Bis zur letzten Sekunde gezittert St. Ingberter Rennstall schreibt Motorsport-Geschichte

St. Ingbert · Rowe-Racing gewinnt 24-Stunden-Rennen von Spa nach dramatischer Schlussphase. Teamchef liebäugelt mit Einstieg in DTM.

  Auf dem Weg zum Sieg: Nick Tandy, Earl Bamber und Laurens Vanthoor retteten nach 24 Stunden gerade mal 4,687 Sekunden Vorsprung ins Ziel.

Auf dem Weg zum Sieg: Nick Tandy, Earl Bamber und Laurens Vanthoor retteten nach 24 Stunden gerade mal 4,687 Sekunden Vorsprung ins Ziel.

Foto: Hoch Zwei / Juergen Tap/Juergen Tap

Die Sieges-Trophäen von zwei der wichtigsten Langstrecken-Klassiker im Motorsport stehen seit vergangener Woche in St. Ingbert. Nur 28 Tage nach dem Erfolg beim legendären 24-Stunden-Rennen am Nürburgring gewann Rowe Racing am Sonntag vor acht Tagen auch das Rennen auf der belgischen Formel-1-Rennstrecke in Spa-Francorchamps. Und was diese Erfolge noch spezieller macht: Das Team trat bei den beiden Rennen mit zwei komplett verschiedenen Autos an. In der Eifel setzte der St. Ingberter Rennstall einen BMW M6 GT3 ein, auf der Ardennen-Achterbahn einen Porsche 911 GT3. „Mit zwei verschiedenen Herstellern diese beiden Rennen zu gewinnen, hat zuvor noch keiner geschafft“, sagte Teamchef Hans-Peter Naundorf stolz.

Dabei hing der Sieg in Belgien aber am seidenen Faden. Denn zweieinhalb Runden vor Renn-Ende hörte Schlussfahrer Nick Tandy plötzlich seltsame Geräusche aus dem Heck des Porsche 911. „Es war laut – und es hörte sich fast an, als würden kleine Bomben im Heck explodieren“, erinnert sich der Brite, der in der gefürchteten Kurve von Eau Rouge sogar fast von der Strecke geflogen wäre. „Ich bin mit der Hinterachse auf eine Ölspur gekommen“, erzählt Tandy. „Was ich da noch nicht wusste: Das Öl kam aus unserem Auto.“

Das merkte der Brite allerdings erst nach einer Inspektion des Fahrzeughecks im Ziel. Grund für den Ölverlust war ein Getriebeschaden, der sogar das Gehäuse in Mitleidenschaft gezogen hatte. „Ich konnte es gar nicht fassen, dass ich mit dem Auto noch ins Ziel gekommen bin. Dieses Finale werde ich nie vergessen“, sagte Tandy im Ziel völlig fertig.

Seine Kollegen Earl Bamper und Laurens Vanthoor, mit denen sich Tandy das Auto teilte, zitterten an der Box mit: „Eine Runde vor dem Ende, als Nick sich am Funk gemeldet hat, wollte ich schon eine Brücke suchen, von der ich springen kann“, erzählt Vanthoor. „Als er dann über die Ziellinie fuhr, bin ich in Tränen ausgebrochen.“

Dabei hatte das St. Ingberter Team noch doppeltes Glück im Unglück: Da Tandy aufgrund des Getriebeschadens eine Ölspur hinter sich herzog, konnte der zweitplatzierte Audi bei seiner Aufholjagd nicht Vollgas geben. Am Ende rettete Tandy nach fast 3700 Kilometern Renndistanz und 24 Stunden gerade mal 4,687 Sekunden Vorsprung ins Ziel.

In St. Ingbert wurden die besorgniserregenden Geräusche des Porsche-Getriebes übrigens noch von einem anderen Geräusch übertönt: dem Herzklopfen von Teamchef Naundorf. 2011 hat Naundorf das Team gegründet, in Spa-Francorchamps war der Chef wegen eines eingeklemmten Ischias-Nervs ausnahmsweise nicht selbst vor Ort, verfolgte das Geschehen via Livestream.

„Bei den Geräuschen in der letzten Runde hatte ich schon gedacht, dass alles aus ist“, sagte Naundorf. „Aber am Ende hat doch alles gepasst. Nach dem Sieg am Nürburgring jetzt auch in Spa zu gewinnen, ist ein Traum. Wir sind das erste Team überhaupt in der GT3-Ära, das in einem Jahr die 24 Stunden auf dem Nürburgring und in Spa gewinnt. Das ist der Grand Slam im GT3-Rennsport.“

  Starkes Team: Die Mannschaft von Rowe Racing in der Box mit dem riesigen Siegerpokal der 24 Stunden von Spa, der seit 1924 vergeben wird.

Starkes Team: Die Mannschaft von Rowe Racing in der Box mit dem riesigen Siegerpokal der 24 Stunden von Spa, der seit 1924 vergeben wird.

Foto: Tim Upietz, Gruppe C Photography/Gruppe C GmbH

Wie es mit dem Team in der kommenden Saison weitergeht? Rowe wird immer wieder mit einem Einstieg in die neue DTM in Verbindung gebracht, in der ab nächstem Jahr ebenfalls GT3-Autos eingesetzt werden. Naundorf ist nicht abgeneigt: „Ich war ja bereits von 2000 bis 2010 in die DTM involviert – und die DTM lässt einen nie los“, sagte er bereits vor Wochen in einem Interview mit Motorsport total. „So eine gute Plattform habe ich in dieser Form nicht wiedergesehen – außer bei ganz großen Events wie dem 24-Stunden-Rennen.“ Dort gilt Rowe spätestens seit dem Sieg in Spa zu den absoluten Top-Teams.

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