So steht's um die Baumwollspinnerei
St. Ingbert. Ein Sarg? Nein. Oder doch? Tatsächlich. Es ist wirklich ein Sarg. Etwa 1,50 Meter groß. Innen mit blauem Samtfutter ausgekleidet. Und daneben liegt eine graue Krankenbare. Verwittert, voller Spinnweben. "Wahnsinn", sagen einige der Mitglieder des Ortsrates St. Ingbert-Mitte synchron
St. Ingbert. Ein Sarg? Nein. Oder doch? Tatsächlich. Es ist wirklich ein Sarg. Etwa 1,50 Meter groß. Innen mit blauem Samtfutter ausgekleidet. Und daneben liegt eine graue Krankenbare. Verwittert, voller Spinnweben. "Wahnsinn", sagen einige der Mitglieder des Ortsrates St. Ingbert-Mitte synchron. Sie hatten wohl mit allem gerechnet, als sie ihre Sitzung in der Alten Baumwollspinnerei anberaumt hatten. Nur nicht damit.Aber keine Angst. Hier ist nichts Schlimmes passiert. Es sind lediglich die Relikte der grauen Vorzeit des 1885 gemauerten 10 000 Quadratmeter großen Gebäudes. Genauer: aus den Zeiten, als die Bundeswehr hier auf vier Etagen ein Sanitätsdepot samt Notfall-Lazarett eingerichtet hatte. Also von 1964 bis 1997. Aber das ist lange vorbei. Und doch das letzte Lebenszeichen der Alten Baumwollspinnerei. Denn seitdem ist es ruhig geworden. Bis zum 1. Oktober 2011. Da unterzeichneten Stadtbaudirektor Martin Ruck und Spinnerei-Besitzer Werner Deller in einer 13-stündigen Marathon-Sitzung den 1000 Seiten starken Kaufvertrag. Der Inhalt: die Zukunft der Spinnerei-Fabrik. Und die soll rosig werden.
Im denkmalgeschützten Gebäude erklären Ruck und Deller, wie die Spinnerei künftig aussehen wird. Grob: Die Stadt erwirbt vom Galeristen Ende April 2013 zwei Etagen schlüsselfertig. Der Kaufpreis liegt bei 9,5 Millionen Euro, von denen die Stadt lediglich 2,7 Millionen zahlt. Den Rest steuern Land und Bund bei. Im zweiten Obergeschoss soll das seit 2007 vorübergehend heimatlose Albert-Weisgerber-Museum eine Bleibe finden. Im Erdgeschoss und teilweise im Keller plant die Stadt die Bündelung ihrer Jugendkultur- und Bildungseinrichtungen, mit Musik- und Tanzschule, Kinowerkstatt, Jugendtreff nebst Junger VHS. Das in Dellers Besitz bleibende, erste Obergeschoss will dieser wesentlich als Galerie nutzen. Auf dem neuen Dach will er eine Skylounge, eine Art Cafébar, bauen. Das ist die einzige wirkliche Neuerung am Bau.
Alles klar? Nicht ganz. "Wann beginnt der Umbau eigentlich?", fragt Ortsvorsteher Ulli Meyer. "Im April", meint Ruck. Einige Ortsratsmitglieder runzeln die Stirn. Ruck nickt zuversichtlich, sagt, er zweifle nicht daran, dass die Umbauarbeiten bis April 2013 abgeschlossen sein werden. Und ergänzt: "Die Uhr läuft gegen Deller, nicht die Stadt." Im Klartext: Im Kaufvertrag sind Sanktionen eingebaut, falls die Spinnerei nicht zum vereinbarten Termin fertig sein würde. "Aber dazu wird es nicht kommen. Es muss ja kein neues Gebäude gebaut werden." Derzeit bespreche Deller mit dem Bauunternehmer die Feinheiten des Innenausbaus. Dann beginne der Rückbau alter Leitungen.
Die Räte sind immer noch nicht zufrieden. Ein paar Beispiele: "Was ist mit der Stadtbücherei? Zieht sie jetzt ins neue Kulturzentrum ein oder nicht?", will einer wissen. Geplant sei es nicht. Es koste auch Zeit und Geld, die Pläne nochmal zu überarbeiten, so Ruck. Die Räte nicken. Und staunen, als sie hören, dass nur 60 Parkplätze um die neue Spinnerei geplant seien. "Das reicht gerade mal für die Angestellten", meint ein Rat. "Formal reichen sie, de facto wohl nicht", stimmt Baudirektor Ruck zu. Aber es gebe für Großveranstaltungen durchaus Möglichkeiten, Ausweichparkplätze im direkten Umfeld auszuweisen.
Am Ende sind die Ortsräte doch zufrieden und stolz auf das Prestigeobjekt im Herzen der Stadt. "Die Baumwollspinnerei wird ein tolles Aushängeschild für St. Ingbert", meint Ortsvorsteher Ulli Meyer.