Setzen nur mit Satzung

St Ingbert · In der Fußgängerzone wird es im Sommer für Feuerwehrautos ganz schön eng, sollten sie hier im Notfall hindurchmüssen. Hier stehen Stühle, Tische und Werbetafeln. Wer wo was aufstellen darf, bestimmt eine Satzung der Stadt, die auch manchmal Ausnahmen gelten lässt.

 Wer an sonnigen und warmen Tagen einen Platz vor einem Café erwischt, kann sich glücklich schätzen. Sollte die Feuerwehr anrücken, müssen die Glücklichen allerdings nicht nur Beine, sondern auch Stühle in die Hand nehmen. Foto: Yvonne Handschuher

Wer an sonnigen und warmen Tagen einen Platz vor einem Café erwischt, kann sich glücklich schätzen. Sollte die Feuerwehr anrücken, müssen die Glücklichen allerdings nicht nur Beine, sondern auch Stühle in die Hand nehmen. Foto: Yvonne Handschuher

Foto: Yvonne Handschuher

Wenn die Temperaturen steigen und sich Passanten in St. Ingbert vor Cafés und Restaurants niederlassen, geht es meistens darum, einen passenden Platz zu finden. Im Schatten, Halbschatten oder lieber in der Sonne? Und dann muss man erstmal einen Stuhl ergattern. Denn besonders in der Fußgängerzone sind die Plätze begehrt. Wer hier wo sitzen kann, hat aber nicht nur etwas mit Sonne und Schatten zu tun. Es hat auch System. Die Sondernutzungssatzung der Stadt regelt genau, wer was wo aufstellen darf. Denn Tische , Bänke und Stühle sowie Werbetafeln und Warenauslagen gehen über den Gemeingebrauch von öffentlichen Plätzen hinaus. Geschäftsinhaber müssen folglich Gebühren für die Sondernutzung zahlen. Ein Beispiel: Torsten Ullrich hat vor seinem Restaurant Times etwa 30 Quadratmeter zur Verfügung, um Gäste unterzubringen. Kosten in diesem Fall laut Satzung: 75 Euro im Monat. Hinzu kommen monatlich zwei Euro pro Quadratmeter Werbeanlage. Hierzu zählen die in der Fußgängerzone gern genutzten Werbetafeln, auch Kundenstopper genannt, die dementsprechend weit in den Gehweg der Passanten gestellt werden. Grundsätzlich dürfen sie allerdings "höchstens einen Meter von der Hauswand entfernt sein", teilt die Stadt mit.

Aber wo eine Regel ist, gibt es auch Ausnahmen: "Die Gebühren auch für ausnahmsweise weiter entfernte Werbeanlagen und Warenauslagen betragen zwei Euro pro Quadratmeter pro Monat." Da die Satzung laut Angaben der Stadt eine möglichst attraktive Ausgestaltung der Innenstadt zum Ziel habe, soll sie "nicht verhindern, sie soll ermöglichen". Im "gegenseitigen Arrangement" versuche die Stadt "Lösungen zu finden, die der Satzung nicht widersprechen und die den Interessen der Gewerbetreibenden entgegenkommen".

Eine Lösung gab es auch im Fall vom Restaurant Times. Jedoch eine, mit der der Inhaber nicht ganz zufrieden ist. Denn die 30 Quadratmeter vor Ullrichs Tür reichen nicht immer aus, um alle Gäste unterzubekommen. "Im Sommer ist die Außenbestuhlung oft überall voll", sagt Ullrich. Er möchte seine Stühle zumindest an Wochenenden auf der gegenüberliegenden Seite aufbauen, wo sich keine Gastronomie befindet. Laut Satzung geht das jedoch nur "an der Stätte der Leistung"; der zusätzliche Aufbau gegenüber wurde ihm untersagt. Nach dem vorliegenden Regelwerk müssen laut Stadt auch "Sachzwänge berücksichtigt werden". Hierbei nennt sie besonders Durchfahrtsmöglichkeiten für Feuerwehr und Rettungswagen. Drei Meter Restfahrbahnbreite müssen zu jeder Zeit verbleiben.

Gerade im Bereich vor dem Times sei die engste Stelle in der Innenstadt, berichtet Andreas Menges, Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr. Aber "wenn ein großes, rotes Auto ankommt", dann rücken die Gäste vorm Restaurant auch schnell beiseite. "Bisher hat es noch immer geklappt", erzählt Menges und erinnert sich an einen Vorfall auf dem Stadtfest, bei dem die Feuerwehr "einfahren" musste. Da dies zur späten Stunde geschah, und der Andrang auf dem Fest dadurch nicht mehr allzu groß, habe es funktioniert. Vor großen Veranstaltungen lege die Feuerwehr davon abgesehen aber auch immer Alternativanfahrten fest. Problematisch seien hingegen die Krammärkte im Frühjahr oder Herbst sowie die Kirmes. "Das funktioniert nicht immer", sagt Menges. "Die Stände stehen so eng und in den Fahrweg hinein, dass wir nicht mehr durchkommen." Menges sei hier "öfter am Nachsteuern", die Stadt genehmige die Stände dennoch.

Auf Anfrage, wer die Einhaltung der Satzung kontrolliere, teilt die Stadt mit, dass die Abteilung "Verkehr" sich darum kümmere. "Kontrollen finden in unregelmäßigen Abständen oder bei aktuellen Beschwerden statt."

Meinung:

Ausnahmen werden zur Regel

Von SZ-Redakteurin Patricia Müller

Warum eine Satzung, wenn sich niemand daran halten muss? Offenbar drückt die Stadt gerne mal ein bis zwei Augen zu, wenn es um die Einhaltung der Sondernutzungssatzung geht. Auch ohne Zollstock sieht man, dass so manche Werbetafel in der Fußgängerzone weit mehr als einen Meter von der Hauswand entfernt ist - was laut Satzung nicht erlaubt ist. Genauso wenig erlaubt ist es, Tische und Stühle so weit in den Weg zu stellen, dass die Rettungsgasse kleiner als drei Meter ist. Eine regelmäßige Kontrolle gibt es nicht. Die Sondernutzungssatzung mit ihren Sonderregeln nützt so doch niemandem. Zwar gleicht die Fußgängerzone abschnittsweise einem nervigen Slalomparcours aus Kundenstoppern, aber wenn die Stadt zufrieden damit ist, wie es ist, dann sollte sie die Praxis auch zu Papier bringen. Die Kompromisse mit Gewerbetreibenden sind schließlich erfreulich. Aber ein Regelwerk, für das es irgendwann mehr Ausnahmen als Regeln gibt, bedarf wirklich einer Überarbeitung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort