So lebte einst der Durchschnitts-Saarländer

Rubenheim. Der erste Eindruck muss nicht immer zählen. Wer Gunter Altenkirch in der Erfweilerstraße im kleinen Rubenheim besucht, der könnte annehmen, dass er sich in einem Landwirtschaftsbetrieb oder einer Schreinerei befindet und nicht in dem Museum für dörfliche Alltagskultur

 Es werde Licht: Als nach dem Ersten Weltkrieg das Wachs knapp wurde, formten die Menschen Kerzen aus Fett. Und sie brennt noch heute - Gunter Altenkirch beweist es. Foto: Oliver Bergmann

Es werde Licht: Als nach dem Ersten Weltkrieg das Wachs knapp wurde, formten die Menschen Kerzen aus Fett. Und sie brennt noch heute - Gunter Altenkirch beweist es. Foto: Oliver Bergmann

Rubenheim. Der erste Eindruck muss nicht immer zählen. Wer Gunter Altenkirch in der Erfweilerstraße im kleinen Rubenheim besucht, der könnte annehmen, dass er sich in einem Landwirtschaftsbetrieb oder einer Schreinerei befindet und nicht in dem Museum für dörfliche Alltagskultur. Rechter Hand vom Eingang des großen Scheunentores lagern die Hilfsmittel der Bauern, links unter der Treppe ins Obergeschoss wächst ein neues Regal. "Hier wird ein völlig neues Museum gebaut", erklärt Gunter Altenkirch. Zwei Jahre wird der Umbau wohl in Anspruch nehmen. "Das landwirtschaftliche Material kommt größtenteils ins Archiv."An dieser Stelle entsteht etwas Neues: Ein Aberglaube-Museum, rund 1000 Exponate hat der 70-Jährige schon beisammen. Wobei: Mit dem Begriff "neu" muss man hier vorsichtig umgehen. Altenkirch präsentiert seinen Besuchern durchweg Ausstellungsstücke aus den zurückliegenden drei Jahrhunderten, vermittelt ihnen dadurch einen Eindruck, wie der Durchschnitts-Saarländer einst gelebt hat. Ein besonderes Interesse an dörflicher Alltagskultur müssen seine Gäste nicht mitbringen - das kommt von ganz alleine, sei es durch die außergewöhnlichen Gebrauchsgegenstände oder durch deren Hintergrundgeschichten. Da wäre ein aus Hanf gefertigter Rasierpinsel aus dem Jahr 1945, den Kriegsgefangene in Saarlouis hergestellt haben. Oder die Kerzen, die vor fast 100 Jahren in den saarländischen Wohnstuben brannten: Da das Wachs nach dem Ersten Weltkrieg knapp war, goss man sie aus tierischem Fett. Es wäre unmöglich, Altenkirchs rund 30 000 Exponate komplett aufzuführen. "Wenn mit Ausnahme des Historischen Museums alle saarländischen Museen ihre Exponate zusammenlegen würden, kämen sie an meine Stückzahl nicht heran", sagt Altenkirch. Experten behaupten sogar, dass es im gesamten deutschsprachigen Raum nichts Vergleichbares gibt.

Sammler-Paradies St. Ingbert

Den Grundstein für seinen heutigen Fundus legte Altenkirch schon in seiner Kindheit. Später kamen vermeintlich wertlose Stücke vom Sperrmüll, von Schuttplätzen oder aus Haushaltsauflösungen hinzu. "Das Zeug habe ich Lkw-weise fortgeschafft." Längst hat sich herumgesprochen, dass Gunter Altenkirch ein fleißiger Sammler und Bewahrer ist. Vieles liefern die Menschen auch persönlich bei ihm ab. Vor allem St. Ingbert erwies sich als Paradies. Altenkirch: "Die Arbeiterstadt hatte viel Zuzug aus dem Bliesgau. Doch das wollten einige dieser Nachkommen in den 1960er und 70er Jahren nicht mehr wahr haben. Für sie war das eine Bauernkultur." So fand ein Dampfwalzenzug von 1935 den Weg aus der Mittelstadt nach Rubenheim. Ein Hingucker ist sicher auch die aus Eisstielen gefertigte Puppenstube.

Obwohl sich Gunter Altenkirch bester Gesundheit erfreut und lange nicht ans Aufhören denkt - irgendwann wird der Tag kommen, an dem aus seiner Sammlung sein Nachlass wird. Vorher will er seinen Bestand in Sicherheit bringen. Möglich ist, dass ein Teil in den Kulturpark nach Reinheim kommt - zumindest ist das der Wunsch von Landrat Clemens Lindemann. Umziehen sollten auch die 500 000 Karteikarten - denn die sind ebenso rekordverdächtig.

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