Erst vor knapp einem Jahr wurde ihr Film "Das geht nur langsam" auf dem Max-Ophüls-Festival in Saarbrücken und auf dem Internationalen Filmfestival in New York gezeigt. Darin schildert die Wörschweiler Filmemacherin Gabi Heleen Bollinger das Schicksal des von den Nazis verfolgten und ermordeten deutschen Bildhauers und Malers Otto Freundlich. "Ein Film, der Geschichte ins Gedächtnis zurückruft", hat sie damals gesagt. Nun erinnert sie in ihrem neuen Film "Die Waldeck" an eine fast vergessene deutsche Musikgeschichte.

"Die Burg-Waldeck-Festivals im abgelegenen Hunsrück zwischen 1964 und 1969 waren die ersten Freiluftkonzert-Festivals in Deutschland und bildeten einen entscheidenden Abschnitt in der deutschen Folkgeschichte", sagt sie im Gespräch mit unserer Zeitung. Diese Festivals seien vom französischen Chanson und der amerikanischen Folk- und Protestlieder-Szene beeinflusst gewesen. Bollinger: "Sie setzten das engagierte und kritische Lied als Gegenpol zum damaligen Schlager." Darüber hinaus waren sie die Karriere-Anfänge von bedeutenden Musikern und Liedermachern. Das Ende kam im Zuge der Studentenbewegung ab 1968/69: Statt Folklore hieß es nun Rockmusik und revolutionär-politische Debatten.

Gabi Heleen Bollinger: "Wer die Waldeck schon kennt, glaubt, sie besser als andere zu kennen. Mir geht es auch so: Auf der Waldeck klingt das Lied. Die Waldeck ist Jugendbewegung und Protest, sie ist Mythos und Legende." Mit dieser Vorstellung und 1000 Liedern im Kopf sei sie nach fast 40 Jahren wieder auf die Burg gefahren und habe für den Film journalistische Distanz geübt.

Tatsächlich sei "Die Waldeck" eine Burgruine und eine große Wiese mit Panoramablick auf den Hunsrücker Schieferwald - "wenn es da nicht die vielen schöpferischen Menschen und ihre Lieder gäbe. Im Film begegnen uns diese Musenkinder über fünf Generationen. Mit ihnen erleben wir die fast 100-jährige Geschichte. In ihren Liedern erzählen sie von Freiheitsliebe, Ferne und Heimat, von einem intensiven Leben." Die Waldeck sei seit 1922 die Burg des Nerother Wandervogels, großer Sänger, bündischer Vaganten und Weltenfahrer. "Verbot, Verfolgung in der Nazizeit und Verwicklungen nach dem Kriege führen dazu, dass es dort oben auch die Arbeitsgemeinschaft Burg Waldeck gibt, die in den 1960er Jahren das Chanson Folklore International veranstaltet hat", erzählt sie weiter.

Auf diesen ersten Open-Air-Festivals in Westdeutschland seien auch Franz Josef Degenhardt, Reinhard Mey, Hannes Wader, Hein & Oss, aus England Colin Wilkie & Shirley Hart, aus den USA Hedy West aufgetreten. Sie sangen zeitkritische Lieder und Chansons, authentische Volkslieder, internationale Folklore. Bollinger: "Als Geburtshelfer der neuen Liedbewegung in Westdeutschland ist die Waldeck zur Legende geworden. Und weil mich das Lied immer bewegt hat, bin ich nach so vielen Jahren wieder in den Hunsrück gefahren. Meinen Erinnerungen hat es nicht geschadet. Auf der Festivalwiese lagert wieder Jugend, mir noch unbekannte Musikgruppen und viele neue Lieder sind mir begegnet."



Der neue Bollinger-Film, der von der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur und der Saarland Medien GmbH unterstützt wurde, wird am Freitag, 10. Mai, 20 Uhr, in St. Ingbert in der Kinowerkstatt gezeigt. Der Film (Kameramann und Cutter: Gunter Moskau) ist auch auf DVD erhältlich. Mehr Informationen dazu bei Gabi Heleen Bollinger unter Tel. (0171) 4 96 83 75 oder E-Mail: info@die-waldeck-der-film.de.