St. Ingberter Seelsorger sieht keinen strafenden Gott „Jetzt kann ich endlich Seelsorger sein“

St. Ingbert · Pfarrer Daniel Zamiliski ist auch in diesen Zeiten Ansprechpartner für die St. Ingberter. Ein Gespräch in der Engelbertskirche.

 Pfarrer Daniel Zamilski im Gespräch mit SZ-Redakteurin Michèle Hartmann in der Alten Kirche.

Pfarrer Daniel Zamilski im Gespräch mit SZ-Redakteurin Michèle Hartmann in der Alten Kirche.

Foto: Cornelia Jung

Kühl ist es hier zwischen dem mächtigen Mauerwerk, ausgesprochen kühl. Die Sonne hat an diesem Morgen noch nicht ihre ganze Kraft entfaltet. Und doch verspürt man im Innern Wärme. Wärme, die auch die vielen kleinen Kerzen verströmen. In Eintracht gemeinsam flackern sie lautlos in andächtiger Atmosphäre ringsumher.

Wir sind verabredet mit Pfarrer Daniel Zamilski in der St. Ingberter Kirche St. Engelbert. In der Alten Kirche, wie sie auch heißt: 1755 erbaut und Teil der Barockstraße. An der momentan nur wenige Menschen vorbeischlendern, denn die Fußgängerzone ist ja weitgehend entvölkert. Wir wollten reden mit dem Mann, der sich seine eigenen Gedanken macht in Zeiten, da das irdische Dasein gerade in beängstigender Art und Weise aufgemischt wird. Jeden Tag sendet der Mann einen Impuls an die Menschen, die ihm folgen wollen. Auf elektronischem Weg, versteht sich. Auf Facebook und auf der Internetseite seiner Kirchengemeinde (www.heiliger-ingobertus.de). Bemerkenswert etwa der Impuls vom vergangenen Montag, der auch direkt in Verbindung steht mit dem, was unter einigen Katholiken gerade kursiert: Ein zorniger Gott, der soeben die Menschheit bestraft. Mit einem Virus, das mit Wucht über die Sünder kam. Bei unserem Gespräch in St. Engelbert kommt eine Frau hinzu, die dahingehend eine E-Mail erhielt und sich über eine solche Sichtweise empört. „Ich kann‘s kaum glauben: Es gibt echt Leute, die meinen, die Corona-Pandemie sei eine Strafe Gottes. Und noch ungeheuerlicher finde ich, dass die, die so was behaupten, auch gleich wissen, wofür Gott die Menschheit hier angeblich prügelt“, sagt dazu der Pfarrer, und: „Hey Leute, glaubt Ihr das wirklich? Was wäre das denn für ein Gott? Zumindest keiner, mit dem ich gern was zu tun hätte. Und auf den Gott, von dem Jesus erzählt hat, können sich diese Strafprediger auch nicht berufen.

Was ist das für ein Glaube, der von Gott so denkt wie von einem mittelmäßigen Menschen? Wer brav ist, wird belohnt, wer mir dumm kommt, dem komm‘ ich noch dümmer – das kann ja jeder. Und ist mir ein bisschen zu primitiv. Nicht nur ein bisschen. Da stell ich mir Gott schon anders vor: größer, großzügiger, herausfordernder, radikaler. Nicht softie, aber extrem liebend. Ich glaube, Gott braucht nicht noch „fromme“ Typen, die ihm in die Suppe spucken – sondern Leute, die mit ihm dafür sorgen, dass seine und unsere Welt nicht den Bach runtergeht.“ Soweit zu abstrusen Thesen in absurden Zeiten.

Und was tut Daniel Zamilski gerade, da auch viele seiner Vorhaben nicht realisierbar sind – gerade jetzt, in Hinblick auf Ostern? „Ich kann endlich das machen, wozu ich Pfarrer geworden bin: Seelsorger sein.“ In dieser Funktion ruft er reihum viele Menschen an, Menschen, die er kennt und sich über seinen Beistand, seine Worte freuen. Sind unter ihnen auch viele verzweifelte und hadernde Menschen? Die allermeisten, sagt er, würden ihm gegenüber kundtun, dass es ihnen gut geht und dass sie versorgt sind. Es gebe aber auch Ausnahmen, etwa die alleinerziehende Mutter, die Angst vor Ansteckung und damit auch vor dem Tod hat und sich fragt: „Was wird dann aus meinem Kind?“

Und was ist mit all dem, was sich nun zu Hause aufstaut in der Enge? Der Seelsorger sagt, dass es wichtig sei, sich gegenseitig mitzuteilen und nicht nur Frust und Unmut rauszulassen und sich anzuschnauzen. Über ein „Hey, es geht mir schlecht“ – darüber sollte man reden zum eigenen Wohl. Im Übrigen findet er einen strukturierten Tagesablauf hilfreich, also nicht den ganzen Tag über im Pyjama verbringen, sondern Rituale befolgen, sich einen geordneten Tagesablauf verordnen.

Und wie ist das mit den Beerdigungen, wo doch nur noch die engsten Angehörigen teilhaben dürfen? Neulich noch, sagt unser Geprächspartner, sei ein in St. Ingbert sehr bekannter Mann zu Grabe getragen worden, unter normalen Umständen seien da sicherlich Hunderte von Menschen mitgegangen. Und nun? Soll es, wenn dies wieder möglich ist, einen Gedenkgottesdienst für die Gemeinschaft der um ihn trauernden Menschen geben. Und was ist nach dieser Zeit der Erkrankungen und der vielen Todesfälle? Was wird aus unserem Seelenheil? Werden wir uns verändert haben? Einige Sekunden überlegt der Diener Gottes und sagt dann: „Ich bin mir nicht sicher, hoffe aber, dass wir eine gewisse Zeit nicht mehr so oberflächlich sind.“ Ein kleines unsichtbares Virus habe gereicht, um unser Leben auf den Kopf zu stellen. Womöglich lerne man nun den Stellenwert des Lebens neu kennen.

Als wir das kleine Gotteshaus verlassen, zählen wir 26 Kerzen. Inzwischen haben einige Menschen, nach ihrer Andacht und dem Verlassen der Kirchenbänke einen kleinen Geldbetrag gespendet und sie dann angezündet. Brennen sollen sie wie die Hoffnung auf das Wiedererlangen der Normalität. Eine Hoffnung, die nicht nur gläubige Christen in sich tragen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort