„Shared Space“: Visionen wollen verstanden werden

St. Ingbert · Oberbürgermeister Hans Wagner hat derzeit Oberwasser. In den vergangenen Wochen konnte er im Dauer-Streit mit der Mehrheitskoalition im Stadtrat mehrfach punkten. Dass er mit der Verzögerung des eigentlich beschlossenen Abrisses der alten Tischtennishalle am Stadtpark die - auf den ersten Blick zumindest verlockende - Lösung mit dem Verkauf an den aufstrebenden Fußball-Regionalligisten SV Elversberg erst in den Bereich des Möglichen gerückt hat, dürfte ihm in seiner Fan-Gemeinde viel Beifall eingebracht haben. Die Frage, ob er mit dem Auftritt des Clubs als möglicher Investor schlicht Glück hatte, oder ob er als OB von den Plänen nur früher wusste als viele andere, ist eher zweitrangig.

Zudem präsentiert sich Wagner in diesen Tagen auch noch als umweltpolitischer Visionär. Ob seine Begeisterung für Elektro-Fahrzeuge allerdings tatsächlich, wie er in Interviews äußerte, Wellen auch über die Stadtverwaltung hinaus schlägt, wird sich noch zeigen. In öffentlichen Verwaltungen ticken die Uhren nicht selten etwas anders als im Privatleben. Als Visionär präsentierte sich Wagner dann auch noch im Blick auf die innerstädtische Verkehrsader Kohlenstraße. Für dieses verkehrspolitische Uralt-Problem führte der OB den, zumindest für St. Ingbert neuen, englischsprachigen Begriff des "Shared Space" ein. Übersetzt heißt das "gemeinsamer Raum". Gemeint ist ein Verkehrsraum, in dem Autofahrer, Fußgänger und Radfahrer gleichberechtigt miteinander unterwegs sind, und in dem auf Verkehrszeichen, Ampeln und Fahrbahnmarkierungen verzichtet wird. Erfunden hat ihn ein britischer Verkehrsplaner, deswegen der englische Begriff. Und der sorgte für mehr Diskussionen als die Idee selbst. Während Wagner noch übersetzte und erklärte, benutzte die Mehrheits-Koalition in ihrer Reaktion den Begriff gleich mehrfach, übersetzte und erklärte aber nicht, und blieb damit in weiten Teilen unverstanden. Ein Zusatzpunkt für Wagner, denn Visionen wollen zunächst einmal verstanden werden. Laut Internet-Lexikon Wikipedia gibt es übrigens inzwischen durchaus ein deutsches Wort für die Idee. Ob "Gemeinschaftsstraße" aber wirklich besser verstanden worden wäre, sei dahingestellt.

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