäische Ausland verreisen kann, wie hier an einen Strand an der Cote d’Azur, dürfte es wohl noch viele Wochen dauern.

Bis man ins europäische Ausland verreisen kann, wie hier an einen Strand an der Cote d’Azur, dürfte es wohl noch viele Wochen dauern.

Foto: Christine Maack

Nein, es gibt kein Grundrecht auf Urlaub. Es steht nirgendwo in der Verfassung, dass deutsche Staatsbürger mindestens einmal im Jahr ans Meer reisen, die Zugspitze besteigen oder in einem schicken Café in St. Tropez sitzen sollten. Und doch ist der Urlaub des Deutschen liebstes Kind, auf das er nur im äußersten Notfall verzichten will. Bereits in den 50er Jahren fuhr, wer es sich leisten konnte, in den Süden. Zunächst in die Nachbarländer, vorzugsweise Frankreich, Österreich, Schweiz, sehr bald dann nach Italien und Spanien. Mit dem steigenden Wohlstand drehte sich das Urlaubskarussell immer schneller, man fuhr nicht nur einmal, sondern drei bis vier Mal weg, Skifahren im Februar, Ostern in die Provence, im Sommer in die Türkei, im Herbst in die Toskana, im November Wellness. Hinzu kamen Fernreisen, Bildungsreisen, Schiffsreisen.

Und jetzt? Aus. Stecker gezogen, fertig. Die letzten Urlauber trudelten Anfang März aus den Ski-Ferien ein und schleppten auch noch die Ursache allen Übels mit sich, das Corona-Virus. Und das könnte jetzt die Ursache sein, dass in diesem Sommer erstmals der Urlaub gestrichen werden könnte.

Was wird aus unserem Sommerurlaub? Mit dieser bangen Frage hielten sich die meisten Bürger noch zurück, doch langsam wird es eng. „Den ausgefallenen Osterurlaub haben die Leute noch verhältnismäßig gut weggesteckt“, sagt Kai Dietgen vom Deutschen Tourismusverband, „Oster-Skifahren war ohnehin tabu, außerdem werden an Ostern oft nur ein paar Tage gebucht, maximal eine Woche. Der Jahresurlaub fällt fast nie in die Osterferien. Der Verzicht war also kein großes Problem.“

Doch nun geht’s um den Sommer. Und damit ans Eingemachte. Anfangs hätten die meisten Leute gedacht, je früher die Ausgangssperren komme, desto sicherer sei der Sommerurlaub, weil dann „alles wieder gut“ sei. Doch es sieht derzeit nicht danach aus. „Man kann im Moment keine Prognosen abgeben“, sagt Dirk Hoffmann vom Homburger Reisebüro Sonnenklar, „die ganze Situation hat eine Eigendynamik bekommen, die wir nicht einschätzen können.“ Die meisten Kunden, die für Juli oder August gebucht haben, warteten noch ab, „sie hoffen, dass es doch noch irgendwie klappt. Aber wer weiß das schon?“

Die Stornierungen für den klassischen Sommerurlaub hielten sich daher noch in Grenzen, „wir raten den Kunden, im Zweifelsfall den Urlaub umzubuchen, denn eine Stornierung kann teuer werden.“ Zumal eine solche Situation noch nie da war: „Die Kunden wünschen sich ja sehnlichst, in Urlaub zu fahren und zu entspannen, aber sie dürfen es nicht oder sie wagen es nicht.“ Dirk Hoffmann vermutet, dass das europäische Ausland bis Ende Mai nicht bereisbar sein wird. „Im Juni muss man dann mal sehen, vielleicht werden ein paar Maßnahmen gelockert.“

Die andere Frage sei natürlich, ob man an seinen Zielen festhalten wolle, zum Beispiel Italien. Der italienische Tourismusverband macht sich verständlicherweise Sorgen, denn wer will sich in diesem Jahr überhaupt noch fröhlich an der Amalfi- oder der Adria-Küste an den Strand legen? Und kein noch so edles toskanisches Weingut kann die Horrorbilder aus italienischen Krankenhäusern vergessen machen. Da möchte im Falle einer Infektion nun wirklich niemand hin. Daher, so Hoffmanns Erfahrung, haben einige Kunden schon 2021 ins Auge gefasst: „Für den Herbst und fürs kommende Jahr liegen uns Anfragen vor. Der Beratungsbedarf ist hoch, die Kunden haben viele Fragen.“ Deshalb ist das Reisebüro in der Homburger Altstadt seit Montag, 20. April, auch wieder stundenweise geöffnet, „natürlich unter Beachtung aller Hygiene-Vorschriften, mit Mundschutz und begrenztem Zugang.“

Viel Beratungsbedarf herrscht auch beim Reisebüro Frank & Mettendorf, das eine große Filiale im Globus in Einöd betreibt. „Die Kunden wollen wissen, ob und wie sie umbuchen können. Wir beraten sie telefonisch über neue Termine oder andere Reiseziele, wir haben im Moment viel zu tun,“ sagt Inhaber Klaus Frank, „generell raten wir von Stornierungen ab, denn die kosten eine Menge Geld. Dieses Geld sollte man lieber in den nächsten Urlaub stecken, da hat man mehr davon.“ Prognosen für den Sommer will auch er auf keinen Fall abgeben: „Das geht gar nicht, das wäre reine Spekulation, damit ist niemandem gedient.“ Viele Kunden fragten nach Herbst-Angeboten, meistens in Deutschland, „da gibt es noch Kapazitäten, die Herbstferien sind generell gut gebucht, wer vom Sommer in den Herbst ausweichen möchte, findet derzeit aber noch schöne Unterkünfte.“

 So schön die Toskana auch ist, derzeit muss man wohl noch lange warten, bis man sich wieder nach Italien aufmachen kann.

So schön die Toskana auch ist, derzeit muss man wohl noch lange warten, bis man sich wieder nach Italien aufmachen kann.

Foto: Christine Maack
 Die Provence ist ein klassisches Ziel für Ostern oder für den Herbst. Ostern fiel schon mal flach, der Herbst könnte vielleicht klappen.

Die Provence ist ein klassisches Ziel für Ostern oder für den Herbst. Ostern fiel schon mal flach, der Herbst könnte vielleicht klappen.

Foto: Christine Maack

Tourismusforscher vermuten, dass sich nach der Corona-Krise das Reise-Verhalten der meisten Deutschen ändern wird. Fernreisen allgemein dürften spürbar zurückgehen, Flüge nach Asien sowieso, ebenso könnten Kreuzfahrten einen Einbruch erleiden. Bei Kreuzfahrten dürfte der Einbruch aber nur so lange anhalten, bis ein Impfstoff gefunden ist, zumal sich diese Art des Reisens sehr großer Beliebtheit erfreue. Aufgewertet würden Destinationen in Deutschland, die bisher eher als Tagesausflugsziele galten. Hier seien nun mehrtägige Aufenthalte durchaus möglich, vor allem, wenn schöne Hotels mit vielen Freizeitmöglichkeiten vorhanden seien. Und womöglich ein ordentliches Krankenhaus mit ausreichend Intensivbetten. Wer hätte noch vor einem halben Jahr an so etwas gedacht?

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