Serie: Mit dem Winzer durch das Jahr/ Teil 1 Herbstzeit ist Erntezeit für die Winzer

Perl · Der Höhepunkt ihres Jahres: Drei Wochen sind sie damit beschäftigt, die Beeren vom Rebstock in den Tank zu befördern.

 Durch Schwingung fliegen die Trauben vom Stock.

Durch Schwingung fliegen die Trauben vom Stock.

Foto: Nina Drokur

Auxerrois, Grauburgunder, Elbling – Weine, die unsere Region auszeichnen. Aber wie wird aus der Traube am Rebstock an der Obermosel der feine Tropfen, von dem der durchschnittliche Deutsche 20 Liter im Jahr genießt? Und was arbeitet ein Winzer eigentlich, während der Most im Tank gärt oder der Wein im Fass reift? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, begleitet die SZ den stellvertretenden Winzerpräsidenten des Saarlandes, Peter Petgen, durch alle vier Jahreszeiten im Weingut Karl Petgen in Nennig. Im ersten Teil der neuen Serie steht die Traubenlese an.

Kein Wölkchen am Himmel, das Thermometer ist schon in den frühen Morgenstunden weit über 20 Grad geklettert – und das Mitte September. Im Weinberg am Schlossberg wackeln seit 7 Uhr die Rebstöcke. Carl Weiher zieht mit einem Traktor den sogenannten Vollernter durch die Reihen am Moselhang. Heute ist der Auxerrois fällig. Die Maschine umschließt den Rebstock und bringt ihn in Schwingung. Die goldgelben Trauben fliegen von ihren Stängeln, zwei Gebläse trennen die Blätter von den Beeren. So erklärt es jedenfalls Dario Thiel, denn der Prozess spielt sich im Inneren des weiß-gelben Kolosses ab. Der Beobachter sieht nur, dass die ganze Reihe wackelt wie ein Lämmerschwanz. Der 23-Jährige ist Winzergeselle und arbeitet schon seit einigen Jahren im Weingut Karl Petgen. Carl Weiher gibt ihm aus dem Traktor heraus ein Handzeichen. Thiel nickt wissend und rennt zum Traubenwagen. Er manövriert den über-mannshohen Anhänger so, dass Carl Weiher die Erntemaschine darin entleeren kann. 5000 Liter Trauben passen in den Traubenwagen. Es knallt. Ist da etwa ein Reifen geplatzt? „Das ist die Gas-Schussanlage“, sagt Thiel. Der Lärm soll Stare abhalten. Genauso wie ein Drache, der fünf Meter über dem Feld schwebt und aussieht wie ein Raubvogel.

Um eine Reihe abzuernten, braucht die Erntemaschine ein bis zwei Minuten. Da können Leszek Pikula und Christof Schuster nicht mithalten. Der Winzer und der Praktikant sind, mit Handschuhen und Scheren bewaffnet, gerade an den ältesten Reben des Hangs zu Gange – 1979 wurden sie gepflanzt. Eine dreiviertel Reihe haben sie handverlesen, dort, wo die Maschine nicht genug Platz hätte. Schuster, der bald sein Weinbaustudium in Geisenheim beginnen wird, schaut auf die Uhr. „Seit einer Stunde sind wir unterwegs.“ Viel selektieren müssen sie in diesem Jahr nicht. Die Trauben sind alle goldgelb, keine faul, von Pilzbefall keine Spur. Und hier und da wandert auch mal eine runde Beere in den Mund statt in den Eimer. Sehr süß schmecken die Trauben, die später zu einem fruchtigen Wein mit wenig Säure werden sollen. Sie scheinen perfekt „So ein Jahr gibt es nicht. Unvorstellbar!“, sagt Petgen mit Vorfreude auf den Jahrgang.

Dass es so kommen würde, hat im Sommer noch keiner geahnt. Die anhaltende Dürre bereitete den Winzern in der Region Sorge. Tiefe Wurzeln haben die meisten Pflanzen aber vor dem Schlimmsten bewahrt. Bei anderen mussten die Winzer bis zu 50 Prozent der Früchte abschneiden, um den Stock zu retten, erzählt Peter Petgen.

Während seine Mitarbeiter im Weinberg unterwegs sind, hält er die Stellung im Betrieb. Er schließt den Traubenwagen, den Dario Thiel inzwischen zum Weingut gefahren hat, an die Presse an. Noch während die Trauben durch dicke rote Schläuche in die noch abgeschaltete Presse rutschen, fließt der Most schon ins Auffangbecken. „Die Trauben sind überreif“, sagt Petgen. Zwei volle Ladungen des Traubenwagens passen in die Presse, bevor Petgen sie anwirft und der Saft so richtig ins Sprudeln kommt. „Aus 6000 Liter Trauben werden 4000 Liter Most“, verrät er. Nach jedem Pressvorgang reinigt Petgen den Metallzylinder. „Hygiene ist alles“, sagt er bestimmt. Zurück bleibt eine schwarze Pampe, die beim näheren Betrachten aus vielen verschiedenen Einzelteilen besteht: Kerne, Schalen, Stiele. Diese nährstoffreiche Mischung bringt Thiel zurück in den Weinberg, als Dünger.

In der Zwischenzeit haben Pikula und Schuster die Arbeit im Moselhang beendet. Zurück im Betrieb etikettieren sie noch schnell ein paar Flaschen, verladen einige Kisten auf Paletten. Peter Petgen koordiniert und schreibt den Plan für die kommenden drei Tage. Richtig planen könne man in der Erntezeit aber nicht. „Es kann sein, dass ich einen Plan noch am selben Tag verwerfe.“ Das ist durch den Lärm der Presse kaum zu verstehen. Die sorgt gerade dafür, dass der Most durch einen grünen Schlauch ein Stockwerk tiefer befördert wird. Im Weinkeller stehen große Edelstahltanks aneinandergereiht. 300 Liter fasst der kleinste, 16 000 der größte Tank im Weingut Karl Petgen, das Peter Petgen bereits in der neunten Generation betreibt. In zwei Tagen wird Petgen noch die Hefe dazu gegeben und so werden die Moste vier Wochen lang zu Wein vergären.

 Wenn die Erntemaschine einige Reihen abgeerntet hat, wird der Ertrag in den Traubenwagen umgefüllt. Der bringt die Trauben dann zum Pressen.

Wenn die Erntemaschine einige Reihen abgeerntet hat, wird der Ertrag in den Traubenwagen umgefüllt. Der bringt die Trauben dann zum Pressen.

Foto: Nina Drokur
 Leszek Pikula (l.) und Christof Schuster ernten einige Reihen von Hand.

Leszek Pikula (l.) und Christof Schuster ernten einige Reihen von Hand.

Foto: Nina Drokur
 Übrig bleibt Trester, der als Dünger zurück auf den Weinberg kommt.

Übrig bleibt Trester, der als Dünger zurück auf den Weinberg kommt.

Foto: Nina Drokur
 Carlo Weiher fährt den Traktor mit der Vollerntemaschine. Er hilft acht Winzern in der Region beim Ernten.

Carlo Weiher fährt den Traktor mit der Vollerntemaschine. Er hilft acht Winzern in der Region beim Ernten.

Foto: Nina Drokur
 5000 Liter Trauben fasst ein Traubenwagen. Zwei solcher Wagen braucht es, bis die Presse, die im Weingut steht, voll ist.

5000 Liter Trauben fasst ein Traubenwagen. Zwei solcher Wagen braucht es, bis die Presse, die im Weingut steht, voll ist.

Foto: Nina Drokur
 Vom Traubenwagen werden die Trauben durch den roten Schlauch in die Presse transportiert.

Vom Traubenwagen werden die Trauben durch den roten Schlauch in die Presse transportiert.

Foto: Nina Drokur
 Wo die Erntemaschine nicht hinkommt, wird noch von Hand gelesen.

Wo die Erntemaschine nicht hinkommt, wird noch von Hand gelesen.

Foto: Nina Drokur
 Winzer Peter Petgen

Winzer Peter Petgen

Foto: Ruppenthal

Dann wird der stellvertretende Winzerpräsident erzählen, wie es weiter geht im Weinprozess. Bis dahin müssen noch alle anderen Weinsorten wie Grau- und Weißburgunder, Elbling, Chardonnay und Riesling, die auf 15 Hektar Anbaufläche wachsen, geerntet und gepresst werden.

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