Kolumne Unsere Woche Sicher ist nur, dass nichts sicher ist

Wenn nicht Ausgangsperre zum Unwort des Jahres wird, dann sicherlich das Wort unsicher. Denn wie es weiter geht ist unsicher. Und so fühlen sich ja die Meisten aktuell auch.

Kolumne Unsere Woche: Sicher ist nur, dass nichts sicher ist
Foto: SZ/Lorenz Robby

Wen Corona nicht verunsichert, hat genug andere Gründe für Unsicherheit und Ängste, den Klimawandel zum Beispiel. Im Vergleich mit dessen unaufhaltsamen Auswirkungen ist so eine Pandemie für uns doch ein Klacks. Überhaupt scheinen sich Unsicherheitsgefühle zu verändern, wenn man sie vergleicht. Klar ist es gerade ein wenig unsicher, hier in St. Ingbert, wo die „Seuche“ ihren Anfang bei den SAPlern fand. Doch jeder von uns hätte ja genauso gut irgendwo in einer Favela in Mexiko-City geboren worden sein können. Da fühlt es sich doch auch mit Corona hierzulande sehr sicher an auf die Straße zu gehen, zumindest im Vergleich: Ist es nicht herrlich sicher, dass wir zwar nur auf Abstand zueinander in der Sonne sitzen können, aber dafür nicht ständig von Schusswaffen, gewaltätigen Gangmitgliedern und Hungersnot bedroht sind?! Es zeigt sich, dass Unsicherheit doch „nur“ ein Gefühl ist. Die äußeren Umstände sind ja immer irgendwie – die eigene, subjektive Wahrnehmung und Beurteilung einer Situation macht sie erst sicher oder unsicher. Das scheint auch der Grund für die leeren Klopapierregale im hiesigen Edeka. Menschen, die sich sehr von dem unsicheren Gefühl vereinnahmen lassen, hamstern zum Ausgleich. Das verringert die eigene Unsicherheit und das Gefühl der Ohnmacht, denn man kann ja etwas tun, auch wenn es sinnfrei ist. Das ist übrigens der selbe Mechanismus den unsere Marktwirtschaft in sämtlichen Branchen auszunutzen weiß. Zum Beispiel beim Verkauf von Versicherungen. Schon das Wort „Ver-sicherung“ deutet an, dass man sich hier versucht das Gefühl von Sicherheit zu erkaufen. Manche glauben, wenn sie bloß möglichst viele davon abschließen, seien sie sicher. Oder besser gesagt, sie fühlen sich dann sicher. Dass die Sicherheit auch nur ein Gefühl war, zeigt sich dann spätestens beim nächsten Unfall: Die Erstattungssumme wird dann zwar manchmal und meist widerwillig von der Versicherung gezahlt, aber von Schmerzen gezeichnet, körperlich geschädigt, oder im schlimmsten Fall tot ist der Mensch dann trotzdem. Wer nachts schon mal panisch hochgeschreckt ist, weil sich im Zimmer etwas bewegt hat, was sich dann aber nur als ein wehender Vorhang herausgestellt hat, kennt diesen Effekt auch aus dem Alltag. Der Körper kann beim Fühlen von Unsicherheit und Angst nicht unterscheiden, ob es gerade nur ein Gedanke ist oder die reale Situation, die verunsichert. Und: Ist das, was wir als „reale Situation“ wahrnehmen letztlich nicht auch nur ein Produkt des eigenen Gehirns? Sicher ist also nur, dass Unsicherheit genau wie Sicherheit im Grunde nur im Kopf existiert.

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